Alzheimer: Welches Medikament wirkt? - Neues Testsystem hilft, Wirkstoffe gegen das fortschreitende Vergessen zu finden

Weltweit leiden mehr als 26 Millionen Menschen an Alzheimer. Bislang gibt es für diese neurodegenerative Erkrankung, bei der langsam fortschreitend Nervenzellen im Gehirn absterben, keine Heilung. Neue Therapien sind deshalb dringend notwendig, scheitern jedoch nicht selten bei ihrer klinischen Erprobung. Denn bislang kann die Wirksamkeit neuer Medikamente nur unzureichend vorhergesagt werden. Das soll sich nun mit Hilfe eines neuen Hochdurchsatz-Screenings zur Testung innovativer Wirkstoffe gegen Alzheimer ändern.

In Deutschland leben etwa 1,2 Millionen Demenzkranke, zwei Drittel von ihnen leiden unter Alzheimer. „Gelingt uns kein Durchbruch in der Prävention und Therapie von Demenzen, wird sich die Zahl der Krankheitsfälle in Deutschland wegen der veränderten Altersstrukturen bis zum Jahr 2030 schätzungsweise verdoppeln“, betont Dr. Till Mack vom Deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) in Magdeburg. „Deshalb sind neue therapeutische Ansätze dringend notwendig.“ Doch die Entwicklung neuer Wirkstoffe ist langwierig – von der Entwicklung eines neuen Wirkstoffes bis hin zum fertigen Medikament vergehen in der Regel zehn bis zwölf Jahre – und nicht immer von Erfolg gekrönt. Ein Grund: Viele Wirkstoffe, die in präklinischen Studien hohe Erwartungen geweckt haben, erweisen sich in klinischen Studien mit Patienten anschließend als unwirksam. Die präklinischen Verfahren, die bislang eingesetzt werden, um die Wirksamkeit und Unbedenklichkeit von neuen Wirkstoffen im Labor vorherzusagen, sind häufig unzureichend. „Hier sind deshalb neue Methoden der Medikamentenentwicklung gefragt, die helfen, sowohl die Vorhersagekraft der präklinischen Studien zu verbessern als auch die Rate der Wirkstoffe zu verringern, die später in klinischen Studien scheitern“, erklärt Dr. Mack.

Labor im Taschenformat testet 384 Wirkstoffe gleichzeitig

Diese neuen Methoden zur Testung von Wirkstoffen sollten zwei Vorteile gegenüber den bisherigen Verfahren mitbringen: Sie sollten die Pathologie der Alzheimer-Erkrankung möglichst genau widerspiegeln und eine hohe Anzahl von Wirkstoffen in kurzer Zeit testen können. Dr. Mack und seine Kolleginnen und Kollegen von der Universität Leipzig (Prof. Dr. Andrea Robitzki), der Technischen Universität Ilmenau (PD Dr. Andreas Schober) und dem Fraunhofer Institut für Fabrikbetrieb und -automatisierung in Magdeburg (Dipl. Ing. Holger Althaus) haben nun eine neue Methode entwickelt, die beide Voraussetzungen erfüllt, das sogenannte impedanzbasierte Multi Array Screening, kurz IMAS. Mit diesem Verfahren können neue Wirkstoffe gegen Alzheimer in einem Hochdurchsatzverfahren zuverlässig getestet werden. „Unsere Methode misst – einfach ausgedrückt – elektrische Eigenschaften von lebenden Hirnzellen und wie sich diese durch verschiedene Wirkstoffe verändern. So können wir die klinische Wirksamkeit neuer Wirkstoffe besser vorhersagen“, beschreibt Dr. Mack. Die Messung läuft in einer selbst entwickelten 96-Mikrotiterplatte, deren transparenter Boden mit 96 miniaturisierten Elektroden ausgestattet ist und in deren isolierten Näpfchen jeweils 96 Gewebeproben oder dreidimensional wachsende Zellkulturen platziert werden können. „Vorher schleusen wir in die Hirnzellen allerdings alzheimerrelevante Gene per Gentransfer ein, so dass sie, im Gegensatz zu bisherigen Modellen, die sehr komplexe Pathologie der Alzheimerschen Erkrankung innerhalb der Beobachtungszeit realistisch nachstellen“, sagt Dr. Mack.
Auf diese Weise können durch die IMAS-Plattform momentan bis zu 96 verschiedene Wirkstoffe gleichzeitig auf ihre Wirksamkeit hin untersucht werden. Auch Mikrotiterplatten mit 384 Elektroden sind bereits entwickelt und werden jetzt eingesetzt. „Wir können dann durch eine Computeranalyse in Echtzeit beobachten, ob ein neuer Wirkstoff tatsächlich schützende Effekte auf die Nervenzellen hat.“ Das IMAS-Projekt wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmen der Fördermaßnahme „Innovation in der Medikamentenentwicklung“ mit rund 1,5 Millionen Euro unterstützt.

Ansprechpartner:
Dr. Till Mack
Dept. Neurodegeneration & Therapeutic Strategies
Deutsches Zentrum für Neurodegenerative
Erkrankungen (DZNE)
ZENIT-Technology Park
Leipziger Straße 44
39120 Magdeburg
Tel.: 0391 6117–242
Fax: 0391 6263–118
E-Mail: till.mack@dzne.de