Das Forschungsnetzwerk DEDIPAC untersucht Einflussfaktoren auf das Ernährungs- und Bewegungsverhalten. Über eine App werden Daten in mehreren Ländern gleichzeitig erfasst und ausgewertet. Im Gespräch erklärt Professor Thomas Kubiak, was das Besondere daran ist.
Herr Professor Kubiak, können Sie uns bitte kurz erklären, worum es bei Ihrem Projekt geht?
Professor Thomas Kubiak: Bei DEDIPAC geht es um Ernährung und Bewegung und deren Einflussfaktoren. Wir haben in unserem Projekt eine digitale Plattform geschaffen, die alle diese drei Bereiche erfasst und vereint. Wir haben mithilfe von Smartphones und von Fragebögen, Bewegungssensoren und GPS-Daten Informationen gesammelt, die in ihrer Gesamtschau Rückschlüsse auf die gesellschaftlichen Einflussfaktoren zulassen.
Wie haben Sie das konkret gemacht?
Wir haben eine App entwickelt und ihre Anwendung zunächst bei Softdrinks ausprobiert. Softdrinks stellen unter Public-Health-Aspekten ein gravierendes Gesundheitsproblem dar, daher haben wir diese ausgewählt. Mittels Smartphones haben wir dann den Konsum von Softdrinks erfasst. Dies erfolgte zum einen über Selbstberichte – mit der Option, den Barcode einzuscannen. Anhand des Barcodes können wir schnell erkennen, um was für eine Art Getränk es sich handelt. Und ob es zum Beispiel mit Süßstoff oder Zucker gesüßt ist. Zum anderen haben wir zusätzlich Fragen zur Situation gestellt. Für uns ist es beispielsweise sehr interessant, ob die Person alleine ist oder in Gesellschaft, ob sie zu Hause ist oder unterwegs. Über einen Bewegungssensor und GPS-Daten haben wir dann auch das Bewegungsverhalten erfasst.
Wer hat denn an Ihrer Studie teilgenommen?
Wir haben unser neues Forschungsinstrument zunächst beispielhaft bei norwegischen, niederländischen und deutschen Studierenden getestet. Bislang waren solche gleichzeitigen Erhebungen in unterschiedlichen europäischen Ländern schwer möglich, unter anderem weil es hier keine einheitlichen Standards gab. Bislang wurden Ernährung und Bewegung meist separat erfasst und losgelöst von dem tatsächlichen sozialen Umfeld und Einflussfaktoren.
Sie haben nun also die Möglichkeit, alle Daten auf einen Blick auszuwerten – und das in mehreren europäischen Ländern?
Ja, genau. Wir haben ein Forschungsinstrument ge-schaffen, das uns erlaubt, die gesellschaftlichen Faktoren, die wir Wissenschaftler im Labor gefunden haben, auch im Alltag zu untersuchen. Und dadurch, dass wir es in mehreren Ländern gleichzeitig einsetzen können, können wir auch leichter Zusammenhänge sehen.
Welche gesellschaftlichen Zusammenhang interessieren Sie denn?
Ein Beispiel wäre: Sind mit Zucker gesüßte Getränke akzeptierter als mit Süßstoff gesüßte Getränke? Und wenn ja, in welchem Umfeld?
Können Sie denn schon sagen, ob es Unterschiede gibt zwischen Norwegen, den Niederlanden und Deutschland hinsichtlich des Konsums von Softdrinks?
Nein, so weit sind wir noch nicht. Wir haben zunächst getestet, ob unsere App überhaupt anwendbar ist. Der Teufel steckt da oft im Detail. Wir haben aber gesehen, dass bestimmte Tees in Norwegen beliebter sind, verglichen mit den jeweils beiden anderen Ländern. Oder dass in den Niederlanden mehr Kaffee getrunken wurde. Und insgesamt wurden weniger zuckergesüßte Getränke konsumiert, als wir erwartet hätten. Aber das sind natürlich keine repräsentativen Ergebnisse. Denn an dieser Pilotstudie haben Studentinnen und Studenten aus den drei Ländern teilgenommen. Diese Bevölkerungsgruppe spiegelt nicht die Allgemeinbevölkerung wider.
Was planen Sie denn als Nächstes?
Für weitere Informationen können Sie die frei zugängliche Originalpublikation lesen: Lakerveld et al. (2014).
Im nächsten Schritt möchten wir die App für andere Nahrungsmittel erweitern. Interessant wäre es zum Beispiel, die gesellschaftlichen Faktoren von Alkoholkonsum zu untersuchen. Aber auch der Salzgehalt in unserem Essen ist ein relevanter Punkt. Wir nehmen ja immer mehr Fertigprodukte zu uns. Welche gesellschaftlichen Faktoren stecken dahinter? Wie wirkt sich das auf unseren Salzkonsum aus? Das sind spannende Fragen, die wir gerne untersuchen möchten. Wichtig ist aber in jedem Fall, eine weniger spezifische Untersuchungsgruppe dafür zu haben – also nicht nur Studierende. Für repräsentative Ergebnisse müssen wir schon breitere Bevölkerungsgruppen einschließen.
Vielen Dank für das Gespräch!
Ein Vergleich verschiedener europäischer Bevölkerungen bietet die Gelegenheit, den Einfluss gesellschaftlicher Faktoren auf das Ernährungs- und Bewegungsverhalten besser zu verstehen. Deshalb haben sich in der Initiative „Eine gesunde Ernährung für ein gesundes Leben“ (JPI HDHL) zwölf europäische Länder zusammengetan und gemeinsam ein europäisches Netzwerk gefördert, das „Bestimmungsfaktoren“ des Ernährungs- und Bewegungsverhaltens untersucht: DEDIPAC (Determinants of Diet and Physical Activity). Zu den wichtigsten Zielen zählt die Vereinheitlichung von Methoden und Instrumenten zur Erfassung des Ernährungs- und Bewegungsverhaltens und zur Bewertung von Präventionsprogrammen. Insgesamt arbeiten 46 Arbeitsgruppen aus zwölf europäischen Partnerstaaten an diesen und anderen Herausforderungen. Das hier vorgestellte Projekt ist ein Beitrag aus Norwegen, den Niederlanden und Deutschland. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung hat die deutschen Partner aus Mainz, Freiburg und Bremen von 2014 bis 2016 gefördert.
Ansprechpartner:
Prof. Dr. phil. Thomas Kubiak
Psychologisches Institut
Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Binger Straße 14–16
55122 Mainz
06131 39-39158
06131 39-39168
kubiak@uni-mainz.dekubiak@uni-mainz.de