Mit magnetischen Nanopartikeln dem Brustkrebs auf der Spur - Schonende Methode bald für jede Patientin?

Diagnose: Brustkrebs – Mit dieser Nachricht werden in Deutschland jedes Jahr mehr als 57.000 Frauen konfrontiert. Um zu erfahren, ob der Tumor bereits gestreut hat, mussten lange Zeit alle Lymphknoten nahe der Brust entfernt werden – eine durchaus riskante Operation. Seit einigen Jahren ist bekannt, dass meist die schonende Entnahme von einem einzelnen Lymphknoten ausreicht. Aber welcher der zahlreichen Lymphknoten ist der richtige? Forscher von der Universität zu Lübeck machen sich nun mit winzigen magnetischen Kügelchen auf die Suche.

Brustkrebs ist die häufigste Krebserkrankung bei Frauen: In Deutschland erkranken jedes Jahr mehr als 57.000 Frauen neu an Brustkrebs. Heutzutage kann meist auf die komplette Abnahme der Brust verzichtet werden. Bei mehr als 70 Prozent der Patientinnen können die Chirurgen mittlerweile so operieren, dass die Brust erhalten bleibt. Hierbei werden nur der Tumor und ein Sicherheitsrand im gesunden Gewebe entnommen. Um auch Krebszellen zu entfernen, die über das Lymphsystem verschleppt wurden und die Tochtergeschwülste (Metastasen) ausbilden können, wurden den Brustkrebspatientinnen bisher vorsorglich alle Lymphknoten aus der Achselhöhle entfernt. Eine aufwändige Operation, die nicht unerhebliche Spätfolgen für die Patientin haben kann. Seit etwa fünf Jahren gilt die Entnahme von einzelnen bestimmten Lymphknoten, den Wächterlymphknoten, als schonende Alternative.

Nicht alle Lymphknoten müssen weg

„Die Untersuchung der Wächterlymphknoten ist ein großer Vorteil für Brustkrebspatientinnen. Denn bei der kompletten Entfernung der Achsellymphknoten kann es zu schweren Komplikationen kommen. Viele Patientinnen leiden unter Schwellungen und Schmerzen“, berichtet Prof. Dr. Thorsten Buzug vom Institut für Medizintechnik an der Universität zu Lübeck. Oftmals ist die Entnahme aller Lymphknoten nicht zwingend erforderlich: „Rund 90 Prozent der Brustkrebspatientinnen, denen vorsorglich alle Lymphknoten entfernt wurden, hatten auch Lymphknoten, in die der Tumor nicht gestreut hat - diese hätten also nicht entfernt werden müssen“, sagt Professor Buzug.

Magnetische Kügelchen statt Radioaktivität

Aber welche der zahlreichen Lymphknoten in der Brust und Achselhöhle sind Wächterlymphknoten? „Bisher wird ein Wächterlymphknoten meist von Nuklearmedizinern vor der Operation identifiziert“, erklärt Professor Buzug. Hierbei wird den Patientinnen eine radioaktive Lösung in die Nähe des Tumors gespritzt, die anschließend über die Lymphgefäße der Brust zum ersten Lymphknoten transportiert wird, zum Wächterlymphknoten. Für das bisherige Verfahren mit Radioaktivität ist eine komplette nuklearmedizinische Abteilung notwendig. „Deshalb kann die Identifizierung und Entfernung der Wächterlymphknoten derzeit nur in Kliniken mit entsprechenden logistischen Voraussetzungen praktiziert werden“, sagt Professor Buzug. In Zukunft soll es eine Alternative geben: das Magnetic-Particle-Imaging, kurz MPI. Professor Buzug, der das MPI im Rahmen eines vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Projekts entwickelt, erklärt die Vorteile der neuen Methode: „Beim Magnetic-Particle-Imaging werden statt Radioaktivität magnetische Nanopartikel eingesetzt. So können die Chirurgen während der Operation ganz gezielt zum Wächterlymphknoten navigieren und ihn dann schneller, präziser und ohne radioaktive Strahlenbelastung entfernen.“

Schonend operieren - bald überall möglich?

Das Ziel der Forscher ist, mit Hilfe des MPI zukünftig vielen Brustkrebspatientinnen die schonende Entnahme der Wächterlymphknoten zu ermöglichen. Mit einem MPI-Scanner wäre das denkbar: „Die schonende Entnahme der Wächterlymphknoten könnte durch das weniger aufwändige MPI in Zukunft deutlich mehr Patientinnen zugänglich gemacht werden. Zudem würde sich die Qualität der Behandlung verbessern.“ Noch forscht Professor Buzug mit seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern an den Konzepten für ein neues MPI-Gerät: „Zusammen mit der Klinik für Frauenheilkunde am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein in Lübeck untersuchen wir derzeit, ob ein neuer Scannertyp funktioniert und ob mit ihm die Entnahme der Wächterlymphknoten in ihrer Qualität - bei gleichzeitiger Kostenreduktion - im Vergleich zur nuklearmedizinischen Methode verbessert werden kann“, berichtet Professor Buzug.

Die Entwicklung und Erforschung des neuartigen MPI-Scanners zählte 2008 zu den Gewinnern des Innovationswettbewerbs Medizintechnik, der seit mehr als zehn Jahren jährlich vom BMBF ausgeschrieben wird. Im September 2009 gewann ein Mitarbeiter von Professor Buzug, Diplom-Ingenieur Timo Sattel, für seine Forschungsarbeit zum neuen MPI-Scanner den Innovation-Award. Mit diesem Preis zeichnen die Fraunhofer Gesellschaft und der Verband der Elektrotechnik, Elektronik und Informationstechnik (VDE) die besten und innovativsten Ideen im Bereich der Medizin- und Biomedizintechnik aus.

Wächterlymphknoten zeigt an, ob der Tumor gestreut hat

Durch die weibliche Brust verlaufen zahlreiche Lymphgefäße, die mit dem Lymphsystem des Körpers verbunden sind. Aus der Brust fließt die Lymphflüssigkeit, die neben Nährstoffen und Krankheitserregern auch Krebszellen transportieren kann, in die Lymphknoten der Achselhöhle ab und wird dort gefiltert. In den Wächter- oder Sentinel-Lymphknoten (sentinel bedeutet im Englischen Wächter) - manchmal handelt es sich auch um mehrere dicht beieinander liegende Lymphknoten - fließt die Lymphflüssigkeit aus dem Tumorgebiet als erstes ab. Wenn ein Brusttumor also Krebszellen über die Lymphflüssigkeit verstreut, sammeln sie sich zunächst im Wächterlymphknoten. Deshalb können die Ärzte anhand von Gewebeschnitten des Wächterlymphknotens entscheiden, ob noch weitere Lymphknoten entfernt werden müssen oder nicht. Denn haben sich im Wächterlymphknoten bereits Tumorzellen angesiedelt, so befinden sich mit hoher Wahrscheinlichkeit weitere Metastasen in den Lymphknoten der Umgebung. Sind hingegen noch keine Krebszellen in den Wächterlymphknoten verschleppt worden, kann in den meisten Fällen auf die Entnahme der übrigen Lymphknoten aus der Achselhöhle verzichtet werden.

Magnetische Nanopartikel weisen den Weg

Beim Magnetic-Particle-Imaging, kurz MPI, werden den Brustkrebspatientinnen winzige magnetische Kügelchen, so genannte Nanopartikel, in den Tumor oder in die Nähe des Tumors gespritzt, die sich ähnlich wie die radioaktive Lösung bei der herkömmlichen Diagnostik in den Wächterlymphknoten sammeln. Die Nanopartikel werden anschließend einem magnetischen Wechselfeld ausgesetzt und reagieren darauf. Mit Spulen wird gemessen, wo sich die Nanopartikel befinden und wie viele es sind. So entsteht ein scharfes Bild aus dem Körperinneren. „Wir erproben gerade ein neues MPI-Gerät. Das Besondere daran ist, dass der MPI-Scanner einseitig aufgebaut ist, das heißt sowohl die Sendespulen, die das starke Magnetfeld erzeugen, als auch die Empfangsspulen, die das Signal der Nanopartikel erfassen, befinden sich auf einer Seite der Patientin“, erklärt Professor Buzug. Diese neuartige Anordnung der Geräteteile ermöglicht einen schnellen Einsatz von MPI-Geräten während einer Operation, wozu bisherige MPI-Prototypen nicht geeignet waren.

Einen ganzen Menschen per MPI zu scannen, ist gar nicht so einfach. Professor Buzug betont: „Das bedeutet einen erheblichen Entwicklungsaufwand. Hierzu werden weitere Forschungsanstrengungen in Kooperation mit Wissenschaftlern aus dem Unternehmen Philips, den Erfindern dieses Prinzips, erforderlich sein. Wenn wir aber soweit sind, wird diese Methode deutlich mehr Frauen die schonende Entfernung des Wächterlymphknotens ermöglichen.“

Weitere Anwendungsfelder, zum Beispiel bei der Untersuchung des Herzens, sind vorstellbar. Die ersten dreidimensionalen Bilder von einem schlagenden Herzen einer Maus konnten jedenfalls schon gezeigt werden.

Ansprechpartner:
Prof. Dr. Thorsten M. Buzug
Institut für Medizintechnik
Universität zu Lübeck
Ratzeburger Allee 160
23538 Lübeck
Tel.: 0451 500-5400
Fax: 0451 500-5403
E-Mail: buzug@imt.uni-luebeck.de