Der Kampf gegen die Ebola-Epidemie macht Fortschritte: Zwei Impfstoffkandidaten werden derzeit auf ihre Wirksamkeit untersucht. Frau Prof. Addo leitet eine der Studien. Im Interview berichtet sie von ihrer Arbeit und der Impfstoffentwicklung der Zukunft.
rVSV-ZEBOV – so heißt ein möglicher Impfstoff gegen Ebola. Er wurde von der WHO für eine beschleunigte und koordinierte Testung ausgesucht. Innerhalb weniger Wochen wurde rVSV-ZEBOV in vier parallel durchgeführten klinischen Phase-I-Studien auf seine Verträglichkeit und Wirksamkeit hin untersucht. In Hamburg und Genf (Schweiz) sowie in den westafrikanischen Standorten Lambaréné (Gabun) und Kilifi (Kenia) wurden insgesamt 158 freiwillige gesunde Erwachsene mit ansteigenden Dosen des Impfstoffkandidaten behandelt. In Deutschland leitete die DZIF-Professorin Dr. Marylyn Addo am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf eine der Studien. Im Interview erklärt sie, wie wir uns zukünftig wappnen können im Kampf gegen plötzlich auftretende Infektionen.
Sie haben innerhalb kürzester Zeit den Impfstoffkandidaten rVSV-ZEBOV in einer Phase-I-Studie getestet. Normalerweise dauert so etwas viele Monate.
Marylyn Addo: Tatsächlich haben wir die Ergebnisse gemeinsam innerhalb weniger Wochen erarbeitet. Das hat nur funktioniert, weil sowohl die regulatorischen Behörden als auch die wissenschaftlichen Teams Hand in Hand gearbeitet haben.
Sind Sie mit den Ergebnissen der klinischen Studie zufrieden?
Ja, unsere Ergebnisse zur Verträglichkeit und Sicherheit sowie zur Immunantwort auf den Impfstoff- Kandidaten sind vielversprechend. Der Impfstoff scheint in der Lage zu sein, das menschliche Immunsystem effektiv zu stimulieren. Unsere Studie hat auch dazu beigetragen, eine optimale Impfdosis zu ermitteln.
Kam es im Zusammenhang mit der Impfung zu Nebenwirkungen?
Es gab keine schweren Nebenwirkungen. In einigen Fällen kam es kurzzeitig zu leichtem Fieber. Das ist aber nichts Ungewöhnliches. In der Schweizer Studie haben allerdings einige Probanden im Zusammenhang mit der Impfung Gelenkbeschwerden entwickelt. Warum genau, wissen wir bislang nicht. Den Ursachen hierfür wird nun weiter nachgegangen.
Die Gelenkbeschwerden waren für die Zulassungsbehörde aber kein Grund, die weitere klinische Prüfung des Impfstoffes infrage zu stellen.
Nein. Die Testung geht nahtlos weiter. Die Ergebnisse unserer Studien fließen jetzt in weitere Studien ein, in denen die ermittelten optimalen Impfdosen eingesetzt werden. In Guinea wird der Impfstoff bereits in einer größeren Phase-II/III-Studie getestet. Geimpft werden dort die Kontaktpersonen von Ebola-Patienten. Rund 10.000 Menschen sollen an dieser Testreihe teilnehmen.
Um welche Art von Impfstoff handelt es sich bei rVSV-ZEBOV?
rVSV-ZEBOV ist ein rekombinanter Lebendimpfstoff. Generell enthalten Lebendimpfstoffe vermehrungsfähige Erreger, die aber abgeschwächt sind. Sie erzeugen eine gute Immunität, die in der Regel lange anhält. Bei rVSV-ZEBOV handelt es sich um ein abgeschwächtes, gentechnisch verändertes Vesikuläres Stomatitis-Virus, kurz VSV, das ein Oberflächenprotein des Ebola-Virus trägt. Gegen dieses Protein soll das Immunsystem der Geimpften dann Antikörper bilden, die im Falle eines Kontakts mit dem Ebola-Virus helfen sollen, die Krankheit zu verhindern. Tatsächlich wurde bei allen Studienteilnehmerinnen und -teilnehmern das Immunsystem durch die einmalige Impfung dazu angeregt, solche spezifischen Antikörper zu bilden.
Stimmt es, dass der Impfstoff schon zehn Jahre alt ist und nicht weiterentwickelt wurde?
Ja, das stimmt. Aber dazu muss man sagen: Hätte ein Forscher vor zehn Jahren gesagt, ich brauche einige Milliarden Euro, um diesen Ebola-Impfstoff zu testen, hätte man ihn möglicherweise für verrückt erklärt. Denn die Ausbrüche waren bislang sporadisch und lokal begrenzt. Niemand konnte vorhersagen, dass wir es einmal mit so vielen Ebola-Infizierten zu tun haben werden.
Was können wir aus der Ebola-Epidemie für die Zukunft lernen?
Wir sollten in Zukunft strategisch über zwei Dinge nachdenken. Erstens ist es wichtig, Impfstoff-Plattformen zu entwickelt. Das nehmen wir im DZIF bereits in Angriff. Denn das Prinzip vieler Impfstoffe ist ähnlich. Oft nutzt man ein ungefährliches Trägervirus. Hier wird dann ein Proteinstück von demjenigen Virus eingebaut, gegen den der Impfstoff schützen soll. Mit einer Impfstoff-Plattform kann man sehr schnell die genetische Sequenz eines neuen Erregers in einen Trägervirus einbauen und so die Impfstoffentwicklung deutlich beschleunigen. Das wäre ein Ansatz.
Und Ihr zweiter Vorschlag?
Der zweite Ansatz ist, dass wir in der Zukunft strategisch darüber nachdenken sollten, wie weit man Impfstoffe entwickeln muss. Das heißt, dass wir potenzielle Impfstoffe zukünftig schon ein Stück weiterentwickeln sollten. Dann könnten wir im Falle des Ausbruchs einer Infektionskrankheit viel schneller handeln. Konkret bedeutet das, dass wir für gewisse Erkrankungen – im kleinen Stil – zumindest die Verträglichkeit des Impfstoffes im Menschen schon testen sollten. Damit man diese humanen Daten nicht – wie jetzt im Falle von Ebola – erst während eines Ausbruchs erheben muss. So gewinnt man Zeit. Für welche Erkrankungen man diese klinische Testung vorantreibt, muss natürlich gut überlegt sein und entsprechend den begrenzten finanziellen Ressourcen abgewogen werden.
Ist die Gefahr von Ebola aus Ihrer Sicht gebannt?
Im Kampf gegen eine Infektionskrankheit sind die letzten Meter die schwersten. Dann ist die große Angst vorbei, und die notwendigen Maßnahmen werden nicht mehr ganz so konsequent durchgesetzt. Eigentlich müsste man die Maßnahmen gegen Ebola jetzt eher noch verschärfen.
Klar ist: Wir haben Ebola nicht im Griff, solang wir nicht bei allen Neuinfizierten wissen, wo und wodurch sie sich angesteckt haben.
Gibt es die Möglichkeit, Ebola auszurotten?
Wir werden das Ebola-Virus nicht vollkommen ausrotten können. Denn Ebola ist eine Zoonose. Das heißt, Ebola hat ihren Ursprung im Tierreich und wird auch von Tieren auf Menschen übertragen. Das Virus lebt beispielsweise in Flughunden und anderen Wildtieren. Im Gegensatz dazu gibt es Infektionserkrankungen, wie zum Beispiel die Masern, die ausschließlich von Mensch zu Mensch übertragen werden. Diese Krankheiten kann man ausrotten. Aber Erreger, deren Reservoir ein Urwaldtier ist, wird man nicht ausrotten können.
Vielen Dank für das Gespräch!
Um herauszufinden, wie der Impfstoffkandidat rVSV-ZEBOV von der afrikanischen Bevölkerung vertragen wird, wurde ein Teil der klinischen Studie in Afrika durchgeführt. So auch in Lambaréné, einer Stadt nur wenige Kilometer südlich des Äquators inmitten des zentralafrikanischen Regenwaldes im Staat Gabun. Koordiniert wurde die Studie von Professor Dr. Peter Kremsner, Direktor am Tropenmedizinischen Institut der Universität Tübingen und Wissenschaftler im Deutschen Zentrum für Infektionsforschung, und gemeinsam mit Medizinerinnen und Medizinern vor Ort durchgeführt. „Erfreulicherweise wird der Impfstoff auch von Menschen in der afrikanischen Bevölkerung gut vertragen“, erklärt Kremsner. „Wir hoffen, dass der Impfstoff auch tatsächlich wirksam sein wird. Das werden nun die nachfolgenden Studien zeigen.“
Ansprechpartnerin:
Prof. Dr. Marylyn Addo
Deutsches Zentrum für Infektionsforschung – Emerging Infections
Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf
I. Medizinische Klinik und Poliklinik
Martinistraße 52
20246 Hamburg
m.addo@uke.de