Mai 2017

| Newsletter 83

Forschen für eine bessere Diagnostik: Nicht jedes Fieber geht auf Malaria zurück

2015 starben in Afrika fast 500.000 Menschen an Malaria – 90 Prozent waren keine fünf Jahre alt. Doch nicht jedes fiebernde Kind leidet unter Malaria. Das Deutsche Zentrum für Infektionsforschung untersucht die verschiedenen Ursachen von hohem Fieber in Afrika.

Zwei Frauen umsorgen ein Kleinkind in einer Klinik.

Nicht jedes Fieber geht auf Malaria zurück. Untersuchung vor Ort in einer Klinik in Matema, wo die „Fieberstudie“ unter anderem durchgeführt wurde.

DZIF

„In Afrika ist es ein großes Problem, dass die Diagnostik oft nicht ausreicht, um zielgenau zu behandeln“, erklärt Professor Jürgen May vom Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin (BNITM) in Hamburg. Seit 2012 koordiniert er die Afrikanischen Partnerinstitutionen im DZIF, eine Infrastruktur, die der Zusammenarbeit mit afrikanischen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern dient. Ein erstes großes Projekt, das gemeinsam auf den Weg gebracht wurde, sollte genau hier Abhilfe schaffen: „Wir wollten die Diagnostik vor Ort verbessern und mehr über das Vorkommen der Malaria erfahren“, erklärt May das ehrgeizige Vorhaben, das an allen vier Standorten in Afrika durchgeführt wurde. „Oftmals ist es so, dass Kinder, die mit hohem Fieber in die Klinik kommen, zunächst einmal gegen Malaria behandelt werden“, berichtet er. Doch das erweist sich häufig als Irrtum, wie die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in ihrer Studie „Fieber unbekannter Ursache“ feststellen konnten. Denn mitunter stecken auch bakterielle oder virale Infektionen hinter dem Fieber; häufig erschweren sie den Kindern als Co-Infektionen das Leben.

Malaria: Zahlen und Fakten

Malaria wird durch einzellige Parasiten der Gattung Plasmodium ausgelöst. Überträger sind die weiblichen Anophelesmücken, die den Parasiten durch einen Stich weitergeben. Der Erreger gelangt zunächst in die Leber und wandert von dort ins Blut. Er nistet sich in den roten Blutkörperchen ein und entwickelt sich dort weiter. Die Krankheit bricht aus, weil es zu einer Zusammenballung der roten Blutkörperchen kommt, die die kleinsten Blutgefäße verstopft. Sie ist durch anfallartige Krankheitsschübe mit hohem Fieber gekennzeichnet. Schwere Malaria mit Todesfolge wird vor allem durch Plasmodium falciparum ausgelöst, andere Plasmodien sind weniger gefährlich. Einen wirksamen Malariaimpfstoff gibt es derzeit noch nicht, eine Behandlung erfolgt in der Regel mit einem Antimalariamittel und einem Antibiotikum. Doch Resistenzen sind auf dem Vormarsch. Eine Prophylaxe ist möglich, wenn man sich für kürzere Zeit in Malariagebieten aufhält.

Auf der Suche nach dem entscheidenden Auslöser

„In Ghana haben wir über 1.200 Kinder unter fünf Jahren in die Studie eingeschlossen; sie kamen im Zeitraum von einem Jahr mit hohem Fieber in ein Krankenhaus in der Ashanti-Region“, berichtet Benedikt Hogan vom BNITM. Der Wissenschaftler arbeitet seit einigen Jahren in der Tropenmedizin und pendelt mehrmals im Jahr zwischen Hamburg und Kumasi. Neben der Malariamikroskopie, die in Afrika auch heute noch der Standard ist, werden die Proben der Kinder einer breiten Diagnostik unterzogen – einiges geschieht direkt vor Ort, andere Analysen werden später in Hamburg oder von Kooperationspartnern im DZIF ergänzt. Noch sind die Auswertungen nicht ganz abgeschlossen, doch schon jetzt wird deutlich: Malaria ist hier in Ghana immer noch eine entscheidende Ursache des hohen Fiebers. Aber es zeigt sich auch, dass bakterielle Erreger wie Salmonellen, in unseren Breiten meist nur Auslöser von Magen-Darm-Infektionen, oder virale Erreger hinzukommen können. Das hatte man vorher nicht gewusst, und es verdeutlicht, wie wichtig eine genauere Diagnostik für eine gezielte Behandlung ist.

Dr. Nyanda Elias Ntinginya, Director of the National Institute of Medical Research – Mbeya Medical Research Centre

DZIF

Nicht jedes Fieber geht auf Malaria zurück. Was können wir also tun? Sollen wir auf Verdacht Antibiotika geben? Wir brauchen eine bessere Diagnostik, um gezielter zu behandeln.

Dr. Nyanda Elias Ntinginya, Director of the National Institute of Medical Research – Mbeya Medical Research Centre

Auch in Mbeya in Tansania zeigten die Analysen von Fiebererkrankungen, dass Malaria mit 40 Prozent ein Hauptauslöser bleibt. Die breite Diagnostik machte außerdem Viren sichtbar, die in dieser Region nicht vermutet wurden. „Wir haben erstmals hier in Westafrika das Virus nachgewiesen, das Rift-Valley-Fieber auslöst. Außerdem wurde das gefürchtete Chikungunya-Virus gefunden“, erzählt Dr. Norbert Heinrich von der Ludwig-Maximilians-Universität München. Der Wissenschaftler arbeitet seit neun Jahren in München und Mbeya. Neben Malaria sind Tuberkulose und HIV die Arbeitsschwerpunkte dieser Kooperation. „Unser Ziel in dieser Studie ist es auch, die Behandlung mit Antibiotika eingrenzen zu können“, erklärt Heinrich. Denn in den meisten Fällen wird die Malaria heute mit einer Kombination von Antimalariamittel und Antibiotikum behandelt. Und das auch, wenn keine Bakterien vorhanden sind. Das Problem der Antibiotikaresistenzen bei falscher Anwendung wird auch in Afrika ein Problem werden, ist sich der Wissenschaftler sicher. Schon jetzt schmieden die Forscherinnen und Forscher neue Projekte, um auch dieses Problem intensiver zu bearbeiten.

Der Kampf gegen die Malaria geht weiter

Ärztin in blauem Kittel vor Labormaterialien

Diagnostik und damit auch die Therapie verbessern – in den Partnerinstitutionen ist man auf einem guten Weg.

DZIF

In Burkina Faso ist die Fieberstudie noch in vollem Gang, in Lambaréné in Gabun laufen die letzten Auswertungen. Neben den Studienergebnissen und den Verbesserungen vor Ort hat das Projekt dazu geführt, dass die vier Partnerinstitutionen des DZIF zusammengewachsen sind, über alle Grenzen hinweg. „Der nächste Schritt wird sein, dass wir jetzt, wo wir das Erregerspektrum bei Fiebererkrankungen kennen, Schnelltests entwickeln, um die Kinder gezielter zu behandeln und zu erkennen, ob resistente Erreger beteiligt sind“, so May.

Die enorme Sammlung an klinischen Proben, die die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in den vergangenen Jahren generieren konnten, öffnet diverse Möglichkeiten für die zukünftige Forschung. Ein wichtiges Projekt ist bereits am Start: Mithilfe der Proben und der epidemiologischen Daten wollen sie eine einfache und schnelle Diagnostik entwickeln, die schnell zwischen Malaria und Bakterämie, das heißt Bakterien im Blut, differenzieren kann. Eine solche Methodik kann in vielen Fällen lebensrettend sein.

Deutsches Zentrum für Infektionsforschung (DZIF)

Im Deutschen Zentrum für Infektionsforschung (DZIF) entwickeln bundesweit rund 500 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus 35 Institutionen gemeinsam neue Ansätze zur Vorbeugung, Diagnose und Behandlung von Infektionskrankheiten. Ziel ist die sogenannte Translation: die schnelle, effektive Umsetzung von Forschungsergebnissen in die klinische Praxis. Damit bereitet das DZIF den Weg für die Entwicklung neuer Impfstoffe, Diagnostika und Medikamente gegen Infektionen. Das DZIF wird vom BMBF und den Sitzländern der beteiligten Partnereinrichtungen gefördert. Mehr Informationen finden Sie unter www.dzif.de.

Neben Diagnose und Therapie bleibt jedoch auch die Suche nach einem Impfstoff das große Ziel der Malariaforschung. Seit mehr als 100 Jahren forschen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler daran, bisher vergeblich. Impfstoffe, die aus einzelnen Molekülen der Malariaerreger stammten, boten keinen ausreichenden Schutz. Im Rahmen des Deutschen Zentrums für Infektionsforschung wurde 2014 eine Studie mit einem neuen Impfansatz gestartet: Er basiert auf vollständig lebensfähigen, nicht abgeschwächten Malariaerregern, die gleichzeitig mit einem Malariamedikament verabreicht werden. Die Ergebnisse dieser Studie, die jüngst in Nature veröffentlicht wurden, geben Anlass zur Hoffnung: Studienteilnehmer, die den Impfstoff in hoher Dosierung erhielten, zeigten einen 100-prozentigen Impfschutz.

Vier Studienorte in Afrika

An vier Orten in Afrika arbeitet das DZIF mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern des Landes eng zusammen, um Krankheiten wie Malaria, Aids oder Tuberkulose dort näher untersuchen zu können, wo sie vor allem vorkommen. Genutzt werden dabei Kooperationen, die schon vor Jahren von deutschen Instituten aufgebaut worden sind:

Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin in Hamburg und Kumasi Centre for Collaborative Research in Kumasi, Ghana

Universität Tübingen und Centre de Recherches Médicales de Lambaréné, Gabun

Klinikum Uni München und National Institute of Medical Research – Mbeya Medical Research Centre, Tansania

Universität Heidelberg und Centre de Recherche en Santé de Nouna, Burkina Faso

Das DZIF wird gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und von den Sitzländern der beteiligten Partnereinrichtungen – Baden-Württemberg, Bayern, Hessen, Hamburg, Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen.

Ansprechpartner: 
Prof. Dr. Jürgen May
Koordinator der DZIF-Infrastruktur
„Afrikanische Partner-Institutionen“
Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin, Hamburg
040 42818-369
may@bnitm.de

Pressekontakt:
Karola Neubert und Janna Schmidt
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Geschäftsstelle des DZIF e. V.
Inhoffenstraße 7
38124 Braunschweig
0531 6181-1170 (oder -1154)
0531 6181-1153
presse@dzif.de