Gespräche allein reichen nicht

Ein Aufenthalt auf einer Intensivstation ist für Patienten und ihre Angehörigen oftmals mit Angst, Stress und Gefühlen der Unsicherheitverbunden. Ein Grund dafür ist nicht selten ein Kommunikationsdefizit zwischen Pflegekräften und Patienten bzw. ihren Angehörigen. Um die Kommunikation zu verbessern und den Patienten ihre Ängste zu nehmen, sollten die Betroffenen bereits zu Beginn des Aufenthaltes mit Informationen rund um die Intensivstation versorgt werden – so die Vorstellung von Experten. In einer Studie hat sich nun gezeigt, dass Gespräche allein hierfür offenbar nicht ausreichen. (Newsletter 54 / November 2011)

Angst vor der Intensivstation – Wie lässt sich das verhindern?´

Intensivstation – dieses Wort bzw. die Vorstellung auf einer Intensivstation zu liegen, löst bei vielen Menschen Ängste aus. Man sieht schwerstkranke Menschen vor sich, eine Fülle an Geräten und übernächtigte Ärzte und Pflegekräfte. Wer soll auf einer solchen Station die Zeit für ruhige Gespräche finden? „Das ist tatsächlich kaum möglich“, sagt Dr. Thomas Neubert von der Philipps Universität Marburg. „Die Kommunikation zwischen Schwestern, Pflegern, Ärzten und ihren Patienten bzw. deren Angehörigen kommt im Alltag deshalb oftmals zu kurz.“ Die Folge: Bei Patienten und Angehörigen entsteht Angst, Unsicherheit und auch Ärger. „Rund ein Drittel der Patienten klagen zu Beginn einesIntensivstationsaufenthaltes über Ängste. Dagegen müssen wir gezielt etwas tun“, so Dr. Neubert. Pflegewissenschaftler waren bislang davon überzeugt, dass gezielte Informations- und Aufklärungsgespräche mit den Patienten etwa über die Abläufe auf der Intensivstation dringend notwendig sind.

Was haben die Geräusche zu bedeuten?

In einer Studie haben Dr. Neubert und seine Kolleginnen und Kollegen vom Pflegeforschungsverbund Mitte-Süd deshalb untersucht, ob ein strukturiertes Gespräch dazu beitragen kann, dass Intensivpatienten von ihrem Angsterleben befreit werden. „Hierbei haben Pflegekräfte ihre Patienten in Gesprächen zum Beispiel darüber aufgeklärt, was unterschiedliche Geräusche zu bedeuten haben, welche Möglichkeiten es gibt, sich bemerkbar zu machen oder mit welchen unterschiedlichen Konzepten eventuell auftretende Schmerzen behandelt werden können“, beschreibt Dr. Neubert.  Mehr als 180 Patientinnen und Patienten auf den herzchirurgischen, allgemeinchirurgischen und internistischen Intensivstationen der Unikliniken Marburg, Halle und Stuttgart nahmen an der vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Studie teil. Die Studienteilnehmenden wurden per Zufallsprinzip in eine von zwei Gruppen eingeteilt: Die Patientinnen und Patienten der Interventionsgruppe erhielten das beschriebene spezifische Informations- und Aufklärungsgespräch. Mit den Patientinnen und Patienten der Kontrollgruppe wurde zwar auch ein Gespräch geführt, dieses enthielt jedoch keine spezifischen Informationen zur Intensivstation. Alle Gespräche fanden direkt zu Beginn des Intensivstationsaufenthaltes statt und dauerten durchschnittlich 10 bis 15 Minuten. Das Ergebnis: In puncto Angstreduktion gab es keinen Unterschied zwischen der Interventions- und der Kontrollgruppe – gemessen anhand der Aussagen der Patientinnen und Patienten bei ihrer Entlassung von der Intensivstation. „Die Gespräche mit spezifischen Informationen zur Intensivstation reichen also offenbar nicht aus, um die Patienten von ihren Ängsten zu befreien“, so das Fazit der Wissenschaftler. „Wir halten es dennoch für wichtig, dass Kliniken und Krankenhäuser zukünftig mehr Wert darauf legen, ihre Angestellten zum Thema Kommunikation mit Intensivstationspatienten fortzubilden. Denn nur durch eine verbesserte Kommunikation können die Sorgen und Ängste der Patienten auf Dauer verringert werden“, sagt Dr. Neubert.

Die Suche geht weiter

Die Suche nach geeigneten Maßnahmen, um Patienten und Angehörigen den Aufenthalt auf einer Intensivstation etwas angenehmer zu gestalten, geht also weiter. So soll beispielsweise untersucht werden, ob und mit welchen Möglichkeiten Angehörige besser in den Genesungsprozess mit eingebunden werden können. Auf Kinderintensivstationen geschieht das bereits. Hier stellt die Unterstützung der Angehörigen – in den meisten Fällen sind es die Eltern – einen Grundpfeiler der ganzheitlichen Pflege und Behandlung der Kinder dar. Dr. Neubert: „Aus Gesprächen mit Angehörigen wissen wir, dass viele gerne dazu bereit sind, mit einer entsprechenden Instruktion die Pflege und Behandlung ihrer kranken Angehörigen zu unterstützen.“

Ansprechpartner:  
Dr. Thomas Neubert Philipps
Universität Marburg Universitätsklinikum Gießen und Marburg GmbH
35043 Marburg
Tel.: 06421 58-63285
Fax: 6421 58-62105
E-Mail: neubertt@med.uni-marburg.de