Tiefe Hirnstimulation bietet eine Chance für Parkinson-Patienten

Deutschland nimmt eine Vorreiterrolle bei der Erforschung der tiefen Hirnstimulation ein. Das Kompetenznetz Parkinson vergleicht weltweit erstmals in einer groß angelegten Studie die Lebensqualität von Patienten, die entweder mit der tiefen Hirnstimulation oder allein mit Medikamenten behandelt werden.

Die medikamentöse Behandlung der Parkinson-Krankheit führt bei vielen Patienten nach einigen Jahren zu Nebenwirkungen, die ihre Bewegungsfreiheit stark beeinträchtigen. Dabei erleben die Betroffenen teilweise einen sekundenschnellen Wechsel zwischen Phasen guter Beweglichkeit, überschießender und mitunter schmerzhafter Arm-, Bein- und Kopfbewegungen und Phasen des "Eingefrorenseins". Außerdem können Halluzinationen und Verwirrtheitszustände auftreten. "In den späten Stadien der Krankheit beginnt für den Arzt und die Patienten häufig eine Gratwanderung. Einerseits sind die Betroffenen auf die Medikamente angewiesen, andererseits können die Arzneimittel nicht mehr ausreichend dosiert werden, weil die Nebenwirkungen zu ausgeprägt sind", sagt Professor Günther Deuschl, Direktor der Kieler Neurologischen Universitätsklinik. In dieser Situation bietet die elektrische Stimulation tiefer Kerngebiete des Gehirns eine Chance für die Patienten. Die Behandlungserfolge sind in den meisten Fällen beeindruckend: Menschen, die nicht mehr in der Lage waren, selbständig zu gehen, erlangen eine normale Beweglichkeit zurück und nehmen wieder aktiv am Leben teil. arüber hinaus können die Medikamente durchschnittlich um die Hälfte reduziert werden. Doch trotz dieser Erfolge werden bislang nur sehr wenige Parkinson-Patienten mit dem Verfahren behandelt.

Kompetenznetz ermöglicht große Zahl an Studienpatienten
Bisher fehlten klinische Studien, die belegen, dass die tiefe Hirnstimulation in späten Krankheitsstadien der Medikamentenbehandlung überlegen ist. Denn um die beiden Therapiemethoden miteinander zu vergleichen, ist eine große Zahl von Patienten notwendig. Doch selbst spezialisierte Zentren führen die für eine tiefe Hirnstimulation notwendige Operation nicht häufiger als 50 mal pro Jahr durch. Bei diesem neurochirurgischen Verfahren wird eine Elektrode über ein Loch im Schädel in das Gehirn eingeführt und im Zielgebiet verankert. Ein Impulsgeber, der die Größe eines Herzschrittmachers hat, wird unter dem Schlüsselbein implantiert. Er gibt elektrische Reize an das Zielgebiet ab, die die Aktivität der Nervenzellen wenige Millimeter im Umkreis der Hirnelektrode blockieren. Dadurch kann die krankhaft veränderte Nervenzellaktivität, die den gestörten Bewegungsabläufen bei der Parkinson-Krankheit zugrunde liegt, gezielt ausgeschaltet werden. Das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderte Kompetenznetz Parkinson startete die weltweit erste Studie, die beide Therapieformen und ihren Nutzen für die Patienten miteinander vergleicht. Elf deutsche Universitätskliniken arbeiten in dem Netzwerk zusammen. Dadurch können genügend Patientendaten gesammelt werden, um in relativ kurzer Zeit an Ergebnisse zu kommen.

Effektiv und kosteneffizient
Die Studie untersucht sowohl die Symptome der Parkinson-Patienten, als auch die psychischen und sozialen Folgen der jeweiligen Behandlung. Die Wissenschaftler gehen besonders der Frage nach, ob die tiefe Hirnstimulation psychiatrische Störungen wie Depressionen oder Angstzustände hervorrufen kann. "Ein weiteres wichtiges Ziel ist es, herauszufinden, welche Patienten von der tiefen Hirnstimulation profitieren und bei welchen Patienten die Behandlung wegen eines besonderen Risikos abgelehnt werden sollte", so Deuschl. Darüber hinaus wird geprüft, inwieweit die Behandlung mit der tiefen Hirnstimulation hilft, mittelfristig Kosten einzusparen. Die Studie stößt auf großes internationales Interesse. Denn die Geldknappheit in den Gesundheitssystemen zwingt weltweit die Anbieter von Gesundheitsleistungen, sich auf diejenigen Behandlungsverfahren zu konzentrieren, die nicht nur effektiv, sondern auch kosteneffizient sind. Aufgrund der BMBF-Initiative Kompetenznetz Parkinson spielt Deutschland international eine Vorreiterrolle bei der Erforschung der tiefen Hirnstimulation. Kein anderes Land verfügt bisher über eine entsprechende Struktur.

Arbeiten Wissenschaftler zusammen, profitiert der Patient
Die gute Zusammenarbeit im Rahmen der Studie hat mittlerweile dazu geführt, dass sich alle beteiligten Kliniken zur Arbeitsgemeinschaft "Tiefe Hirnstimulation" zusammengeschlossen haben. Sie wird auch in Zukunft Fragestellungen zu diesem Therapieverfahren bearbeiten. So begann vor wenigen Wochen eine zweite Studie. Sie untersucht, inwieweit die tiefe Hirnstimulation auch bei der Behandlung von Patienten effektiv ist, die unter einer schweren Störung des Spannungszustandes von Muskeln und Gefäßen leiden (Dystonie). Zudem erforschen die Netzwerkpartner weitere Wirkungsmechanismen der tiefen Hinstimulation: An verschiedenen Tiermodellen studieren sie zum Beispiel Veränderungen der Hirnfunktion unter der Therapie. So hofft man, demnächst noch bessere Stimulationsorte für die Behandlung zu finden. Außerdem werden wichtige Erkenntnisse darüber gewonnen, wie die tiefe Hirnstimulation auf motorische Funktionen, das Denken und Fühlen der Parkinson-Kranken wirkt: Dafür wird der Stimulator für kurze Zeit ausgeschaltet und der Zustand der Patienten mit und ohne Stimulation verglichen. Der Zusammenschluss der Arbeitsgruppen im Rahmen des Kompetenznetzes Parkinson hat die deutsche Forschung auf dem Gebiet dieser wichtigen neuen Therapiemethode erfolgreich gebündelt. Und davon profitieren in erster Linie die Patienten.

Die Parkinson-Krankheit
Die Parkinson-Krankheit ist nach der Alzheimer-Krankheit die zweithäufigste degenerative Erkrankung des Gehirns. Was viele nicht wissen: Jeder zehnte Parkinson-Patient ist beim Auftreten der ersten Symptome jünger als vierzig Jahre. Die Parkinson-Krankheit wird dadurch verursacht, dass Nervenzellen in einer Hirnregion absterben, die sich Substantia nigra nennt. Die dort vorhandenen Zellen produzieren den Botenstoff Dopamin, der eine wichtige Rolle bei der Kontrolle von Bewegungen spielt. Fehlt er, kommt es in bestimmten Kerngebieten des Gehirns zu einer Überaktivität von Nervenzellen. Sie führt dazu, dass Hirnareale gehemmt werden, die an der Kontrolle von Bewegungen beteiligt sind. Die Folge sind typische Symptome der Parkinson-Krankheit wie Bewegungsverarmung, Verlangsamung der Bewegungsabläufe, Muskelsteifheit und Zittern.

Ansprechpartner:
Prof. Dr. med. Günther Deuschl
Klinik für Neurologie
Christian-Albrechts-Universität Kiel
Niemannsweg 147
24105 Kiel
Tel.: 0431/5 97-26 10
Fax: 0431/5 97-27 12
E-Mail: g.deuschl@neurologie.uni-kiel.de
Internet: http://www.kompetenznetz-parkinson.de/

BMBF-Förderung:
Kompetenznetz Parkinson
Laufzeit: 1999-2004
Fördersumme: 14 Mio. Euro
Das Kompetenznetz Parkinson hat acht Forschungsschwerpunkte:
Etablierung einer DNA-Bank, Basalganglienstimulation, Früh- und Differentialdiagnostik, bildgebende Diagnostik, Multizenterstudien zu Parkinson, Neu

Weitere Informationen:
Neurologische und psychiatrische Erkrankungen