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RTS,S/AS01 klingt ein wenig nach Science-Fiction. Doch hinter den Buchstaben verbirgt sich einer der größten Forschungserfolge der Medizin: Nach jahrzehntelangen Anstrengungen ist es erstmals gelungen, einen Impfstoff gegen Malaria zu entwickeln.
Schwere Krankheit, komplizierter Erreger: Jahrzehntelang konnte Malaria nur durch Medikamente und Vorbeugung, wie beispielsweise das Schlafen unter Moskitonetzen, bekämpft werden.
CERMEL
Malaria ist eine der schlimmsten Infektionskrankheiten weltweit. Jedes Jahr sterben etwa 600.000 Menschen daran. Insbesondere für den afrikanischen Kontinent ist die Krankheit eine wahre Geißel: 95 Prozent der weltweiten Infektionen und 96 Prozent der Todesfälle wurden in Afrika registriert – besonders häufig sind Schwangere, Babys und Kleinkinder betroffen. Medikamente gibt es zwar, diese sind jedoch häufig nicht zugänglich, zu teuer – oder sie wirken nicht, denn der Malaria-Erreger namens Plasmodium reagiert schnell und wird resistent gegen Wirkstoffe, die seinen komplizierten Lebenszyklus stören.
Um sich zu vermehren, brauchen Einzeller der Gattung Plasmodium zwei unterschiedliche Wirte: den Menschen und eine Mücke. Nach dem fatalen Stich nachts oder in den Abendstunden gelangen die Malaria-Erreger zunächst in die Blutbahn des Menschen und befallen dann die Leber. Hier entwickeln sie sich zu sogenannten Merozoiten, welche die bekannten Symptome der Malaria auslösen: Sie überschwemmen schlagartig die Blutgefäße und infizieren die roten Blutkörperchen. Dort reifen sie heran und teilen sich. Schließlich platzen die Blutkörperchen und schwemmen so eine neue Generation von Merozoiten ins Blut. Der Körper reagiert auf die Abbauprodukte der roten Blutkörperchen mit starkem Fieber. Als tödlichste Form der Malaria gilt die vom Erreger Plasmodium falciparum ausgelöste Malaria tropica, bei der zusätzlich Krämpfe, Bewusstseinsstörungen und Atemprobleme auftreten können.
Nach vielen Jahren des Forschens und Verhandelns mit Geldgebern, Institutionen und Regierungen geht es nun sichtbar voran, denn in den Gebieten mit dem höchsten Malaria-Risiko in Afrika beginnt erstmals eine umfassende Impfkampagne für Kleinkinder. Geimpft wird der in rund 40 Jahren Forschung entwickelte Impfstoff RTS,S/AS01 (Handelsname Mosquirix), der gegen den Malaria-Erreger Plasmodium falciparum und damit gegen die besonders gefährliche Malaria tropica wirkt. Ein zweiter, sehr vielversprechender Impfstoff namens R21/Matrix-M folgte. Nur mit viel Geduld, kollektiver Anstrengung und erheblichem finanziellen Aufwand konnte dieser Erfolg erzielt werden: Die Entwicklung von RTS,S wurde von der Nichtregierungsorganisation PATH über eine Produktentwicklungspartnerschaft aus Forschenden, dem Pharmaunternehmen GlaxoSmithKline und der Bill-&-Melinda-Gates-Stiftung vorangetrieben. Der Malaria-Impfstoff wurde als erster Wirkstoff weltweit von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfohlen, sein Einsatz in Afrika wird nun von der internationalen Impfstoffallianz Gavi (Global Alliance for Vaccines and Immunisation) finanziert und vom Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen (UNICEF) organisiert.
„Dieses Projekt ist ein echter Leuchtturm, denn Malariaforscher weltweit haben zu diesem Erfolg beigetragen.“
Prof. Dr. Peter Kremsner
Deutschland ist auf unterschiedliche Weise mit diesem historischen Schritt verwoben: Es unterstützt als Geberland die Impfallianz Gavi in den Jahren 2021 bis 2025 mit rund 600 Millionen Euro. Auch die vorherige Impfstoff-Entwicklung wurde mit deutschen Fördergeldern unterstützt: Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) förderte hierfür mit rund 7,7 Millionen Euro zwei Studien des PATH-Gesamtportfolios. Und schließlich engagieren sich Forschende des Deutschen Zentrums für Infektionsforschung (DZIF), das gemeinsam von Bund und Ländern finanziert wird, im Kampf gegen Malaria. Einer von ihnen ist Professor Dr. Peter Kremsner, Direktor des Instituts für Tropenmedizin am Universitätsklinikum Tübingen und Stellvertretender Koordinator des Bereichs „Malaria und vernachlässigte Tropenkrankheiten“ am DZIF. „Dieses Projekt ist ein echter Leuchtturm, denn hier haben Malaria-Forscher weltweit zusammengearbeitet. Nur so konnte der allererste wirksame Impfstoff zugelassen werden“, so Kremsner, der unter anderem an verschiedenen klinischen Studien von PATH sowie an der Auswahl des die Impfkraft verstärkenden Zusatzes AS01 beteiligt war.
Die Wirksamkeit und Verträglichkeit des Impfstoffes wurden in mehreren klinischen Studien und einem Pilotprogramm in drei afrikanischen Ländern untersucht.
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Die Entwicklung des Impfstoffes durch Forschende der Pharmafirma GlaxoSmithKline erfolgte bereits im Jahr 1984. Doch erst 30 Jahre später konnte die entscheidende Phase-3-Studie zur Wirksamkeit und Sicherheit von RTS,S durchgeführt werden, an der 15.459 Säuglinge und Kleinkinder teilnahmen. Es folgte ein Umsetzungsprogramm durch die WHO, das 2019 mit Impfungen in Gebieten von Ghana, Kenia und Malawi begann und bis Ende 2023 fortgesetzt wurde. In den drei Ländern wurden mehr als sechs Millionen Dosen RTS,S verabreicht. Doch es gibt – wie so häufig – keine einfache Lösung für ein großes Problem: Der Impfstoff ist gut verträglich, schützt aber nicht alle Kinder. In den Gebieten, in denen Mosquirix eingesetzt wurde, sind laut WHO 30 Prozent weniger Kinder an Malaria gestorben als zuvor. Unter den geimpften Kindern hatten außerdem deutlich weniger Kinder einen schweren Malaria-Verlauf oder mussten im Krankenhaus behandelt werden.
„RTS,S ist ein sehr gutes Werkzeug im großen Kampf gegen Malaria. Wir können damit die Krankheit nicht ausrotten, aber wir können sie eindämmen.“
Prof. Dr. Peter Kremsner
Tropenmediziner Kremsner sieht Grund für Optimismus: „Es ist der erste Impfstoff, der es überhaupt geschafft hat“, sagt er. „RTS,S ist ein sehr gutes Werkzeug im großen Kampf gegen die Malaria. Man kann damit die Krankheit nicht ausrotten, kombiniert man ihn allerdings mit dem Einsatz von Moskitonetzen sowie einer sehr guten Diagnostik und einer prompten Therapie, so lässt sie sich zumindest eindämmen“, fasst er zusammen und ergänzt: „Und die Forschung geht ja weiter – aktuell werden schon wieder neue Ansätze vom BMBF gefördert, die sich in den anstehenden klinischen Studien als wirksamer erweisen könnten.“
Professor Dr. Peter Kremsner ist Direktor des Instituts für Tropenmedizin am Universitätsklinikum Tübingen, Stellvertretender Koordinator des Bereichs „Malaria und vernachlässigte Tropenkrankheiten“ am Deutschen Zentrum für Infektionsforschung (DZIF) und Gründer des medizinischen Forschungszentrums in Lambaréné (Gabun). Er war als Mitglied des leitenden Studienkomitees und als Koordinator der klinischen Studien in Lambaréné unter anderem an der Phase-3-Prüfung des Malaria-Impfstoffs RTS,S/AS01 beteiligt.
Professor Dr. Peter Kremsner
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Warum ist die Entwicklung eines Impfstoffs gegen Malaria so schwierig?
Weil der Malaria-Erreger genetisch gesehen fast so komplex wie der Mensch ist! Er ist zwar nur ein Einzeller, verfügt aber mit rund 5.000 aktiven Genen über so viele Erbinformationen wie manches Säugetier. Auch ist sein Lebenszyklus sehr kompliziert – der Erreger wechselt mehrfach seinen Aufenthaltsort und sein Erscheinungsbild. Das macht die Impfstoffentwicklung so schwierig: Es gibt eine Vielzahl von Oberflächenproteinen, die jeweils für kurze Zeit im Verlauf der Infektion Ansatzpunkt für eine Impfung sein können. Das Coronavirus war – zum Glück – im Vergleich zu Plasmodium wirklich simpel aufgebaut, aber selbst da brauchte es weltweite Forschungsanstrengungen, um schnell während der Pandemie wirksame Impfstoffe zu entwickeln.
Sie und Ihr Team arbeiten an neuen Impfstoffen: Wie ist der Stand der Dinge?
Wir verfolgen gerade verschiedene Wege, die alle das sogenannte Sporozoiten-Stadium des Erregers angreifen – also die infektiöse Form, die beim Stich einer Mücke in die menschliche Blutbahn gelangt und sich dann in der Leber einnistet. Für besonders vielversprechend halte ich einen Ansatz, den wir gemeinsam mit Forschenden aus den USA verfolgen: Hier gelang es, einen Parasiten zu entwickeln, bei dem zwei für seine Entwicklung entscheidende Gene nicht mehr funktionsfähig sind. Bei der Impfung lösen diese Plasmodien zwar eine Immunantwort aus, stellen ihre Entwicklung dann aber ein und gelangen nicht mehr ins Blut der Betroffenen.
Hält der Malaria-Erreger auch weiterhin Überraschungen für Sie bereit?
Aber ja – hier ein Beispiel: Plasmodium hat uns gezeigt, dass es nicht nur auf die Art des Impfstoffs ankommt, sondern auch sehr genau auf den richtigen Zeitpunkt der Impfung. Bei einer unserer Studien war umstritten, ob nach der ersten Impfung die zweite nach fünf oder erst nach sieben Tagen folgen sollte. Parallele Studien zeigten: Bei einer zweiten Impfung am fünften Tag konnten wir in der Studie nahezu hundertprozentigen Schutz erreichen, während es bei der zweiten Behandlung am siebten Tag nur höchstens 20 Prozent waren. Nur 48 Stunden machten also den – unter realen Bedingungen lebenswichtigen – Unterschied zwischen Erfolg und Misserfolg aus.