Freiburger Wissenschaftler arbeiten an einer neuen Methode zur Behandlung von Leistenbrüchen. In eigens dafür entwickelten Bioreaktoren wollen sie hoch belastbares Gewebe züchten, um Lücken in der Bauchdecke zu schließen.
Leistenbrüche sind in Deutschland die Hauptursache für Operationen – rund 230.000-mal pro Jahr wird dieser Eingriff durchgeführt. Ein Leistenbruch entsteht, wenn das Bauchfell – und mit ihm oft Teile des Darms – durch eine Muskellücke im Bereich der Leiste nach außen tritt. Solche Muskellücken können durch schweres Heben oder angeborene Schwachstellen der Bauchdecke entstehen. Ein Leistenbruch muss fast immer operiert werden. Um die Stabilität des Gewebes zu erhöhen, nähen Chirurgen dabei oft synthetische Netze mit ein, die dauerhaft im Körper verbleiben. Diese Netze können Schmerzen und unangenehme Empfindungen bei bestimmten Körperbewegungen verursachen.
Um dieses Problem zu umgehen, erforschen Freiburger Wissenschaftler um Dr. Martin Jaeger mit Unterstützung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) einen neuen Weg: Anstelle der Kunststoffnetze soll gezüchtetes Gewebe die Muskellücken sicher verschließen. Dafür wollen die Forscher Zellen auf speziellen Kunststoffnetzen kultivieren und die mit Zellen bewachsenen Netze anschließend in die Bauchdecke transplantieren. Das besondere an diesen Netzen: Sie lösen sich im Körper allmählich auf – allerdings erst, wenn das neue Gewebe in die Bauchwand eingewachsen ist und so den Bruch vollständig verschlossen hat. Im Körper verbleibt kein störendes Fremdmaterial. Über einen geeigneten Stoff für die neuartigen Netze verfügen die Freiburger Wissenschaftler bereits seit einiger Zeit. Er ist enorm stabil, gut verträglich und wird im Körper zu ungefährlichen Produkten abgebaut. „Jetzt suchen wir die geeigneten Zellen, aus denen wir belastbares Gewebe züchten können. Um sie zu finden, benötigen wir einen Bioreaktor, der gleichzeitig Spannungen und Drücke auf das wachsende Gewebe ausübt und so einen Leistenbruch simuliert“, erläutert Jaeger.
Neuer Bioreaktor
Inzwischen ist der neue Bioreaktor betriebsbereit. Das Gewebe kann in ihm unterschiedlich gedehnt und belastet werden, unter anderem durch Drehungen in mehrere Richtungen . Diese Situation simuliert gut die natürlichen Zustände in unserer Bauchwand. Das Kernstück des neuen Bioreaktors besteht aus zwei Kammern, die über einen Membranring miteinander verbunden sind. An diesem Ring wird das zu testende Transplantat befestigt. Die obere Kammer versorgt die Zellen mit einer Nährlösung, während die untere mechanische Belastungen ausübt.
„Wir haben im Bioreaktor Stammzellen aus dem Knochenmark getestet und gezeigt, dass die Zellen sich der mechanischen Belastung anpassen. Sie ordnen sich in besonderer Weise an“, so Jaeger. Außerdem bilden die Zellen vermehrt Proteine, die für Stabilität im Gewebe sorgen. Eines dieser Proteine ist typisch für Sehnen-Zellen – also für Zellen, die starker Zugspannung ausgesetzt sind. Ein anderes verleiht unter anderem der Haut ihre Festigkeit. „Unser nächster Schritt wird sein, das System aus Matrix und Zellen im Tiermodell zu testen. Vielleicht können wir Leistenbrüche dann bald besser heilen – zumindest schon mal bei Kaninchen“, hofft Jaeger.
Ansprechpartner:
Dr. Martin Jaeger
Klinik für Traumatologie Universitätsklinik Freiburg
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