Interview mit Privatdozent Dr. Jürgen May, Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin, Hamburg
Ist Malaria nach wie vor eine große Bedrohung?
Ohne jeden Zweifel. Allein in Afrika erkranken jährlich mehr als 500 Millionen Menschen daran. Das sind 90 Prozent der Malaria-Kranken. Nach Angaben des Robert-Koch-Instituts in Berlin sterben weltweit jedes Jahr bis zu 2,7 Millionen Menschen an Malaria, die Hälfte davon sind Kinder unter fünf Jahren. Die Infektion ist weltweit noch immer eine der wichtigsten Todesursachen bei Kindern. Das sind dramatische Daten. Doch die bisher erprobten Kontrollmaßnahmen scheiterten wegen schlechter Wirksamkeit, hohem Preis, schwacher Akzeptanz und nicht zuletzt schlechter Erreichbarkeit der Kinder. Maßnahmen, die preiswert, gut verträglich und leicht anwendbar sind, werden dringend benötigt - das Kombinationspräparat Sulfadoxin/Pyrimethamin (SP) könnte hier eine wertvolle Option sein. Und Anlass, eine Studie mit diesem Medikament durchzuführen.
Wie bewerten Sie die Ergebnisse Ihrer Studie?
Wir haben in unserer Studie eine Malariaprophylaxe mit dem Kombinationsmedikament Sulfadoxin/Pyrimethamin bei Kindern in Ghana untersucht. Die Wirksamkeit betrug 20 Prozent. Sie ist altersabhängig und sinkt nach dem ersten Lebensjahr. Natürlich hatten wir uns eine höhere Effizienz von dem Kombinationspräparat SP erhofft. Die Gründe für diese vergleichsweise geringen Raten könnten zum einen im Gabeschema, zum anderen in den Wirkstoffen an sich zu suchen sein. Möglicherweise sollten die Zeitabstände zwischen den Gaben in Ländern mit besonders hohem Malariavorkommen kürzer gesetzt werden. Die Verabreichung von SP im dritten, neunten und 15. Monat wurde auch im Hinblick auf die Impfungen der Weltgesundheitsorganisation gewählt. Diese erfolgen im zweiten, dritten und neunten Lebensmonat. Da SP eine lange Halbwertszeit hat, ist es wahrscheinlich wenig sinnvoll, es in zwei aufeinanderfolgenden Monaten zu geben. Eine andere Erklärung für die Studienergebnisse könnte sein, dass dieses Medikament nicht optimal ist und sich bereits zu viele Resistenzen dagegen entwickelt haben.
Hat das Medikament selbst zur Entwicklung von Resistenzen beigetragen?
Das ist in der Tat nicht auszuschließen. Die Resistenzlage in Ghana ist unerwartet schlecht. Obwohl dort als Standardmedikament gegen Malaria Chloroquin oder Abkömmlinge davon eingesetzt wurden, finden sich viele Resistenzen gegen SP. Das könnte auf Massenbehandlungen mit diesem Wirkstoffduo zurückzuführen sein. Diese liegen zwar immerhin 40 Jahre zurück, können aber dennoch zu dem schlechteren Abschneiden von SP beigetragen haben.
Wie kann die Resistenzentwicklung künftig besser verhindert werden?
Resistenzen entwickeln sich immer bei Wirkstoffen, die eine lange Halbwertszeit haben. Besser sind daher solche mit einer kurzen Halbwertszeit, die also über einen kürzeren Zeitraum sehr wirksam sind. Diese Medikamente haben dafür aber wieder den Nachteil, dass einige der Parasiten nicht abgetötet werden. Auch Überlebensraten bei Parasiten von unter 0,1 Prozent genügen, um Neuinfektionen auszulösen. Einen Ausweg aus diesem Dilemma bieten Kombinationspräparate. Um das Problem der Resistenzentwicklung besser in den Griff zu bekommen, bewähren sich Zusammensetzungen von Wirkstoffen mit langer und kurzer Halbwertszeit - beispielsweise Artemisimin in Kombination mit Amodiaquin, ein Derivat von Chloroquin. Abgesehen von solchen medikamentösen Strategien muss natürlich in den Malariagebieten auch im praktischen Alltag mehr zum Schutz der Menschen getan werden. Hierzu eignen sich vor allem Bettnetze, welche die Anzahl der Stiche um bis zu 60 Prozent senken. Die Malariaüberträger fliegen vor allem nachts, deshalb sind Schutzmaßnahmen dann am wichtigsten.
Wäre es nicht sinnvoll, im großen Stil mit Malariamedikamenten vorzubeugen?
Prinzipiell nur, wenn solche Maßnahmen lebenslang durchgeführt werden. Wie sich gezeigt hat, führt eine Prophylaxe mit gut wirksamen Substanzen zu einem sogenannten Rebound-Effekt: Nach fünf Jahren kontinuierlicher Gabe eines solchen Medikaments kletterte die Malariarate nach dem Absetzen enorm in die Höhe.
Wird die Weltgesundheitsorganisation das Therapiekonzept empfehlen?
Für die Gebiete, in denen es von der Datenlage her sinnvoll erscheint, wird die Empfehlung sicherlich kommen. In den Ländern, wo die Resistenzen gegen SP niedrig genug sind, wird diese Prophylaxe auch durchgeführt werden. Eine Empfehlung für den gesamten afrikanischen Kontinent wird es wohl nicht geben. Wie unsere Untersuchungen gezeigt haben, sind dazu die regionalen Unterschiede zu groß.