24.02.2025

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CTLA4-Insuffizienz: Rheumamittel kann bei seltener Erkrankung helfen

Gute Nachricht für Menschen mit der seltenen Autoimmunerkrankung CTLA4-Insuffizienz: Das Rheumamedikament Abatacept kann eine überschießende Immunreaktion in vielen Fällen hemmen. Dies belegt eine Studie des vom BMBF geförderten GAIN-Konsortiums.

Arzt und Patientin im Gespräch

Der von Professor Dr. Bodo Grimbacher geleitete Forschungsverbund GAIN untersucht Seltene Autoimmunerkrankungen – ihre grundlegenden Mechanismen aufzudecken, kann helfen auch häufigere Erkrankungen besser zu verstehen.

Universitätsklinikum Freiburg / Britt Schilling

Schon die richtige Diagnose zu stellen, dauert bei Seltenen Erkrankungen oft Jahre – und in vielen Fällen gibt es auch dann kein Medikament, dass Betroffenen helfen kann. Anders ist dies bei der CTLA4-Insuffizienz: Mit dem für die Rheumabehandlung zugelassenen Medikament Abatacept lässt sich diese Autoimmunerkrankung, die heftige Entzündungen in unterschiedlichen Organen auslösen kann, sicher behandeln. Dies gilt insbesondere für die oft damit einhergehenden Magen-Darm-Beschwerden. Dies ist das Ergebnis der ABACHAI-Studie, die mit Förderung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) am Universitätsklinikum Freiburg und an der Medizinischen Hochschule Hannover durchgeführt wurde.

CTLA4-Moleküle finden sich auf der Oberfläche bestimmter Immunzellen und haben eine hemmende Wirkung auf andere, entzündungsfördernde Zellen des Immunsystems. Sind sie defekt, funktioniert diese Hemmung nicht mehr und kann es zu einer Überreaktion des Immunsystems kommen. Eine solcher Defekt tritt bei weniger als einem von 250.000 Menschen auf, das Krankheitsbild individuell sehr unterschiedlich: Betroffene können unter Entzündungen der Lunge, des Darms, des zentralen Nervensystems, der Niere oder der Leber leiden und sind anfälliger für Atemwegsinfektionen.

Abatacept: Sicher und in vielen Fällen wirksam

Der Forschungsverbund GAIN (German multi-organ Auto-Immunity Network) nimmt die Autoimmunerkrankung seit 2019 in den Blick. Dass so viele Organe – noch dazu unterschiedlich stark – betroffen sein können, macht die Therapie einer CTLA-Insuffizienz besonders schwierig. „Mit der ABACHAI-Studie wollten wir diese sehr komplexe Erkrankung nicht nur besser verstehen, sondern auch Therapiemöglichkeiten untersuchen“, erklärt Professor Dr. Bodo Grimbacher, der Leiter des GAIN-Verbundes. Über einen Zeitraum von 21 Monaten erhielten deshalb insgesamt 20 Patientinnen und Patienten mit CTLA4-Defekt das Medikament Abatacept, das überaktivierte T-Zellen hemmt und dabei hilft das Immunsystem zu regulieren. „Dank der Studie konnten wir wertvolle Informationen zu Verbesserungen der klinischen Symptomatik und mögliche Nebenwirkungen gewinnen“, bilanziert Grimbacher.

Insbesondere das Magen-Darm-System habe gut auf das Medikament angesprochen, so Grimbacher – entsprechende Entzündungen der behandelten Patientinnen und Patienten seien zurückgegangen, ihre Lebensqualität habe sich verbessert. Allerdings habe sich im Verlauf der Studie gezeigt, dass die Gabe von Abatacept nicht bei allen betroffenen Organsystemen gleich wirksam war und entzündliche Reaktionen der Haut, des Zentralnervensystems und der Nieren eine geringere Ansprechrate zeigten.

Eine weitere wichtige Erkenntnis der Studie: Die Gabe von Kortikosteroiden (Kortison) konnte dank der Behandlung mit Abatacept reduziert werden – ohne dass es zu einer stärkeren Infektanfälligkeit gekommen wäre.

Die „Seltenen“ brauchen öffentliche Forschungsförderung

Seltene Erkrankungen haben meist – so wie die CTLA4-Insuffizienz – genetische Ursachen und betreffen grundlegende biologische Prozesse. Deshalb kann ihre Erforschung dazu beitragen, auch häufigere Krankheiten besser zu verstehen. Aufgrund der jeweils niedrigen Anzahl von Betroffenen sind klinische Studien in diesem Bereich langwierig und aufwändig – und damit für viele forschende Unternehmen der Pharmaindustrie unwirtschaftlich. Diese Lücke schließt die öffentliche Forschungsförderung. Den GAIN-Verbund förderte das BMBF seit 2019 mit insgesamt rund 6,3 Millionen Euro.

Rare Disease Day

Der Welttag der Seltenen Erkrankungen („Rare Disease Day“) wird jedes Jahr am letzten Tag des Monats Februar begangen – 2025 ist dies der 28. Februar. Seit 2008 nutzen Patientenvertretungen, Unterstützungsorganisationen und Betroffene den Tag, um mit vielfältigen Aktionen mehr Aufmerksamkeit für diese meist genetisch bedingten, oft unheilbaren Krankheiten und die besonderen Bedürfnisse betroffener Menschen zu schaffen.

Erforschung Seltener Erkrankungen

Eine Erkrankung gilt dann als selten, wenn nicht mehr als fünf von 10.000 Menschen von ihr betroffen sind. „Selten“ sind diese Erkrankungen in ihrer Gesamtheit jedoch nicht − mehr als 6.000 von ihnen sind bekannt. Deshalb ist die Gesamtzahl der Betroffenen trotz allem hoch: Allein in Deutschland leben mehr als vier Millionen Menschen mit einer Seltenen Erkrankung, weltweit wird die Zahl der Betroffenen auf mehr als 300 Millionen geschätzt.

Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) unterstützt die Erforschung der Seltenen Erkrankungen seit 2003 mit erheblichen Mitteln: So wurden 144 Millionen Euro in nationale Forschungsverbünde investiert, die sich sowohl der Grundlagenforschung als auch der klinischen Forschung widmen. Eine aktuelle Förderrichtlinie hat bereits bestehenden Verbünden die Möglichkeit eröffnet, für weitere drei Jahre Fördergelder zu erhalten. Hier werden neun Verbünde von 2022 bis 2027 mit rund 21,5 Millionen Euro gefördert.