Januar 2017

| Newsletter 81

Erfolge mit Herzgewebe aus dem Labor

Im Labor gezüchtete Herzmuskelstreifen wachsen auf kranken Herzen von Meerschweinchen an und verbessern deren Herz. Kardiologen träumen davon, künftig auch beim Menschen abgestorbene Herzzellen durch künstliche ersetzen zu können.

DZHK-Logo

Jährlich erleiden 220.000 Menschen in Deutschland einen Herzinfarkt. Die Zahl der Todesfälle ist aufgrund der verbesserten Notfallversorgung rückläufig (Quelle: Deutscher Herzbericht 2015). Überlebende haben jedoch meist schwer mit den Folgen zu kämpfen: Bei einem Infarkt verschließen sich Arterien, die sogenannten Herzkranzgefäße, welche den Herzmuskel mit Blut versorgen. Die Herzzellen erhalten dadurch nicht mehr genug Sauerstoff und sterben ab. Wenn der Betroffene den Herzinfarkt überlebt, bildet sich in seinem Herzen eine Narbe, und es kann zu Wucherungen von Bindegewebe kommen. Das geschädigte Herzmuskelgewebe trägt dann nicht mehr zur Leistung des Herzens bei – eine Herzschwäche ist die Folge. Zebrafische und einige Amphibienarten können abgestorbenes Herzgewebe nachbilden; Säugetiere und der Mensch können das nicht. Kardiologen träumen deshalb davon, abgestorbene menschliche Herzzellen durch künstliche zu ersetzen.

Ein Forscherteam um Prof. Thomas Eschenhagen vom Deutschen Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung (DZHK) und vom Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf konnte nun einen beachtlichen Erfolg auf diesem hart umkämpften Forschungsgebiet erzielen. Es gelang den Forschenden, im Labor gezüchtetes menschliches Herzgewebe auf kranke Herzen von Meerschweinchen zu transplantieren. Meerschweinchen verwendeten sie, weil deren Herzen von allen Kleintierherzen dem menschlichen am nächsten kommen. Das Gewebe wuchs an, und die Herzleistung der Tiere verbesserte sich um bis zu 30 Prozent.

Umprogrammierte Körperzellen werden zu Herzzellen

DZHK-Forscher vom Standort Hamburg/Kiel/Lübeck züchten im Labor Herzgewebe aus umprogrammierten menschlichen Körperzellen. Es soll einmal abgestorbenes Herzgewebe ersetzen, um Herzschwäche zu heilen.

DZHK-Forscher vom Standort Hamburg/Kiel /Lübeck züchten im Labor Herzgewebe aus umprogrammierten menschlichen Körperzellen.
Es soll einmal abgestorbenes Herzgewebe ersetzen, um Herzschwäche zu heilen.

DZHK

Einer der Erstautoren der Studie, Dr. Florian Weinberger (weitere Erstautoren: Dr. Kaja Breckwoldt, Dr. Simon Pecha), erläutert, was die Arbeiten der Gruppe von anderen Ansätzen unterscheidet: „Wir verwenden induzierte pluripotente Stammzellen, das sind umprogrammierte menschliche Körperzellen, aus denen jede Art von Gewebe gezüchtet werden kann. Im Gegensatz dazu arbeiten Gruppen außerhalb von Europa häufig mit embryonalen Stammzellen. In Europa dürfen diese Zellen jedoch nicht zur Transplantation am Menschen eingesetzt werden.“

Und noch einen entscheidenden Unterschied gibt es: Die Forschenden haben aus den Herzzellen im Labor dreidimensionale Streifen gezüchtet, die wie ein Flicken auf das Herz genäht werden. Andere Gruppen hingegen spritzen Zellsuspensionen direkt in den Herzmuskel. Die Vor- und Nachteile der beiden Ansätze beschreibt Weinberger so: „Der Großteil der gespritzten Zellen wird aus dem Herzen wieder ausgewaschen bzw. überlebt die Injektion nicht. Das ist ineffizient und kann auch gefährlich sein, wenn nämlich einzelne Zellen noch nicht zu Herzmuskelzellen ausgereift, also noch pluripotent sind. Sie könnten in den Körper gelangen und Tumoren bilden.“ Dafür lasse sich die Methode aber sehr einfach per Katheter durchführen. Der Vorteil von dreidimensionalem Gewebe wie in der vorliegenden Studie sei, dass man viel weniger von den sehr teuren Zellen bräuchte. Und dass sie ausgewaschen werden, komme vermutlich seltener vor, so der Mediziner.

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler machten auch Kontrollversuche mit anderen Gewebestreifen, wofür sie Endothelzellen verwendeten. Endothelzellen kleiden in einer dünnen Schicht das Innere der Blutgefäße aus. Mit diesem Versuch wollten die Forschenden ausschließen, dass bereits die Stabilisierung des Herzmuskels durch beliebiges Gewebe zur Erhöhung der Leistung führte. Das war jedoch nicht der Fall, die Herzleistung dieser Tiere verbesserte sich nicht. Damit keine subjektiven Einschätzungen in die Ergebnisse einfließen konnten, führten die Forschenden die Versuche verblindet durch, das heißt, sie wussten selbst nicht, welche Tiere das Herzgewebe und welche anderes Gewebe bekommen hatten.

Original- und Ersatzzellen schlagen (meist) im Takt

Zebrafische

Im Gegensatz zum Menschen können Zebrafische abgestorbenes Herzgewebe regenerieren.

DZHK

Die zuckenden Streifen aus dem Labor haben ihren eigenen Rhythmus, und nur wenn sie am Ende mit dem Originalherz im Takt schlagen, erreichen sie die volle Leistungsfähigkeit. Wichtig für die Eignung des Ersatzgewebes ist daher die sogenannte elektrophysiologische Kopplung. „Um diese zu erreichen, haben wir das Gewebe ober- und unterhalb der Narbe auf gesundes Gewebe genäht“, sagt Weinberger. Diese Kopplung konnten sie bei einigen Tieren beobachten. Ob sie auch bei den anderen Tieren erfolgt war und vielleicht nur von ihrer Messmethode nicht erfasst werden konnte, wissen sie noch nicht.

Die nächsten Schritte bis zur Anwendung am Menschen

Um die Methode einmal beim Menschen anwenden zu können, sind noch einige Schritte nötig. Aus Sicherheitsgründen müssen die Forscherinnen und Forscher genau untersuchen, ob und wie viele Zellen ausgewaschen werden. Außerdem wollen sie Dosisuntersuchungen machen, um herauszufinden, ob sie für den gleichen Effekt vielleicht die Menge an Zellen reduzieren können. Auch der Zeitpunkt der Therapie kann eine Rolle spielen. „Wir wissen noch nicht, ob es Unterschiede gibt, wenn das Gewebe kurz nach der Schädigung transplantiert wird oder wenn der Schaden im Herzen schon chronisch ist“, so Weinberger. Und schließlich müssten die Versuche bei größeren Tieren wie Schweinen wiederholt werden, deren Herz-Kreislauf-System dem von Menschen noch viel ähnlicher sei. Für diese Schritte hin zur klinischen Anwendung stellt das DZHK noch einmal eine größere Summe an Forschungsgeldern bereit.

Ansprechpartner: 
Dr. med. Florian Weinberger
Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf
Institut für Experimentelle Pharmakologie
und Toxikologie
Martinistraße 52
20246 Hamburg
f.weinberger@uke.de