Fast jedes zweite Kind hat Kopfschmerzen

Auch Kinder bleiben nicht verschont. Schlimmer noch: "Die Zahl der Jungen und Mädchen, die unter Kopfschmerzen leiden, nimmt drastisch zu", sagt Diplompsychologin Marion Heinrich von der Universität Göttingen. Ihre Kollegin Lisette Morris ergänzt: "In Untersuchungen aus den 70er Jahren war nur etwa jedes siebte Kind betroffen. Inzwischen ist es fast jedes zweite." Die beiden Forscherinnen beschäftigen sich intensiv mit Kopfschmerzen bei Kindern und werden dabei vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) finanziell gefördert. Gemeinsam haben sie in Göttingen eine Pilotstudie durchgeführt: 43 Prozent der Jungen und Mädchen litten im letzten halben Jahr mindestens einmal unter Kopfschmerzen. Über die Hälfte dieser Kinder war aufgrund der Beschwerden nicht voll leistungsfähig; gut 14 Prozent von ihnen fehlten wegen der Kopfschmerzen an einem oder mehreren Tagen in der Schule. Die Untersuchung gibt Hinweise auf Risikofaktoren: Kinder, die in den letzten fünf Jahren kritische Lebensphasen durchliefen, zum Beispiel die Scheidung der Eltern, erkrankten häufiger. Außerdem waren Kinder mit Kopfschmerzen im Schnitt ängstlicher und konnten Stress weniger gut bewältigen als ihre Altersgenossen. Die Pilotstudie ist der Anfang eines viel umfassenderen Projektes: Ende 2003 verschickten die Göttinger Kopfschmerzforscher Fragebögen an 8.800 Familien mit Kindern in Südniedersachsen und Hannover. 61 Prozent der Fragebögen sind inzwischen ausgefüllt wieder in Göttingen eingetroffen. Die neuen Daten werden noch genauer als die Pilotstudie Auskunft darüber geben, wie verbreitet Kopfschmerzen bei deutschen Kindern sind und wodurch sie verursacht werden. Heinrich: "Im deutschsprachigen Raum gibt es keine vergleichbare Studie. Die Frage, welche Faktoren das Kopfschmerzrisiko bei Kindern erhöhen, wurde bisher selten über eine längere Zeitspanne hinweg untersucht. Unsere Studie ist deshalb auch international bedeutsam."
 

Ansprechpartner:
Diplompsychologin Marion Heinrich
Universität Göttingen
Georg-Elias-Müller-Institut für Psychologie
Goßlerstraße 14
Tel.: 0551 / 39 35 66
Fax: 0551 / 39 35 44
E-Mail: mheinri@uni-goettingen.de

Kopfschmerzen bei Kindern: Was steckt dahinter?
Kopfschmerzen haben viele verschiedene Ursachen. Die genauen Abläufe sind komplex und noch nicht vollständig geklärt. Wichtige psychologische Auslöser für Kopfschmerzen bei Kindern sind Stress, Sorgen, Schulbelastung und Schlafmangel. Am häufigsten kommen Spannungskopfschmerzen und Migräne vor. Weil diesen beiden Kopfschmerzformen keine andere Erkrankung zugrunde liegt, werden sie als primäre Kopfschmerzen bezeichnet. Spannungskopfschmerzen entstehen wahrscheinlich durch Fehlsteuerungen der für Schmerzreize verantwortlichen Nervenbahnen. Muskelverspannungen sind nur bei einem Teil der Betroffenen für die Beschwerden verantwortlich. Als Ursache der Migräne gilt eine Überempfindlichkeit bestimmter Hirnregionen. Sie führt während der Migräneattacke zu einer vorübergehenden Entzündungsreaktion an den Wänden der Blutgefäße des Gehirns. Sekundäre Kopfschmerzen treten als Folge anderer Erkrankungen auf, zum Beispiel bei einem Hirntumor, einer Hirnblutung, einer Hirnhautentzündung, einer Nasen-Nebenhöhlen-Entzündung oder einer Schädel-Hirn-Verletzung. Auch bestimmte Medikamente und Giftstoffe können sekundäre Kopfschmerzen verursachen.