Stammzellen können die Abstoßung von transplantierten Zellen und Organen verhindern. Eine Studie der Düsseldorfer Uniklinik hat jetzt geklärt, wie diese Zellen das bewerkstelligen. Sie produzieren ein Enzym, das die Abwehrreaktion gegen das übertragene Gewebe effektiv unterdrückt. Möglicher Vorteil: Weil das Enzym nur lokal wirkt, bleibt der Immunschutz des Körpers insgesamt bestehen.
Eine Organtransplantation rettet in vielen Fällen Leben
- sie kann aber auch neue Probleme schaffen. Denn das Immunsystem erkennt das neue Organ als „fremd“ und bekämpft es. Um diese Abwehrreaktionen zu verhindern, müssen Organempfänger so genannte Immunsuppressiva einnehmen - Medikamente, die das Immunsystem unterdrücken. Doch diese Mittel haben zahlreiche Nebenwirkungen. Unter anderem werden die Patienten anfällig gegenüber Krankheitserregern. Eine einfache Erkältung kann dann zur tödlichen Gefahr werden.
Elegante Lösung
Als Alternative zu Immunsuppressiva beschäftigen sich Transplantationsmediziner mit so genannten mesenchymalen Stammzellen, die aus dem Knochenmark gewonnen werden. Diese Zellen haben eine bemerkenswerte Eigenschaft. Sie können die Immunantwort des Körpers so verändern, dass die Abstoßungsreaktion gegen transplantiertes Gewebe abgeschwächt wird - sogar wenn es sich um Stammzellen einer anderen Person handelt. Eine durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderte Studie konnte nun den Mechanismus entschlüsseln. Mesenchymale Stammzellen synthetisieren das Enzym Indoleamin-2,3-Dioxygenase (IDO) - ein Protein, das die T-Zell-Antwort der Immunabwehr unterdrückt. T-Zellen prüfen im Körper unentwegt die Oberfläche aller Zellen und töten jene Zellen ab, die fremde Proteine besitzen. Auch Transplantate werden ohne den Schutz von Immunsuppressiva oder mesenchymalen Stammzellen auf diese Weise als fremd erkannt und vom Körper bekämpft.
Allerdings stellen die Stammzellen IDO nicht permanent her. Sie werden erst durch die Substanz Interferongamma zur IDO-Produktion angeregt. Interferone wiederum sind Botenstoffe, die unter anderem von T-Zellen produziert werden und Abwehrreaktionen gegen Krankheitserreger, aber auch gegen transplantiertes Gewebe in Gang setzen. Stammzellen könnten demnach eine sehr elegante Lösung bieten, um das Problem der Transplantatabstoßung in den Griff zu bekommen: Als Teil der Abstoßungsreaktion produziert das Immunsystem Interferon-gamma. Gleichzeitig verleitet Interferon-gamma aber die Stammzellen dazu, IDO zu bilden. Dadurch werden die T-Zellen gehemmt. Folge: Die Abstoßungsreaktion kommt direkt vor Ort gleich wieder zum Erliegen, das Immunsystem wird ausgetrickst. Und IDO kann sogar noch mehr. Es hemmt das Wachstum von Bakterien und Viren. Dadurch lässt sich möglicherweise auch die Gefahr von Infektionen des Transplantats weiter senken.
Zwei mögliche Therapieansätze
Für den Einsatz mesenchymaler Stammzellen in der Transplantationsmedizin sind zunächst zwei Möglichkeiten denkbar. Bei der Übertragung kleinerer, außerhalb des Körpers gezüchteter Gewebe- oder Zellverbände könnten zusätzlich Stammzellen in das Transplantat integriert werden. Diese Art von Immunsuppression hätte einen entscheidenden Vorteil. „Die Stammzellen würden die Körperabwehr vornehmlich vor Ort schwächen. Das Immunsystem in anderen Körperregionen würde wahrscheinlich nicht beeinflusst werden. Damit bliebe auch die gefürchtete Infektanfälligkeit der Patienten aus”, erläutert Privatdozentin Dagmar Dilloo von der Universität Düsseldorf, die das Projekt betreute. Bei der Übertragung kompletter fremder Organe, zum Beispiel von Nieren, wäre es dagegen denkbar, die Stammzellen in den Blutkreislauf einzubringen.
Bis es soweit ist, werden aber wohl noch viele Patienten mit herkömmlichen Immunsuppressiva behandelt werden. Dilloo: „Wir wissen jetzt erst, auf welche Weise Stammzellen die Abstoßungsreaktion hemmen. Ob sich dieses Wissen in der Transplantationsmedizin praktisch und risikoarm umsetzen lässt, müssen wir noch klären.”
Ansprechpartnerin:
PD Dr. Dagmar Dilloo
Klinik für pädiatrische Onkologie,
Hämatologie und Immunologie
Universitätsklinikum Düsseldorf
Moorenstraße 5
40225 Düsseldorf
Tel.: 0211/811-6224
Fax: 0211/811-6191
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