Nach der Entlassung aus der stationären Rehabilitation werden viele Schlaganfallpatienten von ihren Angehörigen gepflegt. Eine aktuelle Studie der Technischen Universität Berlin zeigt, dass diese Helfer zuerst einen patientenorientierten Informationsbedarf haben. Erst später profitieren sie von Angehörigengruppen.
Die meisten Schlaganfallpatienten werden zu Hause versorgt und benötigen die Hilfe anderer. Häufig übernehmen Partner oder Familienangehörige die Betreuung der Kranken. Nach den vorläufigen Ergebnissen einer Untersuchung von Professor Gabriele Wilz vom Institut für Psychologie und Arbeitswissenschaft der Technischen Universität Berlin sind die meisten Familienmitglieder nach der Heimkehr der Patienten zunächst vollauf damit beschäftigt, die Anforderungen des neuen Alltags zu bewältigen. Dies verursacht Stress, das heißt körperliche und seelische Belastungen, die bei Angehörigen ihrerseits wieder Krankheiten und Depressionen auslösen können. Dem kann durch gezielte Betreuungsangebote entgegengesteuert werden - doch muss das Angebot zum richtigen Zeitpunkt kommen.
Beratungsangebote, in denen es um ihre eigenen Probleme geht, wie zum Beispiel Angehörigengruppen, empfinden Angehörige in der Phase nach Entlassung aus der stationären Behandlung oft nur als zusätzliche Belastung. Erst wenn sich zu Hause eine gewisse Routine eingestellt hat, profitieren viele vom regelmäßigen Besuch einer Angehörigengruppe. So lautet ein weiteres Resultat der Studie, die im Rahmen eines gemeinsam vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und dem Verband Deutscher Rentenversicherungen finanzierten Schwerpunkts gefördert wurde.
Das richtige Angebot zur richtigen Zeit
Nach Angaben der Deutschen Gesellschaft für Neurologie erleiden in der Bundesrepublik jährlich rund 150.000 Menschen einen Schlaganfall. Etwa 1,5 Millionen Menschen leben mit den daraus resultierenden Einschränkungen. Fast die Hälfte der Personen, die einen Schlaganfallpatienten dauerhaft betreut, fühlt sich dadurch belastet. Zahlreiche Studien weisen nach, dass Angehörige, die Patienten zu Hause pflegen, unzufriedener, manchmal auch depressiver oder ängstlicher als andere Menschen sind. Um den Pflegenden zu helfen, entwickelte Wilz auf Grundlage vorausgegangener Studien ein Beratungs- und Gruppenkonzept und bewertete es anhand standardisierter Beurteilungsbögen sowie persönlicher Interviews. „Zunächst ist eine eher patientenzentrierte Unterstützung erforderlich, die umfassend über alle Aspekte der Erkrankung, Pflege und die Inanspruchnahme sozialer Leistungen informiert“, empfiehlt Wilz. Im nächsten Schritt sollten dann Strategien vermittelt werden, die es den Angehörigen ermöglichen, den eigenen Stress zu bewältigen und angemessen mit den krankheitsbedingten Veränderungen des Patienten umzugehen. Dabei sollte jedoch darauf geachtet werden, welche Unterstützung der Einzelne wirklich benötigt.
Entlastender Erfahrungsaustausch
Der Erfahrungsaustausch mit anderen Menschen, die auch einen Schlaganfallpatienten pflegen, wirkt entlastend. Hinzu kommt, dass sich die Teilnehmer mit dem Besuch einer Angehörigengruppe ein Stück persönlichen Freiraum zurückerobern. Doch nicht alle nutzen solche Hilfsangebote. Je nach Alter und Geschlecht lehnen pflegende Angehörige Gruppenangebote aus unterschiedlichen Gründen ab. Gerade ältere Frauen haben beispielsweise Probleme, die eigene Belastung zu erkennen und mitzuteilen. Die Sorge um den Partner, gepaart mit Schuldgefühlen, lässt bei ihnen nur wenig Raum, die eigene Überanstrengung zu spüren. In den beteiligten Kliniken der Städte Leipzig und Halle haben sich seit 2003 insgesamt drei solcher Angehörigengruppen gegründet, in denen die Partner von Schlaganfallpatienten regelmäßig ihre Erfahrungen austauschen.
Ansprechpartnerin:
Prof. Dr. Gabriele Wilz
Technische Universität Berlin
Institut für Psychologie und Arbeitswissenschaft
Fachgebiet Klinische Psychologie, Gesundheits-
psychologie, Entwicklungspsychologie
Franklinstraße 28/29
10587 Berlin
Tel.: 030 314-25186
Fax: 030 314-25274
E-Mail: gabriele.wilz@gp.tu-berlin.de