Eine Leber optimal teilen

Zum Leben reicht eine halbe Leber. Manche Menschen spenden deshalb einen Teil des Organs, um schwer leberkranken Patienten zu helfen. Die Operation ist schwierig und gefährlich. Dank eines neuen Computerprogramms können Chirurgen die Risiken jetzt aber deutlich senken. Die Software liefert dreidimensionale Bilder der Leber, die das Organ in großem Detailreichtum exakt darstellen. Sogar die Schnitte des Skalpells lassen sich simulieren.

Manchmal hilft nur noch eine Lebertransplantation – zum Beispiel wenn Hepatitis-Viren das Organ zerstört haben. Doch Spenderlebern sind knapp. Die Bereitschaft, nach dem Tode Organe zu spenden, ist nach wie vor gering. Allerdings bietet die Leber gegenüber anderen Organen einen Vorteil: Ihr Potenzial, sich zu regenerieren, ist enorm. Es ist ausreichend, eine Leberhälfte zu transplantieren. Das Spenderorgan kann deshalb von einem lebenden Menschen stammen. Leberspender und Empfänger leben dann jeweils mit einer Organhälfte weiter, die wächst und allmählich die Funktionsfähigkeit einer vollständigen Leber zurückgewinnt. Die Operation ist riskant. Denn eine Leber ist einzigartig wie ein Fingerabdruck. Bei jedem Menschen variieren Größe und Form, verlaufen die Blutgefäße unterschiedlich. Die Leber so zu teilen, dass beide Hälften funktions- und überlebensfähig sind, stellt deshalb höchste Anforderungen an den Operateur. Fehleinschätzungen können für Spender und Empfänger tödlich enden.

Bisher unbekannte Präzision
Mit einer neuen Methode aus Bremen können Chirurgen die Risiken des Eingriffs jetzt deutlich senken. Wissenschaftler des Centrums für medizinische Diagnosesysteme und Visualisierung (MeVis) haben mit finanzieller Unterstützung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) die Software HepaVision entwickelt. "HepaVision stellt das komplexe Zusammenspiel von Venen, Pfortader und Gallenwegen in der Leber mit bisher unbekannter Präzision dar", erläutert Dr. Stefan Kraß, Projektmanager bei MeVis. "Hierfür speisen wir Computertomografie-Schnittbilder der Leber in den Computer ein. Mithilfe der Software lassen sich die Bilder in dreidimensionale Abbildungen des Organs und seiner Gefäßstrukturen umrechnen." So wird für jedes einzelne Blutgefäß nachvollziehbar, welches Areal der Leber es versorgt. Dadurch weiß der Operateur, welche Gefäße an der Blutversorgung der Leberhälfte beteiligt sind, die der Spender behält und welche Gefäße transplantiert werden müssen. Der Chirurg kann mithilfe der Software die Operation am Computer simulieren. Er hat die Möglichkeit, virtuell verschiedene Operationswege zu testen, die entsprechenden Risiken vor der Operation zu bestimmen und sich für die optimale Schnittführung zu entscheiden. Von besonderer Bedeutung ist der Verlauf der Pfortader. Dieses wichtige Blutgefäß transportiert das mit Nährstoffen angereicherte Blut vom Darm in die Leber. Bei manchen Menschen verzweigt sich die Pfortader untypisch. Dann ist eine Leber-Lebendspende erschwert oder ausgeschlossen. International führende Leberchirurgen setzen HepaVision inzwischen routinemäßig vor jeder Lebendtransplantation ein. Kraß: "Der Einsatz der Software hat beispielsweise im japanischen Kyoto, wo weltweit die meisten Leber- Lebendspenden durchgeführt werden, dazu geführt, dass kein Fall mehr auftrat, in dem das Transplantat nicht ausreichend funktionierte."

Schnittführung bei Lebertumoren perfekt planen
Die Anwendungsgebiete für HepaVision gehen allerdings über die Lebertransplantation hinaus. Auch andere Operationen, zum Beispiel die Entfernung von Tumoren in dem Organ, lassen sich exakt planen. Der Chirurg weiß schon vor dem Eingriff, welche Blutgefäße im Operationsgebiet liegen und welche Folgen es hätte, diese Gefäße zu entfernen. Außerdem ist durch HepaVision die Größe von Lebertumoren sehr genau bestimmbar. Schon kleinste Volumenänderungen der Krebsherde lassen sich feststellen. So können Ärzte etwa den Erfolg einer Chemotherapie sehr früh beurteilen und die Behandlung gegebenenfalls umstellen.

Ansprechpartner:
Dr. Stefan Kraß
MeVis – Center for Medical
Diagnostic Systems and Visualization
Universitätsallee 29
28359 Bremen
Tel.: 0421 / 2 18-77 12
Fax: 0421 / 2 18-42 36
E-Mail: krass@mevis.de

 

Exakte Planung von Leber-Lebendspenden
Ein neues Computerprogramm senkt die Risiken einer Leber-Lebendspende. Die Software liefert dreidimensionale Bilder der Leber, die das Organ mit seinen Blutgefäßen sehr exakt darstellen. Der Chirurg kann mithilfe der Software virtuell verschiedene Operationswege zur Entnahme des Transplantats testen und sich für die optimale Schnittführung entscheiden. Die Abbildung zeigt den Teil der Leber, der zur Transplantation vorgesehen ist und die Haupt-Verzweigungen der Lebervenen in verschiedenen Farben. Durch die geplante Schnittführung würden einige Venen durchtrennt. Das Gebiet des Transplantats, aus dem das Blut über diese Venen abfließt, erscheint gelb. Weil dieses Areal seine Funktion verliert, darf es eine gewisse Größe nicht überschreiten.

CT-Daten: Prof. K. Tanaka,
University Hospital Kyoto, Japan