Maschinenbau-Ingenieurin Sarah Dopfer entwickelt Geräte für die Notfallmedizin. Gekoppelt an Softwaretools könnten diese schnellere Diagnosen schon im Rettungswagen ermöglichen. Als Rettungssanitäterin macht die Forscherin regelmäßig den Praxistest.
Ihr Lebenslauf gleicht einem Puzzle. Jedes Stück passt perfekt ins andere und am Ende fügt sich alles zusammen zu einem stimmigen Bild. Dabei folgt Sarah Dopfer stets einem Leitmotiv: Sie hilft Menschen, die in Lebensgefahr sind – zunächst ehrenamtlich und nun auch in ihrem Beruf. Seit ihrer Jugend ist die 29-Jährige als Rettungssanitäterin und -taucherin im Einsatz. Zugleich gibt sie Erste-Hilfe-Kurse und bildet andere Rettungshelfer aus. Für Dopfer war es daher nur folgerichtig, sich während ihres Maschinenbau-Studiums auf die Entwicklung von Geräten für die Notfallmedizin zu spezialisieren. „Es ist die Kombination aus Technik und Medizin, die mich fasziniert“, sagt sie.
Für ihre Bachelorarbeit bewarb sich die Ingenieurin bei der Firma corpuls im bayerischen Kaufering, deren Geräte sie bereits von ihrer Arbeit im Krankenwagen kannte. „Es war dann auch ein glücklicher Zufall, dass der Firmensitz nicht einmal eine halbe Stunde von meinem Zuhause entfernt liegt“, so Dopfer. Inzwischen arbeitet sie seit sieben Jahren für das Unternehmen. Nebenbei absolvierte sie noch ihren Master in technischem Innovations- und Produktmanagement. Seit 2020 leitet sie die Abteilung für medizinische Forschung und Clinical Affairs. Hier kann Dopfer nun ihre beiden Leidenschaften ideal miteinander verbinden. „Ich habe die erste Studie bei corpuls initiiert“, sagt sie. „Darauf bin ich schon stolz.“
Softwaretools für schnellere Diagnosen
Ein Schwerpunkt ihrer Forschungsarbeit ist die Optimierung von Defibrillatoren. Diese kommen zum Einsatz, wenn das Herz einer Patientin oder eines Patienten plötzlich viel zu schnell schlägt. Das Gerät gibt dann gezielte Stromstöße ans Herz ab, die die Rhythmusstörung beenden. Zudem zeichnet der Defibrillator während des gesamten Rettungseinsatzes die Herzaktivitäten der Patientinnen und Patienten auf. Ein wertvoller Fundus, den Dopfer und ihr Team für die Entwicklung neuer Software-tools nutzen wollen. Diese sollen künftig die Diagnose und Behandlung von Herzerkrankungen bereits im Krankenwagen deutlich verbessern. Hierfür arbeitet die Ingenieurin mit Expertinnen und Experten vom Deutschen Herzzentrum München und der Universität Augsburg zusammen. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler werden dabei vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) unterstützt.
Ziel des Projekts „LIFEDATA“ ist es, KI-Modelle mithilfe der umfangreichen Datenmengen aus vergangenen Notfalleinsätzen sowie kardiologischem Hintergrundwissen so zu trainieren, dass sie lernen, normale von auffälligen Werten zu unterscheiden. Künftig könnte das so aussehen, dass technische Geräte wie Defibrillatoren mit Softwaretools gekoppelt sind, die die Herzdaten der Betroffenen bereits im Notfallwagen analysieren. So könnten Komplikationen schon frühzeitig erkannt werden – noch bevor die Patientinnen und Patienten im Krankenhaus eintreffen. Zwar sei es schon jetzt möglich, sich vom Einsatz aus mit einer Fachärztin oder einem -arzt verbinden zu lassen, so Dopfer. Doch diese müssten dann auch genau dann in der Klinik verfügbar sein. „Eine schnelle und verlässliche Diagnose ist gerade hier entscheidend, da unter Umständen jede Minute zählt“, betont Dopfer. „Mithilfe der Künstlichen Intelligenz könnten wir in Zukunft wertvolle Zeit gewinnen, in dem wir uns quasi das gesammelte Wissen vieler Kardiologen in den Rettungswagen holen.“
Begeisterung für Technik
Ein weiteres Thema beschäftigt die Maschinenbau-Ingenieurin schon länger. Bislang sind die meisten Geräte zur Reanimation von Patientinnen und Patienten nur unzureichend auf Kinder eingestellt. Deren Brustkorb ist nicht so belastbar; Einsatzkräfte müssen daher bei der Herzdruckmassage viel vorsichtiger sein. In ihrer Bachelorarbeit konnte Dopfer nachweisen, dass ein bestimmtes Gerät zumindest für Kinder ab acht Jahren geeignet ist. Nun arbeiten sie und ihr Team daran, die Geräte auch für die Behandlung kleinerer Patientinnen und Patienten fit zu machen. „Dieses Forschungsfeld liegt mir persönlich sehr am Herzen“, sagt Dopfer. Denn bislang sei die Erfolgsquote bei der Wiederbelebung von Kindern immer noch geringer als bei Erwachsenen.
Dass sie trotz ihres Engagements im Rettungsdienst keine medizinische Laufbahn eingeschlagen hat, begründet sie mit ihrer Begeisterung für Technik. Mathematik und Physik waren Dopfers Lieblingsfächer in der Schule. „In einem reinen Mathestudium hätte mir jedoch der Praxisbezug gefehlt“, sagt sie. Dabei habe sie zunächst großen Respekt vor dem Maschinenbau-Studium gehabt. „Typisch Frau eben“, meint sie. Das erlebe sie auch immer wieder in Bewerbungsgesprächen: „Die weiblichen Bewerber sind deutlich selbstkritischer.“ Die junge Ingenieurin möchte anderen Frauen daher Mut machen, sich in eine Männerdomäne wie den Maschinenbau hineinzuwagen und sich etwas zuzutrauen. Sie selbst ist da das beste Vorbild.
Trotz ihrer vollen Arbeitstage hat sie am Wochenende in der Regel immer noch mindestens einen Tag Bereitschaftsdienst als Rettungssanitäterin. „Das ist eine tolle Abwechslung“, erklärt Dopfer. „Und ich kann im Praxistest neue Ideen für meine Arbeit sammeln.“ Manchmal kommt dann noch ein Einsatz für die Wasserwacht hinzu, im Sommer deutlich häufiger als im Winter. „Aber auch da gibt es manchmal Waghalsige, die auf dem See Schlittschuh laufen wollen und im Eis einbrechen“, sagt sie. Wenn alles gut läuft, bleibt ihr auch noch etwas Freizeit. Die verbringt sie am liebsten mit Fahrradfahren oder ihrer Deutschen Dogge in der Hundeschule. In ihrem Beruf und ihren Ehrenämtern treiben sie die gleichen Dinge an: „Es macht mir Spaß, und es macht für mich Sinn“, sagt sie. „Wenn ich ein klein wenig dazu beitragen kann, das Überleben von Patientinnen und Patienten zu verbessern, dann motiviert mich das sehr.“
Förderung innovativer Softwaretools
Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) unterstützt die Arbeit von Sarah Dopfer und ihrem Team im Rahmen der Förderinitiative „Computational Life Sciences – CompLS“. Ziel ist es, die Entwicklung innovativer Softwaretools für die Biomedizin voranzutreiben. In der Patientenversorgung und der klinischen Forschung wächst die Menge an elektronisch verfügbaren Daten rasant. Intelligente Algorithmen können in diesen riesigen Datensätzen versteckte Muster aufspüren. Sie helfen dabei, Zusammenhänge zu erkennen sowie verbesserte Ansätze für die Prävention, Diagnose und Therapie von Krankheiten zu finden.