29.11.2023

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Lymphome und Leukämie: Gezieltere Medikation möglich

Die Symptome von Leukämie und Lymphomen sind meist unspezifisch. Daher ist es oft schwierig, passgenaue Therapien zu finden. Eine BMBF-geförderte Nachwuchsgruppe hat eine praxistaugliche IT-Plattform entwickelt, die wirksame Medikamente identifiziert.

Junge Frau betrachtet Laborproben

Eine Leukämie oder Lymphome und entsprechend passende Medikamente zu identifizieren, ist oft aufwändig. Nachwuchsforschende haben in ihrem Projekt SYMPATHY ein Verfahren entwickelt, das die Laborbefunde der Betroffenen rechnerisch auswertet und so bei Diagnostik und Medikation unterstützt.

DLR-PT/BMBF

Leukämie und Lymphome sind bösartige Krebserkrankungen, bei denen ein sehr wichtiger Teil unseres Immunsystems betroffen ist: die Blutzellen und dabei insbesondere die weißen Blutkörperchen. Die Symptome sind häufig unspezifisch und ganz unterschiedlich. Sie reichen von Nasenbluten, Schwitzen und Gewichtsverlust bis hin zu schweren Organbeschwerden. Diagnostik und Therapie sind eine große Herausforderung für Ärztinnen und Ärzte und erfordern eine intensive Zusammenarbeit der verschiedenen medizinischen Fachbereiche; häufig müssen zudem unterschiedliche Therapien und Medikamente erprobt werden.

Im Projekt SYMPATHY eröffnet eine Gruppe von Nachwuchsforschenden eine neue Perspektive für die Behandlung beider Erkrankungen. Sie haben zunächst die Zusammenhänge zwischen den molekularen Eigenschaften der erkrankten Zellen und der Wirksamkeit von Medikamenten genauer untersucht. Das Ergebnis ihrer Arbeiten ist eine elektronische Plattform, mit deren Hilfe Ärztinnen und Ärzte diejenigen Medikamente identifizieren können, die für den jeweils individuellen Fall eine besonders große Wirksamkeit versprechen. Damit können Betroffene nicht nur gezielter behandelt, sondern auch vor unnötigen Therapien oder vermeidbaren Nebenwirkungen bewahrt werden. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) förderte die Arbeiten im Rahmen seines Förderkonzeptes zur Systemmedizin mit über drei Millionen Euro.

Systemmedizin

Bereits seit 2013 fördert das BMBF die Systemmedizin in Deutschland. Bestandteil des Förderkonzeptes „e:Med – Maßnahmen zur Etablierung der Systemmedizin in Deutschland“, für das insgesamt 340 Millionen Euro zur Verfügung stehen, sind auch die drei Fördermaßnahmen des Moduls III „Nachwuchsförderung“. Sie richten sich an junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Auch der Juniorverbund SYMPATHY ist Teil dieser Nachwuchsförderung.
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Neues Screeningverfahren zur Einordnung der vielfältigen Einflussfaktoren

Das Team um Projektleiter Professor Dr. Sascha Dietrich hat ein Screeningverfahren entwickelt, mit dessen Hilfe gleichzeitig Daten über das Genom der Tumorzellen, die molekulare Umgebung des Tumors (Tumormikromilieu) und die Medikamentenwirkung erfasst und ins Verhältnis zueinander gesetzt werden können.

Dabei hat das Team festgestellt, dass die tumorartig veränderten Immunzellen resistent gegen Medikamente werden, indem sie bestimmte Wachstumsfaktoren (Zytokine) produzieren, die wiederum die Abwehrfähigkeit anderer Immunzellen (B-Zellen) blockieren. Die Forschenden konnten zeigen, unter welchen Bedingungen ein Medikament voraussichtlich wirkt oder nicht. Eine wichtige Rolle spielt dabei offenbar, dass die Tumorzellen im Knochenmarkgewebe einen Schutzraum finden und sich dort etlichen Arzneiwirkstoffen erfolgreich entziehen. Die Forschenden identifizierten Medikamente, die das Potenzial haben, diese Resistenz zu überwinden. „Für die klinische Praxis sind das wichtige Informationen, denn nun kann man Medikamente oder Kombinationen von Medikamenten herausfiltern, die die Zytokine stoppen“, sagt Dietrich.

Plattform ermöglicht, in der Praxis geeignete Medikamente zu identifizieren

Das im SYMPATHY-Projekt entwickelte Screeningverfahren haben die Forschenden zu einer Plattform für die klinische Praxis weiterentwickelt. Hier werden Daten aus der Forschung zusammengeführt mit Daten von Menschen mit Lymphomen oder Leukämie und ihrer Reaktion auf verschiedene Therapien. Ärztinnen und Ärzte ergänzen dann die individuellen Befunde ihrer Patientinnen und Patienten. Auf diese Weise lässt sich über die Künstliche Intelligenz (KI) der Plattform beispielsweise die Wirksamkeit eines Medikamentes passend zum individuellen Fall rechnerisch vorhersagen. Je mehr Daten über die Zeit in die Plattform eingegeben werden, umso genauer die Berechnungen.

Die Plattform ist bereits in der Praxis angekommen und fester Bestandteil des „Molekularen Tumorboards“ der Uniklinik Heidelberg, der regelmäßigen Besprechungsrunde von Ärztinnen und Ärzten unterschiedlicher Fachrichtungen zu individuellen Krankheitsfällen. Weitere Interdisziplinäre Tumorzentren planen, die Plattform ebenfalls zu übernehmen. 

Leukämie und Lymphome – Krebserkrankungen der Blutzellen

Leukämie, häufig auch als Blutkrebs bezeichnet, wird durch Fehler bei der Entstehung von Blutzellen im Knochenmark verursacht. Einerseits mangelt es an gesunden Zellen, andererseits entstehen zu viele unreife weiße Blutkörperchen, die sich über die Blutbahn im Körper verteilen und beispielsweise das Nervensystem oder innere Organe erreichen und schädigen. Lymphome wie Hodgkin oder das Multiple Myelom entstehen durch die Erkrankung des lymphatischen Systems, zu denen vor allem Milz, Lymphknoten und Mandeln gehören. Aufgabe dieses Systems ist, mit Hilfe weißer Blutkörperchen (Leukozyten) alte Körperzellen abzubauen sowie körperfremde Stoffe und Krankheitserreger abzuwehren. Im Krankheitsfall vermehren sich die Leukozyten unkontrolliert, was zu Fieber oder Gewichtsverlust, aber auch Beschwerden an den Organen des lymphatischen Systems führen kann. Auch wenn Symptome, Verläufe und Schweregrade bei Lymphomen und Leukämie ganz unterschiedlich sind, müssen die Betroffenen lebenslang ärztlich überwacht und versorgt werden.