Februar 2024

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5 Fragen an Professorin Dr. Rita Schmutzler

Rita Schmutzler, Direktorin des Zentrums Familiärer Brust- und Eierstockkrebs der Universitätsklinik Köln und Trägerin des Deutschen Preises für Krebspräventionsforschung 2023, zur genetischen Risikovorhersage und zur Bedeutung der Früherkennung.

Professorin Dr. Rita Schmutzler

Professorin Dr. Rita Schmutzler

Christian Wittke/Medizin Foto Köln 

Frau Professorin Schmutzler, wie hängen die beiden Erkrankungen Brust- und Eierstockkrebs zusammen und welche Rolle spielen die Gene bei deren Entstehung?

Beide Krebserkrankungen sind hormonabhängig. Das heißt, ohne Östrogene oder auch Gestagene gibt es praktisch keinen Brust- oder Eierstockkrebs. Und wir wissen inzwischen, dass die Krankheiten, wenn sie vererbt werden, mehrheitlich durch die gleichen Gene vererbt werden. Deshalb sehen wir in Familien auch gehäuft beide Krebserkrankungen gleichzeitig, manchmal sogar bei einer Person.

Was raten Sie Frauen mit einer genetischen Veranlagung für Brust- oder Eierstockkrebs?

Wenn wir eine genetische Veranlagung nachweisen können, dann wissen wir sehr genau, wie hoch die Risiken im Laufe des Lebens sind. Wir können sogar vorhersagen, welcher Tumor-Subtyp entstehen wird. Dementsprechend können wir zielgerichtete Vorsorgemaßnahmen ergreifen. Für den Brustkrebs steht die intensivierte Früherkennung im Vordergrund – bei Hochrisikopatientinnen sogar schon ab dem 25. Lebensjahr mit zusätzlichen Maßnahmen wie Kernspintomografie und Sonografie. Wir wissen, dass wir den Brustkrebs damit zwar nicht verhindern, aber deutlich früher erkennen können und die Heilungsaussichten dann sehr gut sind. Bei einer Hochrisikosituation haben Patientinnen auch die Möglichkeit der prophylaktischen Operation, also der beidseitigen Brustdrüsenentfernung. Hier überlegen wir mit den Ratsuchenden gemeinsam, welches der beste Weg ist, und unterstützen die Frauen bei ihrer Entscheidung.

Beim Eierstockkrebs gibt es noch keine effiziente Früherkennung. Deshalb steht hier die prophylaktische Eierstock- und Eileiterentfernung im Vordergrund. Wir brauchen dazu eine gute Risikovorhersage, die das rechtfertigt. Und wir versuchen, die Operation möglichst erst mit dem Beginn der Wechseljahre durchzuführen, sodass keine wesentlichen Nachteile im Vergleich zum natürlichen Lebensverlauf bestehen.

Was haben Sie durch Ihre Forschung herausgefunden und wie können Ihre Patientinnen davon profitieren?

Als wir Mitte der 1990er-Jahre mit unserer Forschung angefangen haben, waren gerade mal die Hochrisiko-Gene BRCA1 und BRCA2 entdeckt worden. Wir haben dann nach weiteren Risiko-Genen und deren Funktionsweisen gesucht. Außerdem untersuchen wir in der Klinik, wie die Tumoren sich verhalten. Daraus können wir schließen, wie wir die Entstehung von Tumoren entweder verhindern oder so früh wie möglich erkennen können. Neben den eigentlichen Risiko-Genen sind in den letzten Jahren Hunderte weiterer genetischer Risikovarianten entdeckt worden, die in der Bevölkerung weit verbreitet sind. Diese Erkenntnisse können das mittlere Erkrankungsrisiko für Brustkrebs von 12 auf 5 bis 25 Prozent modifizieren. Auf der Grundlage dieses Wissens können wir deshalb sehr individuelle Vorhersagen für alle Frauen anbieten. Wir müssen aber noch klären, wie die Frauen mit der Kenntnis individueller Risiken umgehen, und geeignete Kommunikationskonzepte erstellen. Dann können darauf basierend auch risikoadaptierte Früherkennungsmaßnahmen angeboten und in klinischen Studien bewertet werden.

Wie blicken Sie in die Zukunft – was erhoffen Sie sich für die Behandlung von Brust- und Eierstockkrebs?

Wir kennen bereits viele Risiko-Gene, und wir haben herausgefunden, wie diese Gene funktionieren, was wir tun können, um die Entstehung von Tumoren zu verhindern. Und es gibt erste Präparate, mit denen eine medikamentöse Prävention möglich wird. Im Rahmen einer internationalen Studie, die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF)unterstützt wird, erproben wir momentan, ob das Medikament Denusomab bei Patientinnen mit einer BRCA1-Genmutation Brustkrebs verhindern kann. Das Präparat ist schon gut erforscht. Man weiß, dass es in die Interaktion zwischen Hormonen und BRCA-Genen eingreift.

Außerdem sind bereits weitere neue Medikamente in der Pipeline, die durch die Entdeckung der BRCA-Gene entwickelt wurden. Sie wirken bei Tumoren, die einen Defekt bei BRCA- oder ähnlichen Genen haben. Auch diese Medikamente, deren Nebenwirkungen überschaubar sind, könnten in Zukunft für die Prävention von Brustkrebs genutzt werden.

Twitterhinweis (X) Nationale Dekade gegen Krebs

Welche Impulse nehmen Sie im Rahmen der Dekade wahr – und welche wollen Sie selbst setzen?

Die Möglichkeiten für eine Krebsfrüherkennung werden in Deutschland häufig nicht genutzt. Außerdem können durch eine gesunde Lebensweise rund 40 Prozent der Tumoren verhindert werden. Daher ist die Prävention eines der Schwerpunktthemen der Nationalen Dekade gegen Krebs. Die Forschung dazu soll vorangetrieben werden, mit klarem Fokus auf der Anwendung. Und ich sehe jetzt schon erste Fortschritte: Das Thema Prävention ist viel präsenter, als es in der Vergangenheit war, das ist eine gute Entwicklung. Außerdem haben die Partner der Nationalen Dekade gegen Krebs, das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) und die Deutsche Krebshilfe, den Bau des ersten Nationalen Krebspräventionszentrums in Heidelberg beschlossen. Dort sollen Forschung und Versorgung unter einem Dach betrieben werden. Der Fokus liegt auf der primären Prävention, also der Aufklärung der Bevölkerung. Dazu gehören Sport und eine gesunde Ernährung sowie der Verzicht auf Alkohol und Zigaretten. Wir wollen motivieren und aufklären, damit weniger Menschen an Krebs erkranken.

Vielen Dank für das Gespräch!

Ansprechpartnerin:
Alexia Parsons
Bundesministerium für Bildung und Forschung
Kapelle-Ufer 1
10117 Berlin
E-Mail: alexia.parsons@bmbf.bund.de
www.dekade-gegen-krebs.de