Der plötzliche Herztod stellt die häufigste Todesursache unter den Herzerkrankungen dar. In Deutschland versterben pro Jahr 100.000 bis 200.000 Menschen am plötzlichen Herztod. Ein Forschungskonsortium am Helmholtz Zentrum München konnte nun in einer Studie im menschlichen Genom häufig vorkommende Genvarianten identifizieren, die die elektrische Aktivität des Herzmuskels beim Menschen beeinflussen. Sie könnten damit eine der Ursachen für Herzrhythmusstörungen und den plötzlichen Herztod sein.
Die Ergebnisse des Projekts, das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmen des Nationalen Genomforschungsnetzes (NGFN) unterstützt wurde, eröffnen neue Perspektiven für Früherkennung und Therapie. Forscher haben im menschlichen Genom zehn Genvarianten identifiziert, die für ein erhöhtes Risiko von Störungen des Herzrhythmus und für einen plötzlichen Herztod stehen. Im Zusammenspiel mit weiteren Faktoren beeinflussen diese Genvarianten die elektrische Aktivität des Herzmuskels und erhöhen bzw. reduzieren das Krankheitsrisiko. Zusammen mit Wissenschaftlern des internationalen Forschungskonsortiums QTSCD (QT-Interval-and-Sudden-Cardiac-Death) hat Dr. Arne Pfeufer vom Institut für Humangenetik am Helmholtz Zentrum hierfür die genetischen Grundlagen des QT-Intervalls in der Bevölkerung untersucht.
Das QT-Intervall im Elektrokardiogramm beschreibt die Zeitspanne, die für die „Herz-Batterie“ nötig ist, um einen elektrischen Impuls in die Herzkammern zu schicken und sich anschließend wieder aufzuladen. Ein verlängertes QT Intervall kann in Abhängigkeit weiterer Erkrankungen das Risiko für Herzrhythmusstörungen und plötzlichen Herztod um das bis zu Fünffache erhöhen.
Die Studie wurde im Rahmen eines Projekts des Nationalen Genomforschungsnetzes (NGFN) durchgeführt und vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert. Sie richtete ihr Augenmerk dabei nicht auf die Genvarianten von Patienten mit Herzrhythmusstörungen. Stattdessen interessierten sich die Forscher für Varianten, die bei jedem Menschen Einfluss auf die Länge des QT-Intervalls nehmen können.
Gene beeinflussen den Herzrhythmus
Die Wissenschaftler untersuchten die Elektrokardiogramme von mehr als 15.000 freiwilligen Probanden aus Deutschland, Italien und den USA. Dr. Arne Pfeufer erläutert: „Wir haben das QT-Intervall dieser Personen mit über 2,5 Millionen vorkommenden Genvarianten korreliert, die wir bei denselben Personen bestimmt haben. Dabei konnten wir zehn Gene bzw. Genregionen entdecken, deren Varianten das QT-Intervall in seiner Länge verändern. Drei dieser Genregionen sind bisher nicht im Zusammenhang mit dem Herzrhythmus aufgefallen. Die Entdeckung ihrer Bedeutung für den Herzrhythmus ist daher eine völlig neue Erkenntnis.“ Ist eine der identifizierten Genvarianten als Einzelgen vorhanden, erhöht sich das persönliche Krankheitsrisiko nicht. Vielmehr ergibt sich das höhere Risiko aus der individuellen Konstellation der Gene und im Kontext mit anderen Risikofaktoren wie Medikamenten oder Durchblutungsstörungen (Ischämie).
Ein weiteres Konsortium ist in einer parallelen Studie zu nahezu identischen Resultaten gelangt wie das Team um Dr. Pfeufer. Diese zweite Studie bestätigt somit die Ergebnisse der Arbeit von Dr. Pfeufer.
Durchgeführt wurde die aktuelle Studie am Helmholtz Zentrum mit der Technik der genomweiten Assoziationsstudie. Dabei wird im gesamten Genom nach häufigen Genvarianten für verbreitete Krankheitsbilder gesucht. „Diese Form der Suche ist ein sehr erfolgversprechender Ansatz, in bislang gänzlich unbekanntem Terrain fündig zu werden“, betont Prof. Thomas Meitinger, Institutsdirektor am Helmholtz Zentrum und Inhaber des Lehrstuhls für Humangenetik. „Im Gegensatz zum Studium einzelner Gene bietet der genomweite Ansatz völlig neue Anhaltspunkte für die Erforschung von weit verbreiteten Krankheitsbildern wie dem plötzlichen Herztod.“
In einem nächsten Schritt planen die Helmholtz-Wissenschaftler und ihre klinischen Partner nun weitere Untersuchungen, die den Zusammenhang zwischen den neu identifizierten Genvarianten und dem plötzlichen Herztod bestätigen. Ein größerer Genomscan mit 50.000 Probanden hat zum Ziel, weitere Erkenntnisse über die Mechanismen der Krankheitsentstehung zu gewinnen. Dadurch sollen die Risikoerkennung weiter verbessert und Perspektiven für die Entwicklung gezielter Therapieansätze eröffnet werden.
Ansprechpartner:
Dr. Arne Pfeufer
Institut für Humangenetik
Helmholtz Zentrum München
Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt
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