Die Ministerin für Allgemeine und Berufliche Bildung, Wissenschaft, Forschung und Kultur von Schleswig-Holstein ist Strategiekreismitglied der Nationalen Dekade gegen Krebs. Karin Prien erklärt, wie Patientenbeteiligung praktisch gelebt werden kann.
Die Ministerin für Allgemeine und Berufliche Bildung, Wissenschaft, Forschung und Kultur von Schleswig-Holstein ist Strategiekreismitglied der Nationalen Dekade gegen Krebs. Karin Prien erklärt, wie Patientenbeteiligung praktisch gelebt werden kann.
Frau Prien, Sie sind Mitglied im Strategiekreis der Nationalen Dekade gegen Krebs (NDK). Was hat die Dekade bereits erreicht?
National schon einiges: Aufmerksamkeit, Förderprojekte im Bereich Krebsforschung, ressortübergreifendes Denken und Handeln, Patienteneinbindung. Für Schleswig-Holstein kann ich berichten, dass wir früh – bereits 2019 – im Wissenschaftsministerium einen Beratungskreis Onkologie mit breit aufgestellter Expertise eingerichtet haben. Wir haben Schwerpunkte wie Genomsequenzierung, Patienteneinbindung oder Ernährungsmedizin diskutiert. Nicht nur ich habe dadurch einen guten Einblick erhalten, sondern es haben sich auch neue Verbindungen ergeben. Und nun hoffen wir, im Jahr 2023 gemeinsam mit Hamburg ein Comprehensive Cancer Center im Norden der Republik bei der Deutschen Krebshilfe etablieren zu können, damit im ganzen Bundesgebiet exzellente Krebsforschung und -behandlung in akzeptabler Wohnortnähe zur Verfügung stehen.
Im Jahr 2022 fokussiert die Dekade gegen Krebs besonders auf die Beteiligung von Patientinnen und Patienten in der Krebsforschung. Welche Verbesserung kann dadurch aus Ihrer Sicht geschaffen werden?
Wir haben in Schleswig-Holstein als erster Standort am Universitätsklinikum UKSH in Kiel das vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) geförderte Projekt Shared Decision Making in allen Kliniken umgesetzt. Patientinnen und Patienten werden aktiv in die Therapieentscheidung eingebunden. Wissenschaftlich ist belegt: Diese frühe Einbindung führt zu einer besseren Therapietreue und somit auch zu besseren Ergebnissen.
Neben dieser Einbindung ist die frühe Beteiligung von Krebspatientinnen und -patienten an der Konzeption und Durchführung von Forschungsprojekten und klinischen Studien essenziell. Die Patientenperspektive ist für beide Seiten wichtig! Ich bin sicher, dass über diese Zusammenarbeit auch die Forschenden und behandelnden Ärztinnen und Ärzte den Fokus und ihre Kommunikation verändern werden.
Sie bzw. das Ministerium für Allgemeine und Berufliche Bildung, Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Schleswig-Holstein gehören zu den Unterzeichnern der Allianz für Patientenbeteiligung. Wie wird diese Form von Mitbestimmung in Ihrem Bundesland umgesetzt?
Am UKSH wurde im Jahr 2020 das Universitäre Cancer Center Schleswig-Holstein (UCCSH) gegründet. Geplant ist auch eine sogenannte Cancer Academy für Fort- und Weiterbildung aller Gesundheitsfachberufe. 2022 wurde ein Patientenbeirat installiert. Um die Patientinnen und Patienten noch besser zur aktiven Beteiligung zu befähigen, hat das UCCSH gemeinsam mit dem Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) das Patientenkompetenzzentrum Nord gegründet. Am 26. August 2022 ist die erste Schulungsreihe gestartet. Es werden Patientinnen und Patienten in acht Modulen innerhalb von sechs Monaten geschult, sich in die verschiedenen Arbeitsfelder als Patientenbotschafter und -botschafterinnen einbringen zu können. Und auch für die Öffentlichkeitsarbeit der Nationalen Dekade gegen Krebs stellen sich Patientinnen und Patienten aus Schleswig-Holstein mit ihren kurzen Geschichten als Mutmachende zu Verfügung. Diese Art der öffentlichen Präsentation in oder nach einer persönlichen belastenden Situation ist nicht selbstverständlich, davor habe ich großen Respekt.
Bei COVID-19 ist es gelungen, die Bevölkerung für umfangreiche Präventionsmaßnahmen zu gewinnen. Was muss Ihres Erachtens nach passieren, um die Prävention von Krebserkrankungen zu verbessern?
Frühe Aufmerksamkeit – so sagt mir immer wieder die Schleswig-Holsteinische Krebsgesellschaft. Prävention gegen zu viel Sonne muss schon in Kindergarten und Schule einsetzen. Es darf nicht cool sein, Sonnencreme nicht zu nutzen.
Im Sozialausschuss unseres Landtages soll ein Unterausschuss Prävention eingerichtet werden. Ich bin sicher, dass dort auch die Expertise von Zahnmedizin, Allgemeinmedizin und Onkologie vertreten sein werden. Der Europäische Kodex zur Krebsbekämpfung ist kurz, knapp und präzise. Aber wer kennt ihn? In der Fülle von täglichen Informationen müssen wir Wege finden, damit zu den Menschen durchzudringen. Ohne den Zeigefinger zu heben – das ist keine einfache Aufgabe für Wissenschaft und Politik.
Welche Hürden sind dabei die höchsten und wie können sie überwunden werden?
Angst, Bequemlichkeit, Unwissenheit, Ungläubigkeit. Ich kann nur mutmaßen und daher keine perfekte Lösung anbieten. Aber wenn mehr als die Hälfte der Menschen im Laufe ihres Lebens an Krebs erkranken, müssen wir und sie darüber reden. Über einen Herzinfarkt wird geredet, über eine Krebserkrankung oft nur hinter vorgehaltener Hand.
Mediziner und Medizinerinnen aus den Fächern Zahnmedizin, Allgemeinmedizin, Pädiatrie oder Gynäkologie sind der „normale“ erste Kontakt für die Menschen. Sie haben somit die sich stetig wiederholende Aufgabe, auf die Möglichkeit und den Nutzen von Prävention aufmerksam zu machen. Auch in Kindergärten, Schulen und bei Betriebsärzten und -ärztinnen in den Unternehmen muss dieses Thema auf der Agenda stehen. Für diesen nötigen langen Atem brauchen wir die Nationale Dekade gegen Krebs.
Hier informieren Sie sich über die bisherigen Ergebnisse, Akteure und Initiativen in der Nationalen Dekade gegen Krebs.
Ansprechpartnerin:
Alexia Parsons
Bundesministerium für Bildung und Forschung
Kapelle-Ufer 1
10117 Berlin
E-Mail: alexia.parsons@bmbf.bund.de
www.dekade-gegen-krebs.de