Oktober 2019

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Forschung für bessere und nachhaltige Gesundheitsbedingungen in Subsahara-Afrika

In Afrika fehlt vielerorts eine ausreichende gesundheitliche Versorgung, die den Herausforderungen gerecht wird, vor denen die Länder heute stehen. Um das nachhaltig zu ändern, geht ein deutsch-afrikanisches Forschungsnetzwerk neue Wege.

Weltweit leiden immer mehr Menschen unter Erkrankungen, die stark durch den Lebensstil bedingt werden. Auch in Afrika breiten sich Krankheiten wie Diabetes und Bluthochdruck massiv aus. Anders als in Ländern mit hohen Einkommen fehlen hier allerdings oft die Versorgungsstrukturen, um die Erkrankungen frühzeitig erkennen und den betroffenen Patientinnen und Patienten effektiv helfen zu können. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des deutsch-afrikanischen Forschungsnetzwerkes Collaboration for Evidence-based Healthcare and Public Health in Africa (CEBHA+) wollen das ändern: Sie wollen in einigen Ländern Subsahara-Afrikas eine Gesundheitsversorgung aufbauen, die evidenzbasiert ist – also dem aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand entspricht.

Viel befahrene Straße in Afrika

In Ländern mit niedrigen und mittleren Einkommen gehören Verkehrsunfälle zu den zehn häufigsten Todesursachen

peeterv/istock

Damit diese Versorgungsstrukturen auch nachhaltig sind, binden die Forschenden von Beginn an wichtige Akteure aus Politik und Praxis in ihre Aktivitäten ein. „Integrated Knowledge Translation“ wird dieser Ansatz in der Fachsprache genannt. Das beinhaltet, dass der Forschungsprozess von allen Beteiligten mitgestaltet und mitgetragen wird – von der Entscheidung darüber, was erforscht wird, bis hin zur Auswertung gesammelter Daten und der Ableitung von Handlungsempfehlungen. Wie sich das konkret umsetzen lässt, zeigt sich am Beispiel Verkehrsunfälle, dem zweiten Forschungsschwerpunkt im CEBHA+-Projekt.

Hand in Hand zur Vermeidung von Verkehrsunfällen

„Gerade in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen gehören Verkehrsunfälle zu den zehn häufigsten Todesursachen“, sagen Tanja Grath und Lisa Pfadenhauer. Sie arbeiten an der Ludwig-Maximilians-Universität München am Lehrstuhl für Public Health und Versorgungsforschung und sind im Projekt mitverantwortlich für die Zusammenarbeit zwischen Forschenden und Akteuren aus Politik und Praxis. „In diesen Ländern gibt es heute wesentlich mehr Autos als noch vor einigen Jahren. Sie alle sind in einem Verkehrsnetz unterwegs, das in den vergangenen Jahren nicht oder nur wenig ausgebaut wurde.“ Besonders gefährdet sind dabei Fußgänger: Fast jeder zweite Verkehrstote in der afrikanischen Region war zu Fuß unterwegs.

Übersicht Partnerorganisationen

Partnerländer und -institutionen in CEBHA+

CEBHA+-eigene Abbildung

Das CEBHA+-Team will deshalb in Uganda und Ruanda, wo besonders viele Menschen im Straßenverkehr sterben, nachhaltige Präventionsmaßnahmen entwickeln und umsetzen. Das können fußgängerfreundlich gestaltete Verkehrswege sein, wie beispielsweise vom fahrenden Verkehr getrennte Fußgängerwege. Möglich sind aber auch Informationskampagnen, die Autofahrerinnen und -fahrer für die Sicherheit von Fußgängern sensibilisieren. Doch dafür müssen sich die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zunächst einen Überblick über die Gefahren vor Ort verschaffen. Das ist allerdings mit Schwierigkeiten verbunden: „In Uganda werden nicht alle Verkehrsunfälle systematisch erfasst. Es gibt auch kein einheitliches Protokoll, das Rückschlüsse auf die Ursachen und den Verlauf des Unglücks zulässt“, erklärt Professorin Dr. Eva Rehfuess. Sie ist Lehrstuhlinhaberin für Public Health und Versorgungsforschung in München und koordiniert das Projekt auf deutscher Seite. Umso wichtiger ist es, dass die Forscherinnen und Forscher beispielsweise mit der lokalen Polizei vor Ort zusammenarbeiten. So können die Berichte zu Verkehrsunfällen vereinheitlicht und nachvollziehbar werden. „Unsere Kolleginnen und Kollegen von der Makerere Universität in Uganda haben im ersten Jahr sehr viel Zeit investiert, um basierend auf den Aufzeichnungen der Polizei eine gute Datengrundlage zu entwickeln. Nur wenn wir genau wissen, was, wann und wo passiert ist, können wir gezielte Gegenmaßnahmen entwickeln und zukünftig deren Wirksamkeit prüfen“, sagt Rehfuess.

CEBHA+

Zusammenarbeit für evidenzbasierte Gesundheitsversorgung in Afrika (CEBHA+)

Das deutsch-afrikanische Netzwerk verfolgt diese Ziele:

1)  Früherkennung von Bluthochdruck und Diabetes: Evidenzbasierte Richtlinien und Praktiken für die Früherkennung von Personen mit hohem Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen

2)  Gesundheitsversorgung von Bluthochdruck und Diabetes: Evidenzbasierte Richtlinien und Praktiken für integrierte Modelle der Gesundheitsversorgung in Subsahara-Afrika

3)  Prävention von Bluthochdruck und Diabetes: Verbesserte Maßnahmen zur Prävention auf Bevölkerungsebene in Subsahara-Afrika

4)  Prävention von Verkehrsunfällen: Maßnahmen für verbesserte Verkehrssicherheit in Subsahara-Afrika

Integrated Knowledge Translation – Erkenntnisse stetig umsetzen

Die Forscherinnen und Forscher arbeiten aber nicht nur mit der Polizei zusammen. Auch andere Behörden wie zum Beispiel das Gesundheitsministerium, lokale Gesundheitsämter und -referate, Krankenhäuser und sogar Leichenhäuser, in denen die Todesursache festgehalten wird, sind eng eingebunden, um sicherzustellen, dass die relevantesten Probleme und Fragestellungen bearbeitet werden. Die so geschaffene Nähe zwischen den unterschiedlichen Professionen soll es ermöglichen, dass die Ergebnisse auch schnell in der Praxis umgesetzt werden können.

„Maßnahmen zur Prävention und Behandlung von Krankheiten müssen wissenschaftlich fundiert und geprüft sein. Ihr Potenzial wird aber nur dann ausgeschöpft, wenn sie von allen relevanten Akteuren getragen und umgesetzt werden. Deshalb binden wir alle wichtigen Akteure von Anfang an mit ein, damit wir eventuelle Schwierigkeiten früh erkennen und berücksichtigen können. Nur so können wir am Ende auch nachhaltig zu besseren Rahmenbedingungen für die Menschen vor Ort beitragen“, erläutert Rehfuess.

Das CEBHA+-Team glaubt, dass Forschung zu globalen Gesundheitsfragestellungen nicht im Elfenbeinturm stattfinden sollte. „Wir wissen aber noch viel zu wenig darüber, ob und wie Integrated Knowledge Translation tatsächlich dazu führt, dass Forschungsergebnisse in Politik und Praxis umgesetzt werden“, sagt Grath.  „Deshalb evaluieren wir unser innovatives Vorgehen schon während der laufenden Forschungsaktivitäten, um Verbesserungspotenziale ausschöpfen zu können.“ Eine abschließende Bewertung aller durchgeführten Projekte wird gegen Ende der Förderperiode im Jahr 2022 erwartet.

Partizipation – Der Mensch im Mittelpunkt

Das neue Rahmenprogramm Gesundheitsforschung legt besonderen Wert darauf, dass Menschen mit ihren jeweiligen Lebensumständen und Bedürfnissen in die Gesundheitsforschung verstärkt einbezogen werden.

Ansprechpartnerin:

Prof. Dr. Eva Rehfuess
Institut für Medizinische Informationsverarbeitung, Biometrie und Epidemiologie
Lehrstuhl für Public Health und Versorgungsforschung
Pettenkofer School of Public Health
Ludwig-Maximilians-Universität München
Marchioninistraße 17
81377 München
rehfuess@ibe.med.uni-muenchen.deundefined