Einzelprojekt

2011 - Lernen und Gedächtnis in balancierten Systemen

Förderkennzeichen: 01GQ1201
Fördersumme: 1.494.822 EUR
Förderzeitraum: 2012 - 2020
Projektleitung: Dr. Henning Sprekeler
Adresse: Humboldt-Universität zu Berlin, Mathematisch-Naturwissenschaftliche Fakultät, Institut für Biologie
Invalidenstr. 43
10115 Berlin

Sinnesreize der Außenwelt können dauerhafte Spuren im Gehirn hinterlassen, weil sie die Verbindungen, also die Synapsen, zwischen bestimmten Nervenzellen verändern (synaptische Plastizität). Diese Änderungen sind bedeutsam, weil sie die Grundlage von Lern- und Gedächtnisvorgängen bilden. Gleichzeitig sind sie aber auch problematisch, weil sie die Stabilität der neuronalen Netzwerke im Gehirn gefährden. Für diese Stabilität ist unter anderem wichtig, dass die Nervenzellen ein Gleichgewicht von erregenden und hemmenden Strömen empfangen, die über Synapsen übertragen werden. Veränderungen an den Synapsen, etwa durch die Verarbeitung von Sinnesreizen und Lernvorgänge, würden dieses Gleichgewicht zerstören, wenn es nicht gleichzeitig einen Mechanismus gäbe, der das Gleichgewicht nach Störungen automatisch wiederherstellt. Das Forschungsvorhaben an der Humboldt Universität zu Berlin befasst sich mit diesem Phänomen. Ein Ziel dieses Projektes ist, das Wechselspiel von erregenden und hemmenden synaptischen Strömen zu untersuchen und herauszufinden, wie es sich auf die Entwicklung der Sinnessysteme auswirkt und welche Mechanismen es gibt, um die erregenden und hemmenden Ströme präzise auszubalancieren. Eine zentrale Annahme ist dabei, dass es eine relativ einfache Form von Plastizität bei hemmenden Synapsen gibt, die zu einem selbstorganisierten Gleichgewicht zwischen Erregung und Hemmung - also zu selbstbalancierten Netzwerken - führt. Das Gleichgewicht zwischen Erregung und Hemmung hat einen starken Einfluss auf die Aktivität der Nervenzellen und dadurch indirekt auch auf Lernvorgänge. Ein weiteres Ziel ist es daher herauszufinden, welche Rolle dieses Gleichgewicht bei Gedächtnisvorgängen spielt. Es wird untersucht, ob selbstbalancierte Netzwerke Eigenschaften besitzen, die sich als Arbeitsgedächtnis nutzen lassen. Außerdem wird erforscht, wie groß die Speicherkapazität von selbstbalancierten Netzwerken ist. In einem weiteren Teilprojekt geht man der Frage nach, unter welchen Bedingungen zuvor gespeicherte Gedächtnisinhalte stabil sind und unter welchen Bedingungen Gedächtnisinhalte durch Spontanaktivität überschrieben werden. Um die wissenschaftlichen Fragen beantworten zu können, sollen computergestützte Modelle entwickelt werden, die die Plastizität und Selbstorganisation von Nervenzell-Netzwerken nachbilden und dabei besonders die hemmenden Elemente berücksichtigen. Die theoretischen Arbeiten werden dabei durch Experimente ergänzt, die in Kooperation mit verschiedenen Arbeitsgruppen an der Humboldt-Universität und der Charité Universitätsmedizin durchgeführt werden.