25.09.2023

| Aktuelle Meldung

ACRIBiS – Risiken bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen besser erkennen

Datenanalysen helfen Behandelnden und ihren Patienten und Patientinnen, Risiken bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen besser einzuschätzen. So kann die Herzgesundheit gezielter geschützt und Verschlechterungen von Herzerkrankungen vorgebeugt werden.

Smartphone des Arztes und Smartwatch eines Patienten mit Daten zur Herzfunktion

Mit mobilen Endgeräten erhobene Daten spielen eine wichtige Rolle bei der Früherkennung von Gesundheitsrisiken.

HiGHmed/Ole Spata

Das medizinische Gesamtbild eines Menschen hilft den Ärztinnen und Ärzten, persönliche Gesundheitsrisiken ihrer Patientinnen und Patienten besser zu erkennen. So können sie Präventions- und Therapiemaßnahmen in jedem Einzelfall personalisieren, können jede Patientin und jeden Patienten bestmöglich versorgen. Diese Personalisierung in der Herz-Kreislauf-Medizin mit hochkomplexen Datenanalysen zu unterstützen – das ist das Ziel des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Projektes ACRIBiS (Advancing Cardiovascular Risk Identification with Structured Clinical Documentation and Biosignal Derived Phenotypes Synthesis). Das BMBF fördert diesen Anwendungsfall der Medizininformatik-Initiative (MII) über vier Jahre mit mehr als neun Millionen Euro.

Datenanalysen verbessern Prävention und Therapie

ACRIBiS beschreitet – auch auf internationaler Ebene – in vielen Punkten Neuland. Alle beteiligten Universitätskliniken und Kliniken standardisieren ihre Daten aus Forschung und Versorgung zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen und machen sie für standortübergreifende Analysen nutzbar. Das Besondere: „Mit modernsten IT-Verfahren werden wir dabei komplexe Biosignale, beispielswiese EKG-Daten, mit klinischen Informationen – also Blutdruckwerten, Behandlungsschemata und Therapieergebnissen – in einem großen Datenschatz zusammenführen. Aus diesem wollen wir mithilfe komplexer Datenanalysen ein medizinisches Prognosemodell entwickeln“, sagt ACRIBiS-Koordinator PD Dr. Sven Zenker, Ärztlicher Leiter der Stabsstelle Medizinisch-Wissenschaftliche Technologieentwicklung und -koordination (MWTek) und Leiter der Arbeitsgruppe Angewandte Medizinische Informatik (AMI) am Institut für Medizinische Biometrie, Informatik und Epidemiologie (IMBIE) des Universitätsklinikums Bonn. „Dieses Modell soll Gesundheitsrisiken bei jeder Person mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen mit hoher Zuverlässigkeit vorhersagen können. Es soll Behandelnden künftig helfen, mögliche Risiken schneller zu erkennen und frühzeitig gezielt entgegenzuwirken. Mit diesem Werkzeug wollen wir beispielsweise Herzinsuffizienz und -infarkten künftig wirkungsvoller vorbeugen“, so Zenker.

Die Universitätskliniken der ACRIBiS-Standorte – Bonn (Gesamtkoordination), Hannover (Co-Koordination), Würzburg (Co-Koordination), Heidelberg, Göttingen, München, Berlin, Dresden, Essen, Freiburg, Kiel, Mainz, Münster, Ulm – und das Carl-Thiem-Klinikum in Cottbus sammeln zunächst gemeinsam die Daten aus der Routineversorgung von rund 4.500 Patientinnen und Patienten, die der Erfassung und Nutzung ihrer Daten zugestimmt haben. Im Projektverlauf werden diese Personen gebeten, die Entwicklung ihres Gesundheitszustandes im Rahmen einer strukturierten Datenerhebung selbst einzuschätzen. Dafür sollen sie über mobile Endgeräte auch eine Patienten-App nutzen. Ihre Rückmeldungen – im Fachjargon patientenzentrierte Outcomes genannt – fließen in die Datenanalysen der Forschenden und in die Entwicklung des Risiko-Vorhersagemodells ein.

Patientinnen und Patienten stärker einbeziehen

Die von ACRIBiS entwickelte Patienten-App wird nicht nur der Forschung wichtige Daten liefern. Mit ihrer Hilfe sollen Patientinnen und Patienten ihr persönliches Gesundheitsrisiko auch selbst besser einschätzen können. So trägt die App dazu bei, das Bewusstsein der Menschen für ihre gesundheitlichen Risiken zu stärken und Therapiepläne – auch im heimischen Umfeld – bestmöglich umzusetzen. „Mit ACRIBiS zeigen wir nicht nur, wie die wissenschaftliche Analyse von Patientendaten unmittelbar in die Versorgung zurückwirkt und sie verbessern kann. Wir beziehen die Patientinnen und Patienten ein, stärken ihre Achtsamkeit und machen sie zu unseren Partnern“, so Zenker. Und das funktioniert nicht nur in der Herz-Kreislauf-Medizin. Die Strategien von ACRIBiS und seine technischen Lösungen sind – sobald sie umgesetzt sind und sich in der Praxis bewährt haben – auch auf andere medizinische Bereiche übertragbar.

Medizininformatik-Initiative – die Eckdaten

Daten vernetzen, Gesundheitsforschung- und -versorgung verbessern – dafür stehen die MII und die Digitalen FortschrittsHubs Gesundheit der Bundesregierung. Das Förderprogramm ist modular aufgebaut:

  • Konsortien und Datenintegrationszentren (2018-2026): Die vier Konsortien schaffen die Voraussetzungen für die standortübergreifende Nutzung von Daten aus der Forschung und der Patientenversorgung. Hierfür etabliert die MII Datenintegrationszentren an Universitätskliniken und Partnereinrichtungen gemeinsam mit dem Netzwerk Universitätsmedizin. Den medizinischen Mehrwert dieser Infrastrukturen für die Datenanalyse und die Versorgung der Patientinnen und Patienten zeigen vielfältige Anwendungsfälle auf. Auf dieser Basis soll die MII zum Motor und Impulsgeber einer dezentralen Forschungsdateninfrastruktur in Deutschland werden. Das BMBF fördert die Konsortien in der Aufbau- und Vernetzungsphase (2018 bis 2022) und der aktuell laufenden Ausbau- und Erweiterungsphase (2023 bis 2026) mit insgesamt über 400 Millionen Euro.
  • Digitale FortschrittsHubs Gesundheit (2021-2025): Die Hubs beziehen pilothaft Daten aus der regionalen Versorgung in Strukturen und Lösungen der Medizininformatik-Initiative mit ein. Den Nutzen dieser Vernetzung für die regionale Patientenversorgung zeigen sie in konkreten Anwendungsfällen beispielhaft auf. Fördervolumen: 50 Millionen Euro.
  • Nachwuchsgruppen (2020-2026): Gut ausgebildete Fachkräfte sind ein wesentlicher Erfolgsfaktor für die Digitalisierung in der Medizin. Daher fördert das BMBF an der Schnittstelle von Informatik und Medizin den wissenschaftlichen Nachwuchs. So wurden 45 neue Medizininformatik-Professuren eingerichtet und 21 Nachwuchsgruppen etabliert, in denen etwa 100 junge Menschen forschen. Fördervolumen: rund 30 Millionen Euro.