Eine Verengung der Halsschlagader ist gefährlich, denn sie versorgt das Gehirn mit Blut. Forschende am DZHK fanden heraus, dass sogenannte microRNA diese Ablagerungen stabilisieren kann. Das gefährliche Abbrechen der Ablagerungen könnte so verhindert werden.
Jährlich erleiden circa 265.000 Menschen in Deutschland einen Schlaganfall. Bei rund 30.000 Patientinnen und Patienten ist der Auslöser für den Schlaganfall eine Verengung oder ein Verschluss der inneren Halsschlagader. Bei der sogenannten Carotisstenose bilden sich an den Gefäßwänden Ablagerungen, auch Plaques genannt. Wenn eine Plaque aufbricht, können Blutgerinnsel entstehen, welche die ohnehin schon verengte Stelle weiter verschließen. Oder Blutklümpchen können fortgeschwemmt werden und an anderer Stelle zum Gefäßverschluss führen. Wie leicht eine Plaque reißt, hängt davon ab, wie dick die Gewebeschicht ist, die seinen Kern umgibt. Je dicker diese sogenannte fibröse Kappe ist, desto stabiler und damit ungefährlicher ist die Gefäßablagerung.
Plaques können einreißen
Beträgt die Verengung mehr als 50 Prozent oder haben die Betroffenen schon Symptome, die auf eine Durchblutungsstörung des Gehirns hinweisen, muss das Gefäß geweitet oder die Plaque entfernt werden. „Neue bildgebende Verfahren ermöglichen es, riskante Plaques immer präziser aufzuspüren. Die momentanen Therapien, um diese instabilen Plaques zu beseitigen und so einem Schlaganfall vorzubeugen, beinhalten jedoch ein gewisses Risiko, dass die Plaques während des Eingriffs einreißen“, erläutert Mägdefessel. Bei Personen mit einer verengten Halsschlagader, die bislang jedoch keine Beschwerden haben, werde diese Therapien deshalb nicht angewendet.
Das Molekül microRNA-210 bietet nun die Möglichkeit, bei dieser Patientengruppe solche potenziell gefährlichen Plaques zu entschärfen. Das Molekül stabilisiert die fibröse Kappe, sodass sie nicht so leicht einreißen kann. „Traditionell wird eher versucht, Ablagerungen in Gefäßen kleiner zu machen, um Engstellen zu weiten. Doch bei verengten Halsschlagadern setzt sich immer mehr der Gedanke durch, die Plaques zu stabilisieren“, erläutert der Forscher.
Winzige Regulatoren
Mägdefessel und sein Team haben Material von Patientinnen und Patienten mit stabilen und instabilen Ablagerungen in der Halsschlagader verglichen. Besonderes Augenmerk galt dabei den microRNAs. Diese Moleküle sind bei rund 60 Prozent der Gene von Säugetieren an der Genregulation beteiligt. Sie können verhindern, dass Geninformationen in Proteine übersetzt werden, und sind in den vergangenen Jahren als Wirkstoffe und Ansatzpunkte für neue Therapien in das Blickfeld der biomedizinischen Forschung gerückt.
Mägdefessel und sein Team fanden heraus, dass die microRNA-210 in Blutproben von Personen mit instabilen Plaques weniger vorkam als bei Personen mit stabilen Plaques. Dies deutet auf einen Schutz durch microRNA-210 hin. Die Blutproben wurden lokal in der Nähe der Gefäßablagerungen gewonnen. Die Forschenden fanden auch heraus, dass die microRNA-210 vor allem in den fibrösen Kappen der Plaques vorkommt. Dort hemmt sie das Ablesen des Gens APC, wodurch in der fibrösen Kappe weniger glatte Muskelzellen absterben und sie stabiler wird. Im Tiermodell konnte außerdem gezeigt werden, dass durch zusätzlich verabreichte microRNA-210 weniger Plaques einreißen.
Lokale Applikation entscheidend
Wenn microRNA-210 systemisch, also im ganzen Körper, wirkt, hat sie aber auch unerwünschte Nebenwirkungen: Das Molekül ist in der Lage, eventuell schon vorhandene Tumorzellen zu vermehren, weil es das Ablesen von APC hemmt. Und APC wiederum hat eine lebenswichtige Aufgabe: Es ist ein sogenanntes Tumorsuppressorgen und hält im gesunden Körper Tumorzellen in Schach. Deshalb suchen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler intensiv nach einer Methode, mit der sie microRNA-210 lokal, also nur an der betroffenen Engstelle im Gefäß, anwenden können.
Um die sogenannten Off-Target-Effekte zu vermeiden, testen die Forscherinnen und Forscher zurzeit bei Schweinen beschichtete Stents oder Ballons, die direkt in die Halsschlagader geschoben werden. Diese sollen dann an genau definierter Stelle den Wirkstoff freisetzen. „Bei diesem Schritt sind wir auch auf die Zusammenarbeit mit Firmen angewiesen, die zum Beispiel sanftere Ballons entwickeln, die weniger Reibung verursachen und den Eingriff damit sicherer machen“, erzählt Mägdefessel. „Nur so können unsere Ergebnisse als effektive Therapien beim Patienten ankommen.“ Denn mit den aktuell verfügbaren Ballons ist das Risiko, dass die Plaque aufbricht, noch zu hoch.
Im Deutschen Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung, kurz DZHK, bündeln 32 universitäre und außeruniversitäre Forschungseinrichtungen an sieben Standorten in ganz Deutschland ihre Kräfte, indem sie eine gemeinsame Forschungsstrategie verfolgen.
Das vom Bundesforschungsministerium initiierte und von diesem gemeinsam mit den zehn Sitzländern finanzierte DZHK bietet ihnen einen Rahmen, um Forschungsideen gemeinsam, besser und schneller als bisher umsetzen zu können. Wichtigstes Ziel des DZHK ist es, neue Forschungsergebnisse möglichst schnell für alle Patientinnen und Patienten verfügbar zu machen und Therapien sowie die Diagnostik und Prävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu verbessern. Neben dem DZHK gibt es fünf weitere Deutsche Zentren, welche die wichtigsten Volkskrankheiten erforschen. Weitere Informationen finden Sie im Internet unter www.dzhk.de.
Ansprechpartner:
Prof. Dr. Lars Mägdefessel
Klinikum rechts der Isar der
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