Ob Pommes frites, Schweinshaxe oder Sahnetorte – fettreiches Essen, insbesondere mit gesättigten Fettsäuren, ist ungesund. Das ist bekannt. Doch damit nicht genug: Fettreiches Essen kann auch wichtige Abläufe in unserem Gehirn beeinflussen. Das hat eine Nachwuchsforschungsgruppe jetzt herausgefunden. (Newsletter 68 / Juni 2014)
Nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation sind weltweit mehr als 500 Millionen Menschen adipös – in Deutschland fast ein Viertel der Erwachsenen. Ein gewichtiger Grund, die Ursachen des krankhaften Übergewichts zu erforschen.Seit 20 Jahren ist bekannt, dass es im menschlichen Körper ein Hormon gibt, das wie eine Benzinuhr funktioniert: Ist viel Benzin im Tank, zeigt die Benzinuhr bekanntlich einen hohen Benzinstand an. So auch beim Hormon Leptin. Es wird vom Fettgewebe gebildet und zeigt den Körperfettgehalt an. Nimmt das Körperfett zu, wird proportional mehr Leptin produziert, ins Blut abgegeben und ins Gehirn transportiert. Dort angekommen, vermittelt es dem Gehirn den Fettgehalt im Körper. Ist viel Leptin im Blut, vermittelt das Gehirn dem Körper ein Sättigungsgefühl. Die Nahrungsaufnahme wird gehemmt und der Stoffwechsel gesteigert.
„Benzinuhr“ im Gehirn steuert Körpergewicht
Dieses scheinbar einfache Steuerungssystem funktioniert jedoch bei adipösen Menschen nicht. Denn bei krankhaftem Körperfettgehalt ist die Wahrnehmung des Gehirns gegenüber dem Leptinspiegel gestört. Es kommt zu einer Leptinresistenz. Das Gehirn reagiert also nicht mehr auf die erhöhte Menge Leptin. „Doch auch 20 Jahre nach der Entdeckung des Hormons ist die Ursache für diese Leptinresistenz nur unzureichend geklärt“, sagt Dr. Alexander Tups von der Universität Marburg. Er leitet mit Unterstützung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) die Nachwuchsforschungsgruppe „Zentralnervensystem und Ernährung“ und ist nun dem Phänomen der Leptinresistenz auf die Spur gekommen.
Dicke Mäuse – dünne Mäuse
Jetzt ist klar: Nicht – wie lange Zeit vermutet – der hohe Leptinspiegel selbst führt zur Resistenz des Gehirns gegenüber dem Hormon. Vielmehr wird dieses Phänomen durch eine sehr fettreiche Ernährung ausgelöst. Um das herauszufinden, haben sich Tups und sein Team eines Tricks bedient: „Normalerweise ist der Leptinspiegel immer mit dem Fettgehalt des Körpers verbunden. Deshalb haben wir unsere Studie mit Mäusen durchgeführt, die von Natur aus eine Mutation tragen und kein Leptin bilden“, erklärt Tups. Als Konsequenz sind diese Mäuse extrem fettleibig. In der Studie erhielten die übergewichtigen Mäuse zehn Tage lang Leptin in hohen Dosen. Daraufhin verloren die Tiere dramatisch an Gewicht. Um dann zu verstehen, welchen Einfluss die Ernährung auf die Leptinresistenz im Gehirn hat, wurden die Mäuse in zwei Gruppen aufgeteilt. Eine Hälfte der Tiere erhielt normales Futter, die zweite Hälfte sehr fettreiches Futter.
Das Ergebnis überraschte die Nachwuchsforscherinnen und -forscher: Sie entdeckten, dass die Mäuse, die normales Futter fraßen, schlank blieben. Die Tiere entwickelten keine Leptinresistenz im Gehirn. Mäuse, deren Futter reich an gesättigten Fettsäuren war, blieben nicht schlank. Bei ihnen war die gewichtsreduzierende Wirkung des Leptins durch das fettreiche Futter aufgehoben. Ihr Gehirn entwickelte eine Resistenz gegen Leptin. „Das zeigt eindeutig, dass nicht die hohen Leptinspiegel, sondern die fettreiche Ernährung Ursache für die Leptinresistenz im Gehirn ist“, fasst Tups zusammen.
Ansatzpunkt für Therapie
Gemeinsam mit seinem Team testet der Nachwuchswissenschaftler derzeit, ob sich die verloren gegangene Leptinsensitivität bei Adipositas wiederherstellen lässt. Beispielsweise mithilfe von pflanzlichen Polyphenolen oder pharmakologischen Substanzen, die leptinsensitivierend wirken. Erkenntnisse aus dieser Forschung könnten weit über die Behandlung von krankhaftem Übergewicht hinausgehen. Denn eine Leptinresistenz im Gehirn hat nicht nur Einfluss auf das Körpergewicht. „Wir wissen mittlerweile, dass die Leptinresistenz über neuronale Mechanismen auch zur Entstehung von Diabetes mellitus Typ 2 beiträgt, einer klassischen Folgeerkrankung von Übergewicht“, sagt Tups. „Somit könnten unsere Erkenntnisse auch für die Behandlung dieser Erkrankung nützlich sein.“
Ansprechpartner:
Dr. Alexander Tups
Neuronale Ernährungsphysiologie, Fachbereich Biologie
Philipps-Universität Marburg
Karl-von-Frisch-Straße 8
35043 Marburg
Tel.: 06421 282-3547
Fax: 06421 282-8937
E-Mail: tups@staff.uni-marburg.de