Hohe Cholesterinwerte steigern das Herzinfarktrisiko. Dieser Zusammenhang ist bislang bei älteren Menschen bekannt. Hamburger Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zeigen nun, dass dies auch für jüngere Personen gilt.
Wer schon in jungen Jahren einen erhöhten Cholesterinspiegel hat, ist im Alter gefährdeter einen Herzinfarkt zu bekommen. Der non-HDL-Wert im Blut ist ein besonders guter Marker für spätere kardiovaskuläre Ereignisse. Zu diesem Ergebnis kamen Forschende der Klinik und Poliklinik für Kardiologie des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE), einer Partnereinrichtung des Deutschen Zentrums für Herz-Kreislauf-Forschung (DZHK). Die Kardiologen um Professor Dr. Stefan Blankenberg, Ärztlicher Leiter des Universitären Herz- und Gefäßzentrums des UKE, haben ein Modell entwickelt, mit dem sich das cholesterinabhängige Risiko für einen Herzinfarkt bis zum Alter von 75 Jahren berechnen lässt.
Das neue Risikomodell der Medizinerinnen und Mediziner zeigt im Langzeitverlauf, dass schon ein leicht erhöhter non-HDL-Wert bei einer 40-jährigen Frau zu einem 1,8-fach erhöhten Infarktrisiko in ihrem späteren Leben führt. Bei einem Mann gleichen Alters erhöht sich das Risiko sogar um das Zweifache gegenüber Personen mit nicht erhöhten Cholesterinwerten. Kommen weitere Faktoren wie Diabetes oder Rauchen hinzu, liegt die Wahrscheinlichkeit, bei demselben Cholesterinwert im Laufe des Lebens einen Herzinfarkt oder Schlaganfall zu erleiden, bei bis zu 29 Prozent.
„Der ungünstige Effekt der schädlichen Blutfette auf die Gefäße scheint sich mit steigendem Lebensalter zu addieren, sodass auch geringe Grenzwertüberschreitungen, gerade bei jüngeren Menschen, über die Jahre negative Auswirkungen haben können“, erklärt Dr. Fabian Brunner, Klinik und Poliklinik für Kardiologie und einer der Autoren der Studie.
Lebenszeitrisiko bei geringfügiger Cholesterinerhöhung berücksichtigen
Bisher wurde das Herzinfarktrisiko bei Personen mit erhöhten Blutfettwerten nur für die nächsten zehn Jahre errechnet. Dabei ergab sich gerade bei jüngeren Menschen häufig kein signifikant erhöhtes Risiko. Basierend auf der durchgeführten Studie lässt sich nun das Lebenszeitrisiko vorhersagen.
Mit dem neu entwickelten Modell haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auch das hypothetische Risiko für dieselben Personen mit einem um 30 bzw. um 50 Prozent gesenkten non-HDL-Wert errechnet – dies verringert das Infarktrisiko erheblich. Im Fall eines 40-jährigen Mannes ohne weitere Risikofaktoren von 19 auf nur noch gut vier Prozent.
Das Modell kann künftig Patientinnen und Patienten sowie Ärztinnen und Ärzte bei der Entscheidung unterstützen, ob cholesterinsenkende Maßnahmen wie beispielsweise die Einnahme bestimmter Medikamente sinnvoll sind. Gemäß Dr. Christoph Waldeyer, Klinik und Poliklinik für Kardiologie und ebenfalls Autor der Studie, unterschätzen die bisher verwendeten Risikorechner das relevante Lebenszeitrisiko junger Patientinnen und Patienten. Denn Behandlungsstudien zur Cholesterinsenkung in der Primärprävention geben bisher lediglich einen Anhalt über wenige Jahre, obwohl die Anwendung vorbeugender Maßnahmen eine lebenslange Herausforderung darstellt. „Unser Modell schließt hier eine Wissenslücke und ermöglicht eine Veranschaulichung des individuellen Langzeitrisikos sowie des potenziellen Langzeitnutzens einer Cholesterinsenkung“, so Waldeyer.
Daten von 38 verschiedenen Studien aus 19 Ländern
Grundlage der über drei Jahre andauernden Datenanalysen ist ein harmonisiertes Modell, das neben weiteren europäischen Ländern auch Daten aus den USA und Australien berücksichtigt. „Das Besondere an der zu diesem Thema bisher größten populationsbasierten Studie ist, dass auf Rohdaten – nicht auf bereits veröffentlichte Ergebnisse – von unterschiedlichen Datenbasen weltweit zurückgegriffen wurde“, betont Blankenberg. Die Forschenden hatten Zugriff auf die Daten von rund 400.000 Teilnehmende aus 38 prospektiven populationsbasierten Studien aus 19 Ländern. Dadurch konnten sie die Entwicklung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen in Bezug auf die gemessenen Cholesterinwerte bei den Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Studien über einen Verlauf von bis zu 43 Jahren in Verbindung setzen. „Dies ermöglicht eine sehr gute therapeutische Entscheidungshilfe in der Kommunikation mit Patientinnen und Patienten über die Prävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen“, betont Blankenberg.
Deutsches Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung (DZHK)
Im Deutschen Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung, kurz DZHK, bündeln 28 universitäre und außeruniversitäre Forschungseinrichtungen an sieben Standorten in ganz Deutschland ihre Kräfte, indem sie eine gemeinsame Forschungsstrategie verfolgen. Das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderte DZHK bietet ihnen den Rahmen, um Forschungsideen gemeinsam, besser und schneller als bisher umsetzen zu können. Wichtigstes Ziel des DZHK ist es, neue Forschungsergebnisse möglichst schnell für alle Patientinnen und Patienten verfügbar zu machen und Therapien sowie die Diagnostik und Prävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu verbessern.
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Prof. Dr. Stefan Blankenberg
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