Nicht erst die Corona-Pandemie hat gezeigt: Für ein effizientes Gesundheitssystem sind epidemiologische Studien von zentraler Bedeutung. Über ein Berufsfeld, das heute mindestens so wichtig ist wie vor 20 Jahren.
In der dritten Ausgabe des Newsletters, die im August 2002 erschienen ist, wurde das Berufsfeld der Epidemiologie vorgestellt. Damals waren Epidemiologinnen und Epidemiologen in Deutschland noch rar gesät. Das hat sich in den vergangenen zwei Jahrzehnten deutlich geändert: Heute stehen sie angesichts der globalen Corona-Pandemie im Fokus der Gesellschaft.
Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) förderte damals bereits den Aufbaustudiengang zum „Master of Epidemiology“. Das war einwichtiger Schritt, um diese akademische Disziplin in der hiesigen Hochschullandschaft zu verankern. Es folgten weitere BMBF-Fördermaßnahmen, die die Epidemiologie und ihren Wert für die Wissenschaft förderten. Heute wissen wir: Die Epidemiologie trägt wesentlich dazu bei, gesellschaftlich relevante Fragen zu beantworten – nicht nur in Pandemiezeiten.
Von Seuchenbekämpfung bis Diabetes mellitus
Längst richtet die Epidemiologie ihren Blick weit über ihr traditionelles Fachgebiet, die Seuchenbekämpfung, hinaus und befasst sich sowohl mit Infektionskrankheiten als auch mit nicht übertragbaren chronischen Erkrankungen wie zum Beispiel Osteoporose oder Diabetes mellitus. Auch bei den großen Volkskrankheiten wie Herz-Kreislauf- und Krebserkrankungen werden epidemiologische Studien genutzt, um Behandlungsstrategien und Maßnahmen zur Gesundheitsförderung zu entwickeln.
Ähnlich ist es bei psychischen Erkrankungen. Im Interview beschreibt die habilitierte Verhaltenstherapeutin Katja Beesdo-Baum, wie sie zur Epidemiologie gekommen ist und warum dieser Forschungsbereich sie bis heute fasziniert. Beesdo-Baum wurde 2014 im Rahmen des BMBF-Förderprogramms „Gesundheitsbezogene epidemiologische Forschung an Hochschulen“ als Professorin auf den neu eingerichteten Lehrstuhl für Behaviorale Epidemiologie an der Technischen Universität Dresden berufen.
Frau Professorin Beesdo-Baum, Sie haben ihre wissenschaftliche Karriere als Diplom-Psychologin und Psychotherapeutin gestartet – was hat Sie an der Epidemiologie besonders gereizt?
Die Epidemiologie ist die Disziplin, die die Relevanz von Erkrankungen – ihre Häufigkeit, das Ausmaß der Einschränkungen in der Lebensqualität, ihre langfristigen individuellen und gesellschaftlichen Kosten – analysieren und demonstrieren kann. Besonders für psychische Erkrankungen und Verhaltensstörungen sind solche Daten zur Enttabuisierung sowie Ressourcenplanung nützlich. Vor allem reizt es mich jedoch, die komplexen Entstehungsfaktoren psychischer Störungen aufzuklären sowie besser zu verstehen, was Menschen psychisch gesund hält. Dies ist zwingend notwendig, um bessere Strategien in der Früherkennung und Prävention zu entwickeln.
Epidemiologische Forschung
Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) hat die epidemiologische Forschung mit einer vielfältigen Strategie gefördert – 2001 mit der Unterstützung eines Aufbaustudiengangs Epidemiologie und 2010 mit einem Förderaufruf zum Auf- und Ausbau der epidemiologischen Forschung und Lehre an medizinischen und gesundheitswissenschaftlichen Fakultäten. Zahlreiche Nachwuchskräfte haben von dieser Förderung profitiert.
Was war Ihr erstes Forschungsprojekt und woran forschen Sie heute?
Ich habe bereits während des Studiums meine Begeisterung für die Epidemiologie entdeckt, als ich in einer epidemiologischen Studie zur psychischen Gesundheit bei jungen Frauen als Interviewerin tätig war. Sowohl für meine Dissertation zur Entstehung der generalisierten Angststörung als auch für meine Habilitation konnte ich Daten einer epidemiologischen Längsschnittstudie nutzen. Mein erstes eigenes Forschungsprojekt war ebenfalls epidemiologisch angelegt – wir untersuchten die Häufigkeit von depressiven Störungen bei Patientinnen und Patienten in Hausarztpraxen und wie sie erkannt und behandelt wurden. Heute liegen meine Schwerpunkte weiterhin in der deskriptiv-analytischen Epidemiologie, aber auch in der Interventionsforschung. Derzeit schließen wir die Feldphase einer Längsschnittstudie zur Entwicklung von psychischen und Verhaltensstörungen bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen ab und prüfen im Rahmen verschiedener Präventionsstudien mit Kindern und Erwachsenen, inwiefern Früherkennung und gezielte verhaltenstherapeutische Interventionen langfristig zur Verbesserung der psychischen Gesundheit beitragen.
Ein Berufsfeld mit Zukunft: Epidemiologie
In der dritten Ausgabe des Newsletters (August 2002) wurde das Berufsfeld der Epidemiologie vorgestellt. Damals förderte das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) den Aufbaustudiengang „Master of Science“– Epidemiologie (MSE). Das war ein wichtiger Schritt, um diese akademische Disziplin in der deutschen Hochschullandschaft zu verankern. Es folgten weitere BMBF-Fördermaßnahmen, die die Epidemiologie und ihren Wert für die Wissenschaft gestärkt haben.
Welche Erkenntnisse und Erfahrungen aus Ihrer früheren Forschungstätigkeit nutzen Ihnen heute bei Ihrer Arbeit als Professorin am Lehrstuhl für Behaviorale Epidemiologie an der TU Dresden?
Ich möchte keine dieser Erfahrungen missen. Aber insbesondere die praktischen Erfahrungen aus früheren Forschungsprojekten sind heute sehr nützlich, sowohl in der Lehre als auch in der täglichen Arbeit an laufenden Forschungsprojekten. Besonders in Großprojekten müssen immer wieder erfahrene und flexible Teams die bestmöglichen Lösungsoptionen entwickeln und diese oftmals unter Zeitdruck und mit begrenzten Ressourcen erfolgreich umsetzen.
Welchen Stellenwert hat die epidemiologische Forschung in der deutschen akademischen Landschaft von heute?
Als Querschnittsfach ist die Epidemiologie für verschiedenste medizinische Fachrichtungen, aber auch die Psychologie relevant. Grundlagen der Epidemiologie sind aber in der Psychologie eher selten fester Bestandteil des Curriculums. Mit der aktuellen Corona-Pandemie ist die Relevanz der epidemiologischen Forschung weltweit ins Zentrum der Aufmerksamkeit gerückt – bleibt zu hoffen, dass die epidemiologische Erforschung nicht nur der übertragbaren, sondern auch der nicht übertragbaren Krankheiten dadurch dauerhaft gestärkt wird.
Vielen Dank für das Gespräch!
Kleine Erreger - große Gefahr
Durch Viren ausgelöste Epidemien innerhalb eines begrenzten Gebietes und globale Pandemien begleiten die Menschheit seit ihren Anfängen. Das neuartige Coronavirus SARS-CoV-2, das Ende 2019 erstmals bei Menschen festgestellt wurde und die Krankheit Covid-19 auslöst, ist das aktuellste Beispiel einer Pandemie: Es breitet sich weltweit nach wie vor rasant aus, bis November 2020 wurden rund 60 Millionen Ansteckungen weltweit und mehr als 1,4 Millionen Todesfälle im Zusammenhang mit dem Coronavirus registriert. Ein anderer Vertreter dieser Virusfamilie löste 2003 das schwere akute Atemwegssyndrom aus, kurz SARS. Die Ausbreitung von SARS konnte aber im selben Jahr erfolgreich eingedämmt werden.
2014/2015 hielt der große Ebola-Ausbruch in Westafrika die Welt in Atem: Das Ebola-Virus verursacht hohes Fieber und starke innere Blutungen. Ebolafieber ist bisher ausschließlich in Afrika südlich der Sahara aufgetreten. Während der Ebola-Epidemie in Westafrika wurden aber auch einzelne Fälle in den USA und Europa bekannt. Allerdings breitete sich das Virus hier nicht weiter aus. Aus der Demokratischen Republik Kongo werden aber immer wieder neue Ebola-Ausbrüche gemeldet – zuletzt im Sommer 2020.
Neben diesen besonderen Epidemien sind es immer wieder Grippe- oder Influenzaviren, die auf dem gesamten Globus zirkulieren. Ursprünglich stammen sie wie die Coronaviren aus dem Tierreich. Der Erreger der Schweinegrippe, die 2009 und 2010 in den Schlagzeilen war, stammt – wie der Name schon sagt – ursprünglich aus Schweinen. Auch die Vogelgrippe wird durch ein Influenzavirus hervorgerufen – H5N1. Dieses Virus kann aber nur vom Tier auf den Menschen und nicht von Mensch zu Mensch übertragen werden. Bis heute sind beide Viren nicht verschwunden.
Weil Influenzaviren ihr Erbgut ständig verändern, müssen auch immer wieder neue Impfstoffe entwickelt werden. Trotz enormer Fortschritte auf diesem Gebiet sterben Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zufolge jedes Jahr bis zu 500.000 Menschen an Influenza.
Das BMBF fördert die Erforschung von Coronaviren seit mehr als zwölf Jahren mit bislang rund 8,5 Millionen Euro. Im Zuge der Pandemie hat es im Jahr 2020 die Grundlagen- und Medikamentenforschung zu Covid-19 mit weiteren 45 Millionen Euro unterstützt. Um die Impfstoffforschung gegen SARS-CoV-2 international voranzutreiben, stellt es der Impfstoff-Initiative CEPI in diesem Jahr zusätzlich 230 Millionen Euro zur Verfügung. Zudem setzt es ein Sonderprogramm zur Impfstoffentwicklung und -produktion in Deutschland mit einem Fördervolumen von 750 Millionen Euro erfolgreich um. Weitere 150 Millionen Euro fließen in den Aufbau eines nationalen Netzwerkes der Universitätsmedizin zum Kampf gegen Covid-19.
Eine Übersicht finden Sie auf der Internetseite des BMBF:
www.gesundheitsforschung-bmbf.de/de/coronaviren-im-fokus-die-forschungsforderungdes-bmbf-11150.php