26.06.2023

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Hepatitis-E-Virus: Einzelne Mutation macht Therapie unwirksamer

Mit Hilfe einer einzelnen Mutation in seinem Erbgut schützt sich das Hepatitis-E-Virus vor einem zunächst wirksamen Medikament und kann so überleben. Entdeckt wurde dies mit neuen computergestützten Verfahren, die künftig auch im Klinikalltag einsetzbar sind.

Grafische Darstellung des Abwehrmechanismus

Das Hepatitis-E-Virus schützt sich mit Hilfe der Mutation A1343V gegen ein zunächst wirksames Medikament und vermehrt sich ungehindert – das haben Nachwuchsforschende aus Bochum herausgefunden.

Dr. Daniel Todt

Es ist schon lange bekannt, dass Viren durch Veränderungen in ihrem Erbgut (Genom) gegen einen Arzneiwirkstoff resistent werden können. Doch um herauszufinden, wann und wo genau solche Mutationen stattfinden, müssen viele Virusgenome erfasst, analysiert und ausgewertet werden. Bislang fehlen computergestützte Verfahren, die nicht nur die riesige Menge der dabei anfallenden Daten bewältigen, sondern auch im ärztlichen Alltag in Klinik und Praxis anwendbar sind. Der Bochumer Nachwuchsforscher Dr. Daniel Todt und sein Team sind offenbar auf dem besten Weg, solche Verfahren zu etablieren. Ihnen gelang es, erstmals diejenige Mutation auf dem Hepatitis-E-Virus zu identifizieren, die dafür sorgt, dass das Medikament Sofosbuvir nichts mehr gegen den Erreger ausrichten kann. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) fördert das von Todt geleitete Forschungsprojekt Virbio bis 2027 mit insgesamt knapp 1,7 Millionen Euro.

Hepatitis-E-Viren: nur bei schlechter Immunabwehr gefährlich

Hepatitis-E ist eine der häufigsten durch Viren ausgelösten Leberentzündungen; jährlich infizieren sich weltweit rund 20 Millionen Menschen, aber nur 3,3 Millionen erkranken an einer akuten Leberentzündung, wobei sich die meisten von allein erholen. Die Infektion kommt vor allem in Weltregionen mit unzureichender Trinkwasser- und Lebensmittelhygiene vor. In Deutschland stecken sich Menschen meist über unvollständig gegartes Schweinefleisch oder Muscheln an, die Infektion bleibt wegen unauffälliger Verläufe aber meist unerkannt. Sie löst je nach Schweregrad Appetitlosigkeit, Übelkeit sowie Fieber und Gelbsucht aus und kann das Lebergewebe im schlimmsten Fall lebensbedrohlich schädigen. Menschen mit einem gesunden Immunsystem erkranken selten; bei schlechter Immunabwehr, etwa infolge einer Organtransplantation oder einer Krebstherapie, kann die Leberentzündung chronisch werden (Zirrhose).

Problem: Das Erbgut von Viren verändert sich kontinuierlich

Das Erbgut eines Organismus zu entschlüsseln, ist heutzutage kein Wunderwerk mehr. Modernste Sequenzierungstechniken ermöglichen beispielsweise, das Genom eines Virus innerhalb kürzester Zeit komplett darzustellen. Um aber die Wirkung eines Virus auf den Verlauf einer Krankheit zu klären und daraus Therapieoptionen abzuleiten, reicht die Entschlüsselung eines einzelnen Virus nicht aus. Zum einen unterteilen sich Virusarten in etliche Varianten, die sich in ihrem Genom leicht unterscheiden und dadurch auch unterschiedliche Krankheitsbilder auslösen können. Zum anderen verändern Viren kontinuierlich ihr Erbgut als Reaktion auf Kontakte mit ihrer Umgebung: den befallenen Körperzellen oder einem Arzneiwirkstoff. Diese Mutationen helfen ihnen zu überleben und Medikamente unwirksam zu machen.

Medikament nur kurzfristig wirksam

Genau dies hatte die Forschungsgruppe in einer vorangegangenen Studie festgestellt: Bei Infektionen mit dem Hepatitis-E-Virus (HEV) erzielte das Medikament Sofosbuvir keinen nachhaltigen therapeutischen Effekt, obwohl es gegen eine andere Virusart, das Hepatitis-C Virus (HCV), oft erfolgreich eingesetzt wird. Auffällig war, dass das Medikament auch beim Hepatitis-E-Virus zunächst eine gute Wirkung hatte und die Viruslast deutlich verringerte. Nach einiger Zeit vermehrte sich das Virus aber erneut und blieb gegen weitere Behandlung resistent. Mit der aktuellen Studie wollten die Forschenden den Ursachen dieses enttäuschenden Therapieverlaufs auf die Spur kommen. Dabei stellte sich heraus, dass die Hepatitis-E-Viren umso schneller gegen eine Therapie mit dem Medikament resistent wurden, je mehr Varianten bei einem Infizierten vorkamen. In einem zweiten Untersuchungsschritt entdeckten sie, dass die erneute Vermehrung der Viren nur bestimmte Varianten betraf. Die Forschungsgruppe sequenzierte nun gezielt die wieder erstarkten Virusvarianten und wurde prompt fündig: Im Genabschnitt, der für die Vermehrung zuständig ist, fanden sie eine einzelne Mutation, die den Therapieerfolg in Experimenten um das Fünffache verringerte.

Rechnerische Verfahren entscheidend für Identifikation der Mutation

„Ohne die rechnerische Aufarbeitung all der vielen Daten aus der Sequenzierung hätten wir diese Mutation nicht gefunden,“ erklärt Todt. „Das beweist, dass wir mit unseren mathematischen Modellen richtig liegen und diese nun weiterentwickeln können zu optimalen Analysepipelines für die Genomanalyse bei Hepatitis-E-Infektionen und langfristig auch anderen Viruserkrankungen.“ Dabei ist der Forschungsgruppe wichtig, dass die computergestützten Verfahren tauglich sind für den Einsatz im ärztlichen Praxis- und Klinikalltag. Für die Nachwuchsforschenden ist die Entdeckung der Mutation laut Todt nur ein erster Schritt: „Es gibt noch viele weitere Optionen, mit den Methoden von Big Data und Künstlicher Intelligenz die Wechselwirkung zwischen Viren und ihren Wirten so zu erfassen, dass Patientinnen und Patienten individuell therapiert werden können – und genau daran arbeiten wir“.