Dezember 2019

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Frühgeborene Kinder mit Atemnotsyndrom wirkungsvoll behandeln

Heute werden frühgeborene Kinder, deren Lungen noch nicht vollständig ausgereift sind, deutlich schonender behandelt als in der Vergangenheit. Möglich macht das ein neues Verfahren, das auf intensivmedizinische Maßnahmen weitgehend verzichtet.

Frühchen im Brutkasten

Die schonende Behandlungsmethode, mit der frühgeborene Kinder heute versorgt werden, schützt sie vor langfristigen Schäden.

andresr/iStock

Wird ein Kind zu früh geboren, so ist die Lunge häufig noch nicht vollständig ausgereift. Einige dieser Kinder leiden unter einem Atemnotsyndrom und benötigen Hilfe, um zu überleben. Ihre Atmung wird dann meistens über eine Nasenmaske unterstützt. Gleichzeitig wird ihnen über einen sehr dünnen, weichen Schlauch der Wirkstoff „Surfactant“ in die Lunge geleitet, um deren Reifung zu ermöglichen. Dieser kombinierte Therapieansatz rettet nicht nur vielen Kindern das Leben – er bewahrt sie auch vor Folgeschäden, die bei Behandlungsmethoden in der Vergangenheit auftreten konnten. Möglich wurde diese Therapie, weil Ärztinnen und Ärzte der Medizinischen Fakultät der Universität Köln ein Verfahren entwickelten, mit dem sich Surfactant möglichst schonend verabreichen lässt.

Surfactant ist eine Emulsion, die in der reifen Lunge natürlicherweise gebildet wird. Sie überzieht die Lunge wie ein dünner Film und stabilisiert unter anderem die Lungenbläschen, wodurch das Atmen erst möglich wird. Diese Emulsion wird allerdings erst etwa ab der 34. Schwangerschaftswoche in ausreichender Menge gebildet. Diesen Mangel gleichen die Ärztinnen und Ärzte bei frühgeborenen Kindern über die Surfactant-Gabe aus.

Lange Zeit konnten Kinder, deren Atmung durch eine Nasenmaske unterstützt wurde, nicht mit dem Wirkstoff versorgt werden – es fehlte der Zugang zur Lunge. Eine Versorgung mit dem Wirkstoff war nur bei einer maschinellen Beatmung möglich, denn hierfür wird den Kindern ein Endotrachealtubus über die Luftröhre in die Lunge eingeführt, über den die Ärztinnen und Ärzte dann auch Surfactant einleiten konnten. Die maschinelle Beatmung stellt allerdings einen wesentlich größeren Eingriff in den Körper der Frühgeborenen dar und kann zu Komplikationen führen, die langfristige Schäden an der Lunge und im Gehirn verursachen.

Neues Verfahren vereint die Vorteile beider Ansätze

Ein umfassender Vergleich der damals gängigen Behandlungsansätze lieferte den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern die Basis für ihre Forschungsarbeiten: Denn während in Mitteleuropa und den USA frühgeborene Kinder mit unreifen Lungen standardmäßig maschinell beatmet und mit Surfactant behandelt wurden, wählten die Ärztinnen und Ärzte in Skandinavien den anderen Ansatz: Sie verzichteten auf Surfactant und unterstützten die Atmung der Kinder sanft über eine Nasenmaske. „Beide Ansätze führten zu einem vergleichbaren Behandlungserfolg. Das war für uns der Anlass, ein neues Verfahren zu entwickeln, mit dem wir die Vorteile beider Behandlungsansätze kombinieren – um noch mehr Kindern helfen zu können“, erläutert Privatdozentin Dr. Angela Kribs von der Uniklinik Köln.

Teil des neuen Verfahrens ist ein weicher Schlauch, den die Ärztinnen und Ärzte über die Luftröhre in die Lunge der Kinder einführen. Dieser Schlauch ist dünn genug, dass die Kinder weiterhin selbstständig atmen können – und breit genug, um Surfactant einzuleiten. Auf die maschinelle Beatmung kann dadurch zugunsten einer Nasenmaske verzichtet werden.

Behandlungserfolg durch klinische Studien bestätigt

Mit einer großen klinischen Studie, die durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert wurde, wiesen die Kölner Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ihren Erfolg nach: Die Ergebnisse zeigten, dass mithilfe des neuen Verfahrens deutlich mehr frühgeborene Kinder ohne Komplikationen überleben.

Mit einer zweiten klinischen Studie – der NINSAPP-Studie –, die ebenfalls vom BMBF gefördert wurde, zeigten die Forschenden zudem, dass die Behandlungsmethode auch bei extrem unreifen Frühgeborenen erfolgreich angewendet werden kann. In die Studie schlossen die Forschenden Kinder ein, die zwischen der 23. und der 26. Schwangerschaftswoche geboren wurden. Solch junge Frühgeborenen haben in der Regel deutlich geringere Überlebenschancen und ein höheres Risiko, schwere Folgeschäden davonzutragen. Die Ergebnisse der NINSAPP-Studie zeigen deutlich, dass auch diese Kinder von dem neuen Behandlungsansatz profitieren. Zurzeit werden die Kinder, die inzwischen im frühen Schulalter sind, nachuntersucht, um auch Auswirkungen auf ihre langfristige Entwicklung ausschließen zu können.

„Auch in anderen Bereichen der Versorgung früh- und neugeborener Kinder bemühen sich die Ärztinnen und Ärzte heute, intensivmedizinische Methoden wie die maschinelle Beatmung möglichst zu vermeiden. Grund hierfür sind neuere Langzeitstudien, die zeigen, dass eine längere intensivmedizinische Versorgung selbst bereits das Risiko für langfristige Entwicklungsstörungen erhöht. Zudem verhindert sie eine möglichst frühe, ungestörte Eltern-Kind-Bindung, die wiederum zu einer gesunden psychischen und geistigen Entwicklung beiträgt“, so Kribs.

Der Erfolg des kombinierten Behandlungsansatzes bei einem Atemnotsyndrom wurde mittlerweile durch internationale Studien bestätigt, sodass das Verfahren in vielen Ländern als Standardtherapie eingesetzt wird.

Ansprechpartnerin:

PD Dr. Angela Kribs
Uniklinik Köln
Kinder- und Jugendmedizin
Schwerpunkt Neonatologie und Pädiatrische Intensivstation
Kerpener Straße 62
50937 Köln
angela.kribs@uk-koeln.de