Bei der COPD sind die Atemwege chronisch entzündet, und das Lungengewebe wird abgebaut. Nun haben Forschende des Deutschen Zentrums für Lungenforschung den Entzündungsprozess weiter entschlüsselt und Ansatzpunkte für eine Therapie gefunden.
Zigarettenrauch und stark mit Schadstoffen belastete Luft – das sind die mit Abstand größten Risikofaktoren für die chronisch obstruktive Lungenerkrankung, kurz COPD. Bei der COPD kommt es zu einer dauerhaften Entzündung in den Atemwegen und im Lungengewebe. Die Betroffenen leiden unter chronischem Husten, Auswurf und Atemnot. Denn langfristig werden sowohl Atemwege als auch Lungengewebe zerstört. Die Lunge verliert dadurch ihren Aufbau, und das Atmen wird massiv erschwert. Schätzungen der WHO zufolge ist die COPD die dritthäufigste Todesursache weltweit. Da bislang die Krankheitsprozesse noch weitgehend ungeklärt sind, können Therapien lediglich das Fortschreiten der Krankheit verlangsamen. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern des Deutschen Zentrums für Lungenforschung (DZL) ist es nun gelungen, einen bisher unbekannten Krankheitsmechanismus der COPD zu entschlüsseln und diesen im Labor mit einem Medikament zu unterbinden.
Das Team um Dr. Ali Önder Yildirim vom Helmholtz Zentrum München hat den Entzündungsprozess in der Lunge von COPD-Patienten genau in den Blick genommen. Konzentriert haben sie sich dabei auf tertiäre Lymphknoten in den Bronchien, genauer auf die sogenannten induzierbaren bronchienassoziierten Lymphknoten, kurz iBALT. Diese bilden sich in der Lunge während einer Infektion, einer Autoimmunerkrankung oder einer chronischen Entzündung wie der COPD. „Mittlerweile geht man davon aus, dass die Entstehung von iBALT eine ganz zentrale Rolle bei einer Verschlechterung der COPD spielt. Wie und wo iBALT jedoch in der Lunge entstehen, war bislang unklar“, sagt Yildirim.
Das Lymphsystem mit den Lymphgefäßen als Leitungsbahnen ist neben dem Blutkreislauf das wichtigste Transportsystem im menschlichen Körper. Es ist auf den Transport von Nähr- und Abfallstoffen spezialisiert und entsorgt in den Lymphknoten auch Krankheitserreger wie Bakterien. Tertiäre Lymphknoten bilden sich später in den verschiedenen Organen in der Nähe von Entzündungen, vereinfacht gesagt als improvisierte Lymphknoten. Eine Form der tertiären Lymphknoten sind induzierbare bronchienassoziierte Lymphknoten, kurz iBALT. Diese bilden sich in der Lunge während einer Infektion, einer Autoimmunerkrankung oder einer chronischen Entzündung wie der COPD.
Oxysterol-Stoffwechsel: Schlüssel zur COPD-Entstehung?
Zunächst suchten die Lungenspezialisten nach bekannten Abläufen in anderen Lymphgeweben. Dabei wurden sie auf den Oxysterol-Stoffwechsel aufmerksam. Oxysterole sind Abkömmlinge des Cholesterins und spielen in vielen unterschiedlichen biologischen Prozessen eine Rolle, unter anderem bei der Wanderung von Immunzellen in das Lymphgewebe. „Wir wollten nun herausfinden, ob das auch im Umfeld der Lunge der Fall ist und speziell bei einer durch Zigarettenrauch bedingten COPD“, erklärt Yildirim. Tatsächlich fanden die Forscher sowohl im Tiermodell als auch in der Lunge von COPD-Patientinnen und -Patienten erhöhte Mengen der Enzyme, die für den Oxysterol-Stoffwechsel verantwortlich sind – begleitet von ins Lungengewebe einwandernden Immunzellen. Das Einwandern von Immunzellen ist eine natürliche Reaktion des menschlichen Körpers auf eine Entzündung. Im Lungengewebe können die Immunzellen jedoch gewebetoxische Substanzen freisetzen, wodurch das Lungengewebe zerstört wird. Weitere Versuche ergaben, dass die Bildung von iBALT gehemmt ist, wenn die Oxysterol-Stoffwechselenzyme nicht vorhanden sind. In diesem Falle wurde auch das Einwandern von Immunzellen verhindert, und die Lunge der Versuchstiere nahm trotz Zigarettenrauch keinen Schaden.
Die Forschenden versuchten anschließend, diesen Effekt mit einem Medikament nachzustellen: Hierfür blockierten sie den Oxysterol-Stoffwechsel mit einem Hemmstoff genannt Clotrimazol, einem zugelassenen Antimykotikum, also einem Medikament gegen Pilzinfektionen. Tatsächlich konnte der Wirkstoff in Mäusen das Einwandern von Immunzellen nach Zigarettenrauchreizung und damit auch die iBALT-Bildung verhindern. „Künftig wird es unser Ziel sein, diese Ergebnisse aus dem Tiermodell auf den Menschen zu übertragen, um möglicherweise frühzeitig in die Entstehung der COPD eingreifen zu können“, hofft Yildirim.
Deutsches Zentrum für Lungenforschung
Das im Jahr 2011 gegründete Deutsche Zentrum für Lungenforschung (DZL) ist eines der sechs Deutschen Zentren der Gesundheitsforschung, die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und den Ländern gefördert werden. Im DZL arbeiten exzellente Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler und deren Teams aus universitären und außeruniversitären Institutionen an fünf Standorten auf dem Gebiet der Lungenforschung zusammen. Gemeinsam haben sie das Ziel, neue Ansätze für die Prävention, Diagnose und Therapie von Lungenerkrankungen zu entwickeln. Acht Krankheitsbereiche stehen im Fokus: Asthma und Allergien, chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD), Mukoviszidose, Lungenentzündung und akutes Lungenversagen, diffus parenchymatöse Lungenerkrankungen, Lungenhochdruck und Lungenerkrankungen im Endstadium.
Mehr Informationen: www.dzl.de und www.cpc-munich.de
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