Bypass-Operationen bei verstopften Herzkranzarterien sind Routine. Meistens konstruieren Chirurgen die Umleitung für das Blut aus Adern der Patienten. Manchmal stehen aber keine geeigneten Blutgefäße zur Verfügung. Einen Ausweg könnten neue Gefäß-Hybride aus Berlin bieten. Dort entwickeln Forscher künstliche Blutgefäße mit natürlicher Innenauskleidung.
Wissenschaftler der Berliner Charité versehen die Innenseite künstlicher Blutgefäße mit einer Schicht so genannter Endothelzellen, die auch natürliche Blutgefäße auskleiden. Neuester Erfolg: Die Forscher um Dr. Martina Seifert haben körperfremde Endothelzellen so verändert, dass das Immunsystem sie nicht mehr erkennt. Dadurch soll eine Abwehrreaktion verhindert werden, wenn man die künstlichen Gefäße in den Körper kranker Menschen überträgt. Ärzte benötigen die Gefäßkonstruktionen in erster Linie als „Umleitung” für das Blut bei Verengungen der Herzkranzgefäße. Zwar lassen sich diese Engpässe auch mit Gefäßen der Patienten selbst umgehen, zum Beispiel durch verpflanzte Beinvenen. Oft finden sich aber keine geeigneten Adern für diese so genannte Bypass-Operation. Dann sind künstliche Gefäße gefragt. Die „Tapete“ aus Endothelzellen soll auch in Gefäßprothesen mit extrem kleinen Innendurchmesser einen reibungslosen Blutfluss gewährleisten.
Zellen aus der Nabelschnur
In der Vergangenheit waren künstliche Blutgefäße bereits mit eigenen Endothelzellen der Patienten versehen worden. Dieser Prozess kostet jedoch viel Geld und dauert im akuten Erkrankungsfall viel zu lange. Seifert und ihre Kollegen suchten deshalb mit Unterstützung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) nach einer alternativen Zellquelle zur Auskleidung der Gefäßprothesen. Zurzeit arbeiten die Forscher unter anderem mit Endothelzellen aus den Venen der Nabelschnur Neugeborener. Sie kultivieren die Zellen im Labor und lassen sie die Innenwand kleiner künstlicher Gefäße bewachsen. „Wenn man diese Gefäße auf Patienten übertragen würde, hätte man allerdings ein Problem“, so Projektleiterin Seifert. „Das Immunsystem des Patienten würde die Zellen nämlich angreifen und zerstören.“ Eine entscheidende Rolle spielt dabei der so genannte major histocompatibility complex I (MHC I). Dieses Protein befindet sich auf der Oberfläche der Endothelzellen. Das Immunsystem erkennt die Zellen dadurch als fremd – und Fremde werden attackiert.
Mit Viren Antikörper eingeschleust
Die Wissenschaftler versuchten deshalb, MHC I auszuschalten. Ohne MHC I, so die Überlegung, würde das Immunsystem die Gefäßauskleidung nicht angreifen. Also schleusten die Forscher fremde DNA in die Endothelzellen ein. Diese DNA trägt die Information für einen Antikörper gegen MHC I. Folge der genetischen Veränderung: Die Zellen produzieren den Antikörper, und dieser fängt das MHC I im Inneren der Zelle ab. Wenn das typische Erkennungsmerkmal an der Zelloberfläche fehlt, schöpft das Immunsystem keinen Verdacht mehr und bleibt ruhig. In ersten Laborversuchen waren die von MHC I befreiten Zellen gegenüber künstlich provozierten Immunattacken besser geschützt als unveränderte Endothelzellen. Seifert ist optimistisch, dass sich die veränderten Endothelzellen künftig als allzeit verfügbare, universelle Zellquelle für eine neue Generation von Gefäßprothesen nutzen lassen. Kliniken könnten diese Hybrid-Gefäße ständig vorrätig haben und so herzkranken Patienten auch im Akutfall rasch helfen.
Ansprechpartnerin:
Dr. Martina Seifert
Institut für Medizinische Immunologie Charité
Universitätsmedizin Berlin
Schumannstraße 20/21
10117 Berlin
Tel.: 030/450-524198
Fax: 030/450-5249 07
E-Mail: martina.seifert@charite.de