September 2017

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Testen statt Verzichten – Schnelle Hilfe bei Histamin-Intoleranz

In Deutschland leiden mehr als zwei Millionen Menschen an einer Histamin-Intoleranz. Herzrasen, Bauchschmerzen oder Ausschlag sind die Folgen. Tübinger Forscher haben einen Schnelltest entwickelt, der den Histamin-Gehalt von Lebensmitteln bestimmt.

Ein Holztablett mit zwei verschiedenen Käsestücken, Brötchen und zwei Gläsern Rotwein

Für den einen Genuss, für den anderen Leid – gerade Lebensmittel wie Wein und Käse können viel Histamin enthalten und sind deshalb für Menschen mit einer Intoleranz häufig tabu.

Katarzyna Bialasiewicz/Thinkstock

Ein Glas Rotwein, ein lang gereifter Käse, ein paar Scheiben Parmaschinken – das sind kulinarische Genüsse, die den meisten keine Probleme bereiten. Menschen mit Histamin-Intoleranz können auf solche Nahrungsmittel jedoch mit Symptomen wie Herzrhythmusstörungen, Magen-Darm-Beschwerden oder Hautausschlag reagieren. Mithilfe eines neuen Schnelltests können die Betroffenen den Histamin-Gehalt einzelner Produkte vor dem Verzehr ermitteln. Für sie bedeutet das ein Plus an Lebensqualität.

Die Gefahr kann fast überall lauern. Denn fast alle Lebensmittel enthalten Histamin in geringerer oder höherer Konzentration. Besonders belastet sind Produkte, die durch lange Reifungs- oder Gärungsprozesse entstehen wie Wein, Fisch, Käse oder Sauerkraut. Der Histamin-Gehalt variiert je nach Sorte und Lagerung stark. Dabei kann sogar ein und dieselbe Käsesorte unterschiedliche Histamin-Werte aufweisen. Histamin ist als Botenstoff im menschlichen Körper an der Steuerung verschiedener Prozesse wie Schlaf-wach-Rhythmus, allergische Reaktionen oder Entzündungen beteiligt. Es wird aber nicht nur vom Körper selbst hergestellt, sondern auch über viele Nahrungsmittel aufgenommen. Der Stoff wird in der Regel durch Enzyme im Darm abgebaut. Bei einer Unverträglichkeit ist dieser Abbau gestört, sodass sich zu viel Histamin im Körper ansammelt.

Stark eingeschränkte Lebensqualität

Eine Histamin-Intoleranz kann sich in vielfältigen, allergieähnlichen Symptomen äußern. Dazu zählen Migräne, Nesselsucht, geschwollene Augenlider, Ekzeme und Magen-Darm-Beschwerden. Eine eindeutige Diagnose ist daher schwierig. Die Symptome treten in der Regel zwei Stunden nach dem Essen auf und dauern zumeist einen halben Tag an. Wollen die Betroffenen auf Nummer sicher gehen, müssen sie eine strenge Diät einhalten. „Die Lebensqualität ist stark eingeschränkt, und es kann zu Mangelerscheinungen kommen, daher ist es wichtig zu helfen“, sagt Dr. Christoph Pfefferle, der derzeit die Gründung der Firma ELEFA Bioscience GmbH vorbereitet, die den Schnelltest zur Bestimmung des Histamin-Gehalts von Lebensmittel entwickelt hat.

Bisher kann nur im Labor ermittelt werden, wieviel Histamin ein bestimmtes Nahrungsmittel enthält. Mit dem neuen Schnelltest können Menschen mit Histamin-Intoleranz dagegen ein Produkt vor Ort schnell und einfach überprüfen. Der Test hat die Größe eines Kugelschreibers. Mit einer Stanzvorrichtung an der Spitze kann der Anwender kleine Proben etwa vom Käse nehmen. Eine spezielle Flüssigkeit löst das Histamin aus der Probe heraus. Diese wird dann auf einen integrierten Teststreifen gegeben, der anzeigt, ob das Lebensmittel kein, wenig oder viel Histamin enthält. „Das Prinzip ist vergleichbar mit einem Schwangerschaftstest. Das Ergebnis liegt binnen fünf Minuten vor“, erklärt Pfefferle.

Der Test kann jedoch keine verbindliche Empfehlung abgeben, da der tolerierbare Histamin-Gehalt bei jedem Menschen individuell ist. „Die Betroffenen müssen auf Basis ihrer Erfahrungen einschätzen, was sie vertragen und was nicht. Und zudem berücksichtigen, was sie sonst noch zu sich genommen haben“, sagt Pfefferle.

Weitere Anwendungspotenziale

In höheren Dosen führt Histamin bei allen Menschen zu Vergiftungserscheinungen, so kann es etwa eine Form der Fischvergiftung auslösen. Eine EU-Verordnung schreibt daher vor, dass Händler Fischereierzeugnisse mit einem zu hohen Histamin-Gehalt nicht verkaufen dürfen. Mit den bestehenden Technologien lässt sich eine Testung vor Ort kaum durchführen, der Schnelltest könnte dagegen noch an der Ladentheke Auskunft geben, ob der Fisch unbedenklich ist. Auch in der Weinherstellung könnte der Test zum Einsatz kommen. Weine mit einem hohen Histamin-Gehalt gelten als qualitativ minderwertig und könnten so schon während des Herstellungsprozesses aussortiert werden.

Der Schnelltest wurde am Naturwissenschaftlichen und Medizinischen Institut an der Universität Tübingen entwickelt. Die Idee wurde bei der „Innovationsakademie Biotechnologie“ im Jahr 2010 geboren. Zu diesem zweitägigen Kreativ-Event hat das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gründungsinteressierte Forscherinnen und Forscher, erfahrene Wirtschaftsexperten und kreative Köpfe eingeladen, um neue Produkt- und Geschäftsideen zu entwickeln. Der Weg von der Idee bis zum fertigen Produkt war beim Histamin-Schnelltest dann länger als anfangs gedacht. Ohne die rund 650.000 Euro Förderung des BMBF für die notwendigen Forschungs- und Entwicklungsarbeiten gäbe es heute keinen Prototypen. Nun soll die neue Firma ELEFA Bioscience den Histamin-Test zur Marktreife führen. Im Laufe des kommenden Jahres soll er im Handel erhältlich sein. Dann könnten Menschen mit Histamin-Intoleranz ihre Lebensmittel testen und bei entsprechendem Testergebnis dann auch bedenkenfrei essen.

Innovationsakademie Biotechnologie bringt Gründer an den Start

In zwei Tagen eine neue Geschäftsidee im Life-Science-Sektor zu entwickeln und ein passendes Team dafür zusammenzustellen – dieser herausfordernden Aufgabe stellen sich die Teilnehmer der „Innovationsakademie Biotechnologie“. Dieses Kreativ-Event des BMBF bringt gründungsinteressierte Forscherinnen und Forscher mit Wirtschaftsexperten und originellen Köpfen zusammen. Die Teams mit den besten Ideen können sich jeweils über 50.000 Euro freuen, um in einer neunmonatigen Sondierungsphase ihre Idee weiter auszuarbeiten und zu schärfen. Daran kann sich eine weitere Förderung des BMBF für notwendige Forschungs- und Entwicklungsarbeiten anschließen. Die Innovationsakademie fand seit 2010 mittlerweile sechs Mal mit jeweils 50 Teilnehmerinnen und Teilnehmern statt.

Weitere Informationen finden Sie unter
http://biooekonomie.de/innovationsakademie-biotechnologie.

Ansprechpartner:
Dr. Christoph-M. Pfefferle
Schubertstraße 4
72581 Dettingen/Erms
0176 47284608
info@dr-pfefferle.de