Müde, ausgelaugt und antriebslos – so fühlt sich rund die Hälfte aller Tumorpatienten während oder nach ihrer Erkrankung. Fatigue heißt diese besondere Form der Erschöpfung bei Krebs. Sie belastet viele Patienten auch noch Jahre nach Abschluss einer Tumortherapie. Wissenschaftler aus Freiburg fordern, die Fatigue in der Nachsorge von Krebspatienten stärker zu berücksichtigen.
Jeder ist mal erschöpft und müde, zum Beispiel nach getaner Arbeit oder nach dem Sport. Doch abgesehen davon, dass dieses Gefühl dann häufig als angenehm empfunden wird, kann man sich davon meistens schnell wieder erholen. Genau das ist bei Fatigue, der quälenden Erschöpfung, unter der viele Krebspatienten leiden, nicht möglich. „Fatigue zählt zu den häufigsten Folgestörungen bei Krebs und beeinträchtigt die Lebensqualität der Betroffenen nachhaltig”, sagt Weis. „Sie sollte in der Rehabilitation von Tumorpatienten unbedingt stärker berücksichtigt werden.” Doch um geeignete Behandlungsstrategien zu entwickeln, müssten die Wissenschaftler mehr über den Verlauf und die Ursachen der zermürbenden Müdigkeit wissen. Weis untersuchte bei über 1.200 Krebspatienten, wie häufig dieses Symptom überhaupt auftritt, wie stark es ausgeprägt ist und welche Rolle körperliche und psychische Faktoren spielen. Dabei konzentrierte er sich auf Patienten mit Darm- und Brustkrebs, die häufig unter Fatigue leiden und zusammen die zahlenmäßig größte Gruppe in der stationären Rehabilitation von Krebspatienten darstellen.
Auch nach Monaten noch immer erschöpft
Unmittelbar nach der Tumortherapie tritt Fatigue bei 70 bis 90 Prozent aller Krebspatienten auf. „Nur zum Teil können hierfür körperliche Ursachen wie Blutarmut oder Stoffwechselstörungen ausfindig gemacht werden, die sich mit Medikamenten behandeln lassen”, erklärt Weis. Mit zunehmendem Abstand zur Tumortherapie nimmt die Fatigue-Problematik zwar deutlich ab. Doch immerhin 35 Prozent der von Weis untersuchten Patienten klagten auch zwölf Monate nach Behandlungsende über eine starke Erschöpfung, wobei sich keine Unterschiede zwischen den Patienten mit Darm- und Brustkrebs zeigten. 12,8 Prozent der Krebskranken gaben sogar an, ihre Müdigkeit habe weiter zugenommen. Der Grad der Erschöpfung war dabei unabhängig davon, welche Art der vorsorglichen Behandlung – Strahlen, Chemo, Hormon oder Immuntherapie – die Patienten in den vergangenen Monaten erhalten hatten. „Unsere Ergebnisse verdeutlichen, dass die Fatigue nicht nur ein akutes Problem ist, sondern unabhängig von der Art der Therapie weiter bestehen oder manchmal sogar erst später auftreten kann”, erläutert Weis.
Außerdem beobachtete er bei den untersuchten Patienten sechs und zwölf Monate nach Abschluss der Tumorbehandlung verstärkt Angstzustände und Konzentrationsschwierigkeiten. Depressive Symptome konnte er hingegen nicht häufiger feststellen als in der gesunden Normalbevölkerung. Besonders überrascht war Weis über den hohen Anteil an Fatigue-Betroffenen unter den Langzeitüberlebenden. Fünf Jahre nach der Diagnose Krebs berichteten immer noch rund 15 Prozent der Patienten über eine Verschlechterung der Fatigue-Problematik und weitere 25 Prozent gaben an, dass sich ihr Erschöpfungszustand nicht gebessert hat.
Neue Therapiekonzepte entwickeln
Auf Basis ihrer Studienergebnisse empfehlen die Forscher, die Fatigue in der Rehabilitation für Krebspatienten stärker zu berücksichtigen. „Wir wollen die Aufmerksamkeit der behandelnden Ärzte für die Fatigue-Problematik in der Nachsorge schärfen”, erklärt Weis. „Denn wenn sich keine körperlichen Ursachen mehr feststellen lassen, also zum Beispiel die Blutwerte und der Hormonstatus wieder normal sind, bleibt die Erschöpfung der Patienten häufig unbehandelt.” Deshalb will Weis gezielte Programme und alltagsnahe Strategien für die Therapie der Fatigue in der Krebsnachsorge ausarbeiten, wozu neben psychoedukativen Konzepten auch Trainingsprogramme für die körperliche und geistige Fitness gehören. Handlungsbedarf sieht der Wissenschaftler dabei sowohl bei der stationären als auch bei der ambulanten Versorgung: „Die Fatigue erfordert eine gezielte Beratung der Patienten durch erfahrene Ärzte und Psychologen, insbesondere auch für die Langzeitüberlebenden.”
Ansprechpartner:
Prof. Dr. Joachim Weis
Klinik für Tumorbiologie an
der Universität Freiburg
Abteilung Psychoonkologie
Breisacher Straße 117
79106 Freiburg
Tel.: 0761 2062218
Fax: 0761 2062258
EMail: weis@tumorbio.unifreiburg.de