Gemeinsam durch den Dschungel des Lebens - Mentorenprogramm für Grundschulkinder aus schwierigen Verhältnissen

Wer kennt nicht das ungleiche Paar aus dem Dschungelbuch: Balu, der freundliche Bär, und Mogli, der kleine Junge? Aber was haben Balu und Mogli mit Gesundheitsforschung zu tun? Seit 2002 gibt es das Programm "Balu und Du", ein Präventionsprojekt für benachteiligte Grundschulkinder. Moglis sind Kinder im Grundschulalter aus schwierigen Verhältnissen und Balus sind junge, zuverlässige Menschen, die sich als Patinnen oder Paten einmal in der Woche für ihr Mogli Zeit nehmen. Bislang sind mehr als 2.200 Kinder Paten-Gespanne entstanden - mit messbarem Erfolg, wie eine aktuelle Evaluation von "Balu und Du" gezeigt hat. (Newsletter 53/September 2011)

Das Leben kann zuweilen wie ein Dschungel sein: Ganz allein findet man kaum einen Weg hindurch und verläuft sich. Gerade der Übergang zwischen Kindheit und Jugend ist für viele Kinder ein verwirrender Lebensabschnitt. Hier können Freunde, Vertraute und Vorbilder dazu beitragen, die Kinder zu stärken und zu motivieren - genau wie es Balu der Bär beim kleinen Mogli macht.

"Balu und Du" ist ein Förderprogramm für Grundschulkinder. Die Kinder sind zwischen sechs und zehn Jahre alt und stammen oftmals aus schwierigen familiären und sozialen Verhältnissen. Jedes Kind - mittlerweile sind es mehr als 2.200 in ganz Deutschland - bekommt einen Balu, also einen persönlichen Paten, zugeteilt. Die Balus sind junge, zuverlässige Frauen und Männer, meist zwischen 17 und 30 Jahre alt, die ein offenes Ohr für das Kind haben und ihm Aufmerksamkeit schenken. "Die Paten beziehungsweise Mentoren nehmen sich einmal in der Woche ein paar Stunden Zeit, um ihr Mogli im außerschulischen Bereich zu fördern, gemeinsam allerhand zu unternehmen und ihm so neue Erfahrungsfelder zu eröffnen", beschreibt Prof. Dr. Hildegard Müller-Kohlenberg von der Universität Osnabrück das Projekt. Die Kinder-Paten-Gespanne spielen, basteln oder malen zusammen, treiben Sport, kochen und backen oder gehen zusammen in den Zoo und ins Kino. ",Balu und Du' ist kein Lehrplan zu Themen gesunder Ernährung, kein Sportprogramm und auch kein Kochkurs. Das pädagogische Konzept, das ,Balu und Du' zugrunde liegt, ist das sogenannte Informelle Lernen", betont Professor Müller-Kohlenberg. Oberflächlich betrachtet hat die gemeinsame Zeit den Charakter eines Freizeitprogramms. "Aber die Mentoren ergreifen immer wieder die Möglichkeit, den Kindern Einsichten, Wissen, Kompetenzen und Werte zu vermitteln." Informelles Lernen bedeutet also, dass die Kinder beiläufig und in den Alltag integriert, oft in einer konkreten Situation und vermittelt durch ein Vorbild etwas lernen - und zwar manchmal gar nicht bewusst.  

 Konzentration und Motivation nehmen zu  

Schön und gut, könnte man meinen. Aber profitieren die Kinder durch "Balu und Du" tatsächlich im Hinblick auf ihre sozialen Kompetenzen und ihr Gesundheitsverhalten? Die Antwort lautet: Ja! Das haben Professor Müller-Kohlenberg und ihr Team, Dr. Brigitte Borrmann und Sibylle Drexler, im Rahmen einer Evaluationsstudie mit Unterstützung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) herausgefunden. "In unserer Studie wollten wir wissen, ob sich das Verhalten, die Kompetenzen, Einstellungen, Vorlieben und Erlebnisweisen der Kinder durch die Patenschaften dahingehend verändern, dass auch eine gesunde Lebensführung wahrscheinlicher wird", so Professor Müller-Kohlenberg. "Gesundheit haben wir hierbei im umfassenden Sinne als physische, psychische und soziale Gesundheit verstanden."

Im Vergleich zu einer Kontrollgruppe von Kindern, die zwar ähnliche Probleme haben, bei denen das Mentorenprogramm allerdings nicht angeboten wird, profitieren die "Balu und Du"-Kinder schon nach einem Jahr in ganz unterschiedlichen Bereichen - das zeigen die Einschätzungen der Kinder selbst, ihrer Lehrerinnen und Lehrer wie auch verschiedene Testergebnisse. Vor allem Kinder, die zu Beginn recht ungünstige Ausgangswerte hatten, profitieren von dem Projekt. "Die wöchentlichen Treffen mit ihrem Balu erhöhten das körperliche Wohlbefinden der Moglis, führten zu mehr Zufriedenheit im schulischen Alltag und verbesserten die Konzentrationsfähigkeit der Kinder", fasst Professor Müller-Kohlenberg die Ergebnisse der Evaluation zusammen. Gerade die Zunahme der Konzentrationsfähigkeit ist deutlich und im Hinblick auf die immer häufiger gestellte Diagnose einer Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätsstörung, kurz ADHS, durchaus relevant. "Viele Kinder werden vor allem deshalb von ihren Lehrkräften bei ,Balu und Du' angemeldet, weil sie ein Aufmerksamkeitsdefizit haben. Und genau diese Kinder profitieren besonders von dem Programm." Auch die Selbstorganisation der Kinder verbessert sich und ihre Motivation beim Lernen nimmt zu.

Tatsächlich ist der Einfluss von "Balu und Du" in vielen Bereichen - vom körperlichen Wohlbefinden bis hin zur Lernmotivation - enorm. Man darf in diesem Zusammenhang von "hohen Effektstärken" sprechen. Bei der Auswertung von Effektstärken gelten Werte um 0,2 als niedriger Effekt, Werte um 0,5 als moderater Effekt und Werte ab 0,8 als hoher Effekt. "Wir haben beim Vergleich der ,Balu und Du'- und der Kontrollgruppe Netto-Effektstärken bis hin zu 1,79 gefunden. Die Kinder profitieren also beträchtlich von dem Mentorenprogramm - vor allem, wenn die Situation anfangs besonders schwierig ist", betont Professor Müller-Kohlenberg. "Außerdem geht es den Kindern psychisch besser und ihre Beziehung zu den Eltern verbessert sich." Dieser Effekt auf das psychische Wohlbefinden der Kinder ist allerdings nur moderat.  

 Von Obstsalat bis Karies - Erfolge auf allen Ebenen  

Ein Blick in die Tagebücher, die von den Mentoren nach jedem Treffen geführt werden, zeigt, wie die Moglis sonst noch von "Balu und Du" profitieren. Zum Beispiel in punkto Ernährung: "Sie sagte mir, dass sie noch nie einen Obstsalat gegessen hat. Im Supermarkt angekommen, wollte Mogli dann auch lieber Süßigkeiten und Eis haben. Ich erklärte ihr, dass Obst viele Vitamine hat und es doch schöner ist, mal etwas Neues auszuprobieren. Mogli stimmte mir zu. Als der Obstsalat fertig war, konnte es Mogli kaum erwarten und aß gleich zwei Teller voll. Mogli sagt immer wieder, wie gut es ihr schmeckt und ob wir nochmal einen Obstsalat machen können." Oder auch in Sachen Zahnpflege: "Mogli und ich können einen tollen Fortschritt hinsichtlich ihrer Zahnpflege verzeichnen. Während ihr noch zu Beginn unserer Beziehung mehrere Zähne aufgrund von Löchern gezogen werden mussten, berichtet sie mir nun stolz, dass sie sich jetzt drei Mal täglich die Zähne putzt und dass der Zahnarzt ihre Zähne als ,blitzesauber' bezeichnet hat."  

Das Fazit der Kinder: "Sehr gut!"  

 "Das Mentorenprojekt ,Balu und Du' kann also als ein Breitbandangebot angesehen werden, das in Bezug auf ganz unterschiedliche Probleme von Grundschulkindern präventiv wirkt", so das Fazit der Präventionsforscherin. Und die Kinder sind begeistert. Auf die Frage "Du hast vor einem Jahr einen Balu bekommen - wie findest Du das?" antworteten 97 Prozent mit: "ziemlich gut" oder "sehr gut".  

 


Eltern, Kinder und Lehrer, die Interesse an "Balu und Du" haben, können sich direkt an die Geschäftsstelle des Balu und Du e.V. wenden unter 0221 2010-326. Weitere Informationen gibt es im Internet unter  www.balu-und-du.de.


Ansprechpartnerin:
Prof. Dr. Hildegard Müller-Kohlenberg
Universität OsnabrückHeger-Tor-Wall 9
49069 Osnabrück
Tel.: 0541 969-4562
Fax: 0541 969-4585
E-Mail: muellerk@uos.de