Aktiv bis ins hohe Alter - Positive Einstellung zum Älterwerden ist der Schlüssel zum Erfolg

Expertinnen und Experten sind sich einig: Regelmäßig körperlich aktiv zu sein ist wichtig, um bis ins hohe Alter gesund, selbstständig und zufrieden zu bleiben. Doch viele ältere Menschen sind nicht ausreichend körperlich aktiv, um diese positiven gesundheitlichen Effekte für sich nutzen zu können. Welche Möglichkeiten gibt es, ältere Menschen zu mehr Bewegung zu motivieren? Und welche Rolle spielt dabei die innere Einstellung? Zwei Studien – zwei Strategien. (Newsletter 67 / April 2014)

Bildquelle: Ruhr-Universität BochumVor und nach dem mehrwöchigen Trainingsprogramm – hat sich die Beweglichkeit verbessert?Bewegung ist gut – mehr Bewegung ist besser. Das gilt besonders im Alter. „Doch bevor wir Ideen entwickeln, wie wir die Aktivität älterer Menschen steigern können, mussten wir erst einmal wissen, wie aktiv die ältere Bevölkerung in Deutschland tatsächlich ist“, erklärt Dr. Timo Hinrichs von der Ruhr-Universität Bochum. Denn belastbare Zahlen hierüber gab es bislang nicht. Deshalb entwickelten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler um Hinrichs zunächst einen Fragebogen, der die körperliche Aktivität speziell für ältere Menschen ab 70 Jahren erfasst. „Bei dem Fragebogen ging es uns nicht nur darum zu erfahren, wie viel Sport ältere Menschen treiben. Wir wollten auch erfahren, wie viel Aktivität ältere Menschen in ihren Alltag einbauen. Also zum Beispiel wie lange sie im Haushalt oder Garten arbeiten und welche Wege sie zu Fuß erledigen“, beschreibt Hinrichs. Eine Datenbasis, die man braucht, um anschließend passgenaue Aktivitätsprogramme zu entwickeln und zu testen.

Hausarbeit oder Sport? Frauen und Männer haben andere Gewohnheiten

Mit dem Fragebogen wurden knapp 1.800 Frauen und Männer über 70 zu ihrer Aktivität befragt. Das Ergebnis: Frauen und Männer haben andere Gewohnheiten. Während Männer im Schnitt pro Woche eine Stunde und 45 Minuten sportlich aktiv sind, treiben Frauen durchschnittlich nur 70 Minuten Sport. Frauen bewegen sich dafür aber deutlich mehr im Haushalt. Sie machen wöchentlich etwa vier Stunden anstrengende Hausarbeit, wie beispielsweise Gartenarbeit oder Fensterputzen. Männer dagegen nur drei Stunden. Leichte Tätigkeiten im Haushalt, wie Aufräumen, Spülen oder Staubwischen, wurden gesondert erfasst. „Für uns war damit klar: In Sachen Bewegung im Alter gibt es tatsächlich noch viel Luft nach oben. Das soll heißen: Ältere Menschen bewegen sich in der Regel nicht genug! Um die körperliche Aktivität der älteren Bevölkerung gezielt zu fördern, brauchen wir sinnvolle und zielgruppengerechte Maßnahmen“, sagt der Studienleiter Hinrichs.

Erfolge blieben hinter den Erwartungen zurück

Bildquelle: Ruhr-Universität BochumMöglichst viel Bewegung in den Alltag zu integrieren ist eine Möglichkeit, im Alter aktiv zu bleiben.Gesagt, getan. Mit Fördermitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) hat Hinrichs gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen des PRISCUS-Forschungsverbundes eine Studie gestartet, um die körperliche Aktivität älterer Menschen zu steigern. Das Ganze funktionierte über eine neuartige Kooperation von Hausärzten und Sporttherapeuten. Mehr als 200 ältere chronisch kranke und in ihrer Mobilität eingeschränkte Frauen und Männer konnten für die Studie gewonnen werden. Über einen Zeitraum von zwölf Wochen wurden sie individuell in ein Aktivitätsprogramm eingeführt. In dieser Zeit übten sie an durchschnittlich drei Tagen in der Woche zu Hause. Das Aktivitätsprogramm bestand aus Kraft-, Gleichgewichts- und Beweglichkeitsübungen. An meist zwei Tagen in der Woche gingen die Studienteilnehmer zusätzlich spazieren. Das Ergebnis: Die Teilnehmenden, die bis zum Schluss durchhielten, verbesserten nicht nur ihre körperliche Funktionsfähigkeit. Auch ihr psychisches Wohlbefinden nahm zu. Zudem wurde das Programm sowohl von den Hausärzten und Sporttherapeuten als auch von den Patienten selbst sehr gut angenommen. Dennoch, die Erfolge blieben hinter den Erwartungen der Wissenschaftler zurück. „Wir hatten uns eindeutigere Ergebnisse erhofft. Vor einer Umsetzung des Programms in die Regelversorgung müssen wir deshalb über Verbesserungsmöglichkeiten nachdenken, um einen Erfolg des Aktivitätsprogramms sicherzustellen“, so die Projektmanagerin Dr. Anna Moschny aus Bochum.

Körper und Psyche im Mittelpunkt

Auch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des vom BMBF geförderten Forschungsverbundes AMA haben ein Programm entwickelt, um die körperliche Aktivität älterer Menschen – speziell älterer Menschen mit mehreren chronischen Krankheiten – zu steigern. AMA ist die Abkürzung für Autonomie trotz Multimorbidität im Alter. „In unserem Programm steht neben dem Körper auch die Psyche der älteren Menschen im Mittelpunkt. Denn die innere Einstellung ist ein wesentlicher Faktor für den Erfolg gesundheitsfördernder Maßnahmen“, beschreibt Professorin Dr. Susanne Wurm von der Universität Erlangen-Nürnberg. Ihr Forschungsschwerpunkt liegt auf der psychologischen Alternsforschung, der Psychogerontologie. Sie leitet im AMA-Verbund das Forschungsprojekt PREFER (Personale Ressourcen von älteren Menschen mit Mehrfacherkrankungen: Stärkung effektiven Gesundheitsverhaltens). „Ziel unseres Projektes ist, älteren Menschen eine positivere Sicht auf das Älterwerden und eine bessere Grundeinstellung gegenüber Veränderungen im Alter zu vermitteln. Wir sprechen von positiven Altersbildern. Dadurch fällt es den älteren Menschen leichter, ihr Verhalten – auch in Sachen Bewegung – zu verändern“, erklärt Wurm.

Vorsicht vor stereotypen Vorstellungen vom Älterwerden

Bildquelle: PT DLR/BMBFDer Schlüssel zum Erfolg: Eine positive Einstellung zum Älterwerden.In der PREFER-Studie wurden mehr als 300 Frauen und Männer ab 64 Jahren ins Deutsche Zentrum für Altersfragen nach Berlin eingeladen. In kleinen Gruppen konnten sie dann ihr eigenes Wissen über das Älterwerden mit dem heutigen Stand aus Wissenschaft und Forschung vergleichen. „Teilweise mussten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit Überraschung feststellen, dass sie sehr stereotype Vorstellungen vom Älterwerden haben“, so Wurm. Deshalb stellten Wurm und ihr Team den Studienteilnehmerinnen und -teilnehmern sowohl Strategien vor, wie man die eigenen eingeschliffenen Vorstellungen vom Älterwerden verändern kann, als auch verschiedene Strategien, um körperlich aktiver zu werden. „Dabei haben wir uns nicht auf eine Sport- oder Bewegungsart festgelegt. Denn gerade ältere Menschen mit Mehrfacherkrankungen können und wollen oft sehr unterschiedliche Bewegungsformen ausüben“, weiß die Wissenschaftlerin. Ihr ging es darum, dass sich nach den Gruppensitzungen jede Person diejenige Bewegungsform für ihren Alltag aussucht, die den eigenen Bedürfnissen am besten entspricht. Im Verlauf der Studie zeigte sich, dass es tatsächlich sinnvoll ist, Altersbilder in einem Aktivitätsprogramm zu berücksichtigen: Durch die Gruppensitzungen entwickelten die Studienteilnehmerinnen und –teilnehmer nicht nur positivere Altersbilder. Diese trugen auch noch sieben Monate später zu höherer körperlicher Aktivität bei – ein Ergebnis, dass in Kürze in einer internationalen Fachzeitschrift nachzulesen ist (Wolff, Warner, Ziegelmann & Wurm, im Druck).

Fazit der zwei Studien: Die körperliche Aktivität älterer Menschen zu steigern ist eindeutig wichtig. Die individuell richtige Methode hierfür zu finden aber gar nicht so einfach. Hierfür ist auch zukünftig Forschung nötig.

Ansprechpartner/-innen:

Dr. Timo Hinrichs und Dr. Anna Moschny
Abteilung für Medizinische Informatik,
Biometrie und Epidemiologie
Ruhr-Universität Bochum
Springorumallee 5
44801 Bochum
Tel.: 0234 32-27918
Fax: 0234 32-14325
E-Mail: anna.moschny@rub.de

Prof. Dr. Susanne Wurm
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg
Institut für Psychogerontologie
Kobergerstraße 62
90408 Nürnberg
und
Deutsches Zentrum für Altersfragen
Manfred-von-Richthofen-Straße 2
12101 Berlin
Tel.: 0911 5302-96100
Fax: 0911 5302-96101
E-Mail: susanne.wurm@fau.de