31.01.2024

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Brustkrebs: Verbesserter Rückfallschutz durch personalisierte Therapie

Der Wirkstoff Tamoxifen trägt dazu bei, Brustkrebs-Patientinnen vor Rückfällen zu schützen. Doch aufgrund genetischer Unterschiede wirkt er nicht bei allen Frauen. Eine neue Kombinationstherapie kann dem Stoffwechsel auf die Sprünge helfen.

Eine Frau steht vor einem Computerbildschirm, auf dem Daten abgebildet sind, rechts neben ihr steht ein Bildschirm mit einer Aufnahme einer weiblichen Brust

Ziel einer Behandlung mit dem „Antihormon“ Tamoxifen ist es, bei Patientinnen mit hormonabhängigem Brustkrebs Rückfälle zu vermeiden. 

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Personalisierte Therapie: Ergänzen, was von Natur aus fehlt

Viele Brustkrebspatientinnen nehmen bis zu zehn Jahre nach Erstdiagnose das Medikament Tamoxifen ein, um das Risiko eines Rückfalls zu verringern. Der Hintergrund: Viele Brusttumoren benötigen das körpereigene Hormon Östrogen, um wachsen zu können. Wird den Krebszellen das Östrogen entzogen, wird das Wachstum gestoppt. Hierfür wird der seit über 40 Jahren bewährte Wirkstoff Tamoxifen eingesetzt. Seine aktive Form Endoxifen verhindert, dass Östrogen in der Tumorzelle an seinen Rezeptor binden und den Tumor zum Wachsen anregen kann. Doch nicht bei jeder Patientin ist diese Therapie erfolgreich – und der Krebs kehrt zurück.

Ein Grund dafür ist, dass es manchen Frauen am Enzym CYP2D6 mangelt. Der Körper benötigt diesen Biokatalysator, um Tamoxifen in seine zellbiologisch aktive Form Endoxifen zu verwandeln. „Aufgrund einer natürlichen genetischen Veränderung verfügen bis zu zehn Prozent der europäischen Bevölkerung über kein funktionsfähiges CYP2D6 und circa weitere 30 Prozent nur über eine geringe CYP2D6-Aktivität“, sagt Projektleiter Professor Dr. Matthias Schwab, Direktor des Dr. Margarete Fischer-Bosch Instituts für Klinische Pharmakologie in Stuttgart. Er und sein Team haben nun mit Förderung durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) in einer klinischen Arzneimittelstudie nachgewiesen, dass diesen Patientinnen durch eine zusätzliche, niedrig-dosierte Endoxifengabe geholfen werden kann.

„Wir haben 235 Patientinnen untersucht und konnten zeigen, dass deutlich mehr der mit einer Kombinationstherapie aus Tamoxifen und Endoxifen behandelten Patientinnen therapeutisch ausreichende Mengen an Endoxifen im Blutplasma hatten als Patientinnen einer Kontrollgruppe, die nur die Tamoxifen-Standardtherapie erhielten“, fasst der Stellvertretende Institutsleiter Dr. Thomas Mürdter zusammen.

Sicherstellen, dass ausreichend Wirkstoff vorhanden ist

Um die Patientinnen zu identifizieren, die einen eingeschränkten Tamoxifen-Stoffwechsel aufweisen, wurden sowohl ihr genetisches Profil als auch die Höhe des Medikamentenspiegels im Blut bestimmt. Ihre Behandlung wurde entsprechend um die aktive Form von Tamoxifen – das Endoxifen – erweitert. Die dafür benötigte Dosierung wurde mithilfe komplexer Computermodellen errechnet und basiert auf den individuellen Testergebnissen der Patientinnen. „Wir konnten die Therapie an den persönlichen Merkmalen jeder einzelnen Patientin ausrichten und sicherstellen, dass ausreichend Wirkstoff vorhanden ist, um den Östrogenrezeptor zu blockieren“, erklärt Mürdter. „Dabei war unerheblich, ob der Bedarf anhand des genetischen Profils oder anhand des Endoxifenspiegels im Blut bestimmt wurde.“

Gemäß Studiendesign erhielten Patientinnen nur die fehlende Menge an Endoxifen, um im Blut Konzentrationen zu erreichen, wie sie bei normaler Enzymfunktion unter einer Standardtherapie auftreten würden. Somit bestand für die Patientinnen kein zusätzliches Risiko für Nebenwirkungen, was durch die klinische Studie bestätigt wurde. Die kurze Dauer der Studienteilnahme von nur sechs Wochen stellte auch sicher, dass Patientinnen der Kontrollgruppe, die nur Tamoxifen bekamen, keine Nachteile aufgrund der Studienteilnahme hatten.

Doch warum wurden die Patientinnen nicht gleich mit dem wirksamen, zellbiologisch aktiven Endoxifen behandelt? „Eine Neuzulassung von Endoxifen ist aus arzneimittelrechtlichen Gründen aufwändig, langwierig und teuer. Deshalb treiben wir die Entwicklung und Zulassung eines kombinierten Tamoxifen-Endoxifen Präparates voran, mit dem wir die Patientinnen schneller erreichen können“, so Mürdter. Zurzeit stehen die Forschenden mit einem mittelständischen Pharmaunternehmen zur Weiterführung der Entwicklung bis zur Zulassung der neuen Kombinationstherapie in Verhandlungen.

Mit der Maßnahme „Innovationen für die individualisierte Medizin“ unterstützt das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) Forschungsverbünde, die die Einführung neuer diagnostischer und therapeutischer Verfahren und Produkte zum Ziel haben. Sie sollen anhand von körpereigenen Faktoren auf die jeweilige Patientin oder den jeweiligen Patienten individuell zugeschnitten werden, damit sie bestmöglich wirken können.