Schon die Veränderung eines einzigen Gens kann dazu führen, dass sich unser Immunsystem gegen den eigenen Körper wendet und mehrere Organe schädigt. Damit die Betroffenen künftig besser behandelt werden können, stellt das BMBF drei Millionen Euro bereit.
Im Mai fiel der Startschuss für das Forschungsnetzwerk GAIN (German multi-organ Auto-Immunity Network), das sich mit Autoimmunerkrankungen befasst. Diese können schwere Entzündungen verursachen und in seltenen Fällen sogar mehrere Organe betreffen, zum Beispiel Darm, Lunge, Niere, Haut und das zentrale Nervensystem. „Wir möchten die genetischen, epigenetischen und umweltbedingten Faktoren dieser schweren Autoimmunerkrankungen besser verstehen. So können wir die Diagnose und Beratung betroffener Familien erleichtern und die Therapien verbessern“, sagt Prof. Dr. Bodo Grimbacher vom Centrum für Chronische Immundefizienz (CCI) am Universitätsklinikum Freiburg, der den Forschungsverbund GAIN leitet. Um den Betroffenen helfen zu können, ist eine frühzeitige Diagnose und Therapie besonders wichtig. Doch durch das seltene und komplexe Krankheitsbild dauert es oft lange, bis Multi-Organ-Autoimmunerkrankungen als solche erkannt werden.
Epigenetische Mechanismen verknüpfen kleine chemische Bausteine mit dem Erbgut oder lösen sie davon ab. Diese chemischen Markierungen beeinflussen die Aktivität unserer Gene. Äußere Faktoren wie Stress und Ernährung prägen diese epigenetische Programmierung der Zellen. Sie verleihen den Genen eine Art „Gedächtnis“, das die Genaktivität langfristig beeinflussen und sogar vererbt werden kann.
Seltene Erkrankungen entschlüsseln – häufige besser behandeln
Viele Autoimmunerkrankungen werden durch genetische Veränderungen hervorgerufen. „Nicht alle Mutationsträger werden jedoch krank – und wenn sie krank werden, sind nicht immer dieselben Organe betroffen“, so Grimbacher. Die komplexen Mechanismen, die bei der Entstehung dieser Krankheiten zusammenwirken, wollen die Forscherinnen und Forscher, Ärztinnen und Ärzte vom CCI jetzt gemeinsam mit ihren Kolleginnen und Kollegen der Ludwig-Maximilians-Universität München, der Christian-Albrechts-Universität Kiel und der Medizinischen Hochschule Hannover im Forschungsverbund GAIN beleuchten. „Für die Medizin ist die Untersuchung solcher seltenen Störungen, die auf ein einzelnes Gen zurückzuführen sind, sehr lehrreich. Sie bieten die Chance, auch häufigere Autoimmunkrankheiten zu entschlüsseln, bei denen mehrere Gene gestört sind“, so Grimbacher.
Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) fördert GAIN für zunächst drei Jahre mit rund drei Millionen Euro. Bereits seit 2003 stärkt das BMBF die Erforschung Seltener Erkrankungen und stellte dafür mehr als 107 Millionen Euro bereit. 2018 veröffentlichte es auf diesem Gebiet seine jüngste Fördermaßnahme. Im Frühjahr 2019 nahmen neben GAIN zehn weitere zur Förderung ausgewählte Forschungsverbünde ihre Arbeit auf. Sie sollen Grundlagenforschung, klinische Forschung und Versorgungsforschung zu Seltenen Erkrankungen stärker miteinander verzahnen sowie neue diagnostische Möglichkeiten und Therapien entwickeln. Bis zum Jahr 2022 stellt das BMBF dafür 25 Millionen Euro zur Verfügung.
Patientenregister soll die Prüfung neuer Medikamente beschleunigen
Die Forscherteams greifen bei ihrer Arbeit unter anderem auf eine hochmoderne und deutschlandweite Biomaterialienbank zurück. Sie werten die Proben von Menschen mit Multi-Organ-Autoimmunerkrankungen aus und dokumentieren neben den genetischen und klinischen Daten auch Informationen zur bisherigen Therapie und zur Lebensqualität der Betroffenen. Das so aufgebaute Patientenregister wiederum ist wichtig für eine begleitende klinische Studie, mit der GAIN die Sicherheit und Wirksamkeit eines Medikaments gegen Multi-Organ-Autoimmunerkrankungen prüfen wird. Das Register soll den Forschenden helfen, die für die Studie notwendige Zahl geeigneter Patientinnen und Patienten schneller ausfindig zu machen und zur Studienteilnahme einzuladen.