November 2017

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Selbstheilung von Zebrafischherzen – Hinweise für neue Behandlungsansätze nach einem Herzinfarkt?

Forschende untersuchen, wie es Zebrafischen gelingt, Verletzungen ihres Herzens vollständig auszuheilen. Wenn sich ein solcher Mechanismus auch im menschlichen Herz aktivieren ließe, könnten Herzinsuffizienzen zukünftig wirkungsvoll vermieden werden.

Bei einem Infarkt sterben Zellen im Herzen ab. Das menschliche Herz trägt dadurch Narben davon, die seine Funktion beeinträchtigen und langfristig zu einer Herzinsuffizienz führen können. Professor Florian Leuschner von der Universitätsklinik Heidelberg und sein Team suchen nach neuen Ansatzpunkten, um die Herzregeneration nach einem Infarkt zu verbessern.

Schwimmende Zebrafische

Zebrafische können Form und Funktion ihrer Herzen nach einer Verletzung wieder vollständig herstellen.

kazakovmaksim/Thinkstock

Der Wissenschaftler leitet das Projekt „Systembiologische Analyse kardialer Regeneration“ (Deciphering Cardiac Regeneration, kurz DeCaRe), das als Juniorverbund in der Systembiologie durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert wird. Forschende der Universität Heidelberg, des Deutschen Krebsforschungszentrums und des Max-Planck-Institutes für Herz- und Lungenforschung studieren in diesem Projekt das Herz des Zebrafisches. „Der Fisch dient uns als Vorbild für die vollständige Heilung des Herzens nach einem Infarkt“, so Leuschner. „Denn im Gegensatz zum Menschen können Zebrafische Form und Funktion ihrer Herzen nach einer Verletzung vollständig wiederherstellen. Sie ersetzen das vernarbte Gewebe komplett durch neu gebildete Herzmuskelzellen.“

Volkskrankheit Herzinsuffizienz

Ein akuter Herzinfarkt kann heute wesentlich besser behandelt werden als noch vor einigen Jahrzehnten. Dank dieses Fortschritts sind auch die Überlebenschancen der Betroffenen deutlich gestiegen. Zugleich leiden dadurch aber auch immer mehr Menschen an Herzinsuffizienz, speziell als Folge eines Herzinfarktes. Rund 1,3 Millionen Deutsche sind davon betroffen. Herzinsuffizienz verursacht in Deutschland Kosten von über fünf Milliarden Euro pro Jahr und ist der häufigste Grund für Krankenhauseinweisungen.

Um herausfinden, wie die Fische ihre Herzen regenerieren, verletzen die Forscherinnen und Forscher die Zebrafischherzen gezielt mit einem Laserstrahl oder durch lokale Vereisungen. „Danach studieren wir die Mechanismen der vollständigen Regeneration. Als Modell für den menschlichen Infarkt – also für die unvollständige Regeneration – dienen uns Mausherzen. Durch den Vergleich der Heilungsprozesse bei Fischen und Nagern können wir jene Vorgänge identifizieren, die den Zebrafisch auszeichnen und die seine vollständige Herzregeneration ermöglichen“, erläutert Juniorprof. Dr. David Hassel die Forschungsstrategie von DeCaRe. Hassel leitete den Forschungsverbund bis November 2017.

Zellen des Immunsystems spielen eine Schlüsselrolle

Zebrafischherzen heilen nach einer Verletzung nahezu vollständig aus (obere Bildreihe). Werden die Makrophagen jedoch inaktiviert, vernarben die Herzen (untere Bildreihe). In der rechten Bildspalte leuchten die Herzmuskelzellen grün. Die Narbenbildung (punktierte Linie) tritt dadurch im Bild rechts unten besonders deutlich hervor.

Zebrafischherzen heilen nach einer Verletzung nahezu vollständig aus (obere Bildreihe). Werden die Makrophagen jedoch inaktiviert, vernarben die Herzen (untere Bildreihe). In der rechten Bildspalte leuchten die Herzmuskelzellen grün. Die Narbenbildung (punktierte Linie) tritt dadurch im Bild rechts unten besonders deutlich hervor.

Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg, Medizinische Klinik

Die Geweberegeneration ist ein sehr dynamischer Vorgang. Er basiert auf einem zeitlich und räumlich genau aufeinander abgestimmten Zusammenspiel vieler zellulärer Prozesse, an dem sich verschiedenste Zelltypen beteiligen. Signalmoleküle steuern dieses komplexe Zusammenspiel. Um es analysieren zu können, arbeiten im Projekt DeCaRe Forschende verschiedener Disziplinen – darunter Biologie, Medizin und Informatik – eng zusammen.

„Unsere umfassenden, systemmedizinischen Analysen zeigen, dass Entzündungsprozesse bei der vollständigen Heilung der Zebrafischherzen eine wichtige Rolle spielen. Makrophagen – die ‚Fresszellen‘ des Immunsystems – sind dabei von zentraler Bedeutung“, so Leuschner. Schaltet sein Team diese Zellen aus, können sich die Zebrafischherzen nicht mehr vollständig regenerieren. Die Makrophagen erzeugen Signale, die für eine vollständige Heilung des Gewebes entscheidend sind. Nie zuvor wurden solche für die Gewebereorganisation wichtigen Signale mit Makrophagen in Verbindung gebracht. Die zellulären Signale, die die Gewebereorganisation der Zebrafischherzen steuern, fehlen während der Heilungsprozesse in der Maus. „Aktuell untersuchen wir die Möglichkeit, diese Zebrafischsignale in der Maus ‚anzuschalten‘. Wenn wir dadurch deren Herzheilung verbessern können, würde das neue, vielversprechende Optionen für die Behandlung des menschlichen Herzinfarktes eröffnen“, erläutert Leuschner.

Nachwuchsförderung in der Systemmedizin

Das BMBF fördert den Forschungsverbund DeCaRe im Rahmen der e:Med-Initiative. Forschende analysieren dabei die durch Laborexperimente gewonnenen großen Datenmengen mit Computern. Die Ergebnisse der Computersimulationen fließen daraufhin wieder in die Folgeexperimente ein. Dieses Wechselspiel von Experiment und Simulation charakterisiert die Systemmedizin. Ihr Ziel ist es, komplexe Prozesse in ihrer Gesamtheit zu erfassen, Vorhersagen zu ermöglichen und dadurch neue Ansatzpunkte für innovative Therapie- und Präventionsverfahren zu schaffen.

Zu den Zielen von e:Med gehört es auch, junge, exzellente Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus der Medizin, Biologie, Informatik und Mathematik für die Systemmedizin zu gewinnen und miteinander zu vernetzen. Mit der Förderung von Juniorverbünden wie DeCaRe bietet das BMBF jüngeren Forschenden die Möglichkeit, hochinnovative Forschungsvorhaben in interdisziplinären Teams durchzuführen.

Weitere Informationen: www.sys-med.de

Ansprechpartner:
Prof. Dr. Florian Leuschner
Klinik für Kardiologie, Angiologie und Pneumologie
Innere Medizin III
Im Neuenheimer Feld 410
69120 Heidelberg
florian.leuschner@med.uni-heidelberg.de

Prof. Dr. David Hassel
Bayer Vital GmbH
Kaiser-Wilhelm-Allee 70
51373 Leverkusen
david.hassel@bayer.com