Fischschuppen-Krankheit: Eine Salbe gegen den genetischen Defekt? - Auf der Suche nach Ursachen und neuen Therapien der Hautkrankheit

Die Haut ist verhornt, entzündet und erinnert an die Schuppen eines Fisches – Patienten mit einer Fischschuppen-Krankheit oder Ichthyose leiden sowohl physisch als auch psychisch unter ihrer Erkrankung. Wissenschaftler um Professor Dr. Heiko Traupe vom Universitätsklinikum Münster haben erforscht, dass es Patienten mit einer Ichthyose oftmals an einem wichtigen Enzym in der Haut fehlt. Derzeit entwickeln sie eine neue Salbe, die das fehlende Enzym ersetzen und so die Schuppenbildung stoppen soll.

Die Krankheit ist selten, sehr selten: Nur einer von 40.000 Menschen erkrankt an einer Ichthyose, der Fischschuppen-Krankheit. „Genau das ist der Grund, warum bisher nur wenig zu dieser Krankheit geforscht wurde und sich auch die Therapiemöglichkeiten in den vergangenen 30 Jahren kaum verbessert haben“, bedauert Prof. Dr. Heiko Traupe von der Klinik und Poliklinik für Hauterkrankungen am Universitätsklinikum Münster. Er ist Sprecher des Netzwerks für Ichthyosen und verwandte Verhornungsstörungen, das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert wird. „Wir haben uns zum Ziel gesetzt, die Ursachen von Ichthyosen zu verstehen und neue Methoden für die Diagnose und Therapie zu entwickeln“, sagt Professor Traupe. Und das ist den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern auch gelungen.

Ein Enzym fehlt – aber nur an warmen Körperstellen

Die Ichthyosen sind eine Gruppe von Erbkrankheiten, bei denen die Verhornung der Haut gestört ist. Bereits bei Neugeborenen ist die Haut deshalb entzündet, verhornt und erinnert an die Schuppen eines Fisches. Eine besondere Form der Fischschuppen- Krankheit ist die Badeanzug-Ichthyose. „Bei diesem Krankheitsbild schuppt sich die Haut der Patienten nicht am gesamten Körper, sondern die Ichthyose beschränkt sich auf Brust und Rücken – also genau auf die Köperpartien, die von einem Badeanzug bedeckt werden“, erklärt Professor Traupe. Aber warum ist das so? Es hat mit der Körpertemperatur zu tun: An Armen, Beinen und im Gesicht ist die Haut kühler als an Brust und Rücken – genau das ist die Ursache, warum sich die Haut der Patienten nicht überall schuppt. „In den Hautzellen von Patienten mit einer Badeanzug-Ichthyose konnten wir eine Mutation, also eine Veränderung im Erbgut, dingfest machen, die auf die Temperatur der Haut reagiert“, berichtet der Experte. Die Mutation betrifft ein Enzym, das für die normale Entwicklung der Haut wichtig ist, die Transglutaminase-1. Ist das Enzym mutiert, reagiert es auf Veränderungen der Körpertemperatur: „In kühleren Hautarealen, also an Armen und Beinen, wird gerade noch genug von dem Enzym gebildet – etwa zehn Prozent der Enzymaktivität eines Gesunden. Die Haut sieht deshalb an den Armen und Beinen annähernd normal aus.“ An den Körperstellen, wo die Haut wärmer ist, also an Brust und Rücken, fällt die Aktivität der Transglutaminase-1 auf weniger als fünf Prozent ab. An diesen Stellen bilden sich Schuppen und die Haut entzündet sich.

Eine Enzym-Salbe gegen die Schuppen

„Diese Entdeckung hat uns auf die Idee gebracht, eine neue Therapie für Patienten mit Badeanzug-Ichthyose zu entwickeln“, sagt Professor Traupe. „Wir möchten eine Salbe herstellen, mit der Patienten das fehlende Enzym äußerlich auf die Haut auftragen können.“ Hierfür haben die Wissenschaftler die Transglutaminase-1 in großen Mengen hergestellt und in kleine Fettkügelchen, so genannte Liposomen, verpackt. „Bisher konnten wir in Zellkulturversuchen zeigen, dass eine Hautzelle, der die Transglutaminase-1 fehlt, das Enzym aus den Liposomen aufnehmen und nutzen kann“, erläutert Professor Traupe. Im nächsten Schritt möchten die Forscher nun im Tiermodell herausfinden, ob sich die Hautschuppen tatsächlich zurückbilden, wenn die Enzym-Salbe aufgetragen wird. „Bis wir auch bei Patienten das fehlende Enzym in Form einer Salbe auftragen können, dauert es aber noch.“

Eine Anlaufstelle für Fragen rund um Ichthyosen

Um die Versorgung von Patienten mit Fischschuppen-Krankheit zu verbessern, dient das BMBF-Netzwerk für Ichthyosen und verwandte Verhornungsstörungen als eine bundesweite Anlaufstelle für diese seltene Hauterkrankung. „Wir beraten zum Beispiel Kinderkliniken, die Neugeborene mit einer Ichthyose behandeln und tauschen untereinander Ergebnisse und Erfahrungen aus“, beschreibt Professor Traupe. „Zudem hat das Netzwerk klinische Richtlinien für die Diagnose und Therapie der Ichthyosen verfasst. Solche medizinischen Leitlinien sind für seltene Krankheiten etwas ganz Besonderes.“

Auch war bislang die Benennung der verschiedenen Formen der Fischschuppen-Krankheit weltweit nicht einheitlich. „Man denkt immer, dass die Ärzte ein klares Bild darüber haben, wie eine Erkrankung benannt wird. Aber gerade bei seltenen Erkrankungen ist das oft nicht der Fall“, so Professor Traupe. Deshalb hat das Netzwerk im vergangenen Jahr eine Konferenz organisiert, auf der sich Experten aus der ganzen Welt trafen. „Dort ist es gelungen, sich auf eine weltweit anerkannte und einheitliche Benennung der Ichthyosen zu einigen.“

Wann ist eine Krankheit selten?

Von den etwa 30.000 bekannten Krankheiten werden mehr als 7.000 zu den „Seltenen Erkrankungen“ gezählt. Eine Krankheit wird als selten bezeichnet, wenn weniger als einer von 2.000 Menschen während seines gesamten Lebens davon betroffen ist. Die häufigsten Ursachen sind Fehler im Erbgut. „Die Fischschuppen-Krankheit oder Ichthyose ist sogar eine superseltene Erkrankung. Denn nur einer von 40.000 Menschen ist betroffen“, erklärt Professor Traupe.

Weil nur so wenige Patienten an einer seltenen Erkrankung leiden, gibt es eine Reihe von Problemen im medizinischen Alltag. „So bestehen zum Teil erhebliche Defizite in der Diagnostik und Therapie, da auch Fachärzte sich nicht immer mit seltenen Erkrankungen auskennen“, sagt der Experte. Oftmals steht den Betroffenen keine wirksame Therapie zur Verfügung, weil die eigentlichen Krankheitsursachen nur unzureichend geklärt sind. Denn je weniger Patienten an einer Erkrankung leiden, desto schwieriger ist ihre systematische Erforschung.

Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) fördert deshalb 16 krankheitsspezifische Netzwerke zur Erforschung seltener Erkrankungen mit insgesamt 31 Millionen Euro. Eines dieser BMBF-Netzwerke ist das Netzwerk für Ichthyosen und verwandte Verhornungsstörungen. Weitere Netzwerke befassen sich zum Beispiel mit der Erforschung von Muskeldystrophien, mit angeborenen Störungen der Blutbildung und seltenen Lungen- und Autoimmunerkrankungen.

Zusätzlich beteiligt sich das BMBF zusammen mit Forschungsförderorganisationen aus fünf weiteren europäischen Ländern sowie Israel und der Türkei an dem ERA-Netzwerk „E-RARE“. Im Rahmen dieser internationalen Zusammenarbeit sollen Informationen über die Forschung zu seltenen Erkrankungen zusammengetragen werden, um sich strategisch abzustimmen und grenzüberschreitende internationale Forschungsprojekte zu fördern.

Ansprechpartner:
Prof. Dr. Heiko Traupe
Klinik und Poliklinik für Hautkrankheiten
Universitätsklinikum Münster
Von-Esmarch-Straße 58
48149 Münster
Tel.: 0251 835-6588
Fax: 0251 835-7279
E-Mail: traupeh@ukmuenster.de