Grüner Tee könnte eine neue Therapieoption für Patienten mit Multipler Sklerose liefern. Ein Inhaltsstoff bremst offensichtlich den chronischen Entzündungsprozess im zentralen Nervensystem, der für die Erkrankung typisch ist.
Verantwortlich für die erhofften positiven Effekte des grünen Tees ist die Substanz Epigallocatechin-3-Gallat (EGCG), ein Naturstoff aus der Gruppe der so genannten Flavanoide. Er ist in geringerer Menge auch in schwarzem Tee enthalten. EGCG kann offensichtlich sowohl ein fehlgeleitetes Immunsystem drosseln als auch die Nervenzellen vor schädlichen Einflüssen des Immunsystems schützen. Das fanden Wissenschaftler um Professor Frauke Zipp vom Institut für Neuroimmunologie der Charité in Berlin jetzt heraus. Sie überprüften die Wirksamkeit der Substanz im Tierversuch und in Kulturen von menschlichen Immun- und Nervenzellen. „Wir haben mit EGCG erstmals eine Substanz gefunden, die oral verabreicht über unabhängige immunmodulatorische und nervenzellschützende Eigenschaften verfügt”, erklärt Dr. Orhan Aktas, der die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderte Studie gemeinsam mit seinem Kollegen Dr. Timour Prozorovski durchführte. „Somit scheint EGCG die zerstörerischen Krankheitsprozesse der Multiplen Sklerose von zwei Seiten anzugreifen. Darüber hinaus hat die Substanz den Vorteil, dass sie wahrscheinlich kaum Nebenwirkungen verursacht.“
Studien am Patienten geplant
Aktas, Prozorovski und ihre Kollegen wiesen nach, dass EGCG in das Wachstum aktivierter Immunzellen, der so genannten T-Lymphozyten, eingreift und die Expansion dieser Zellen hemmt. Gleichzeitig kann EGCG die Nervenzellen vor verschiedenen schädlichen Substanzen schützen, die das Immunsystem freisetzt. „Die Ergebnisse sind viel versprechend, zumal die Therapieerfolge mit den bisher bekannten Behandlungsmöglichkeiten vergleichsweise bescheiden ausfallen. Unsere Versuche haben gezeigt, dass EGCG auch bei bereits erkrankten Tieren wirkt. Dies entspricht der Behandlungssituation bei Patienten, die sich nach dem ersten Schub einer Multiplen Sklerose bei ihrem Arzt vorstellen“, erläutert Aktas. Als nächstes planen die Wissenschaftler Studien, die untersuchen sollen, ob eine Behandlung mit EGCG bei Patienten mit schubförmiger Multipler Sklerose wirksam und sicher ist. „Wenn diese Studien positiv ausfallen, steht mit EGCG vielleicht bald eine neue Therapie für Patienten mit Multipler Sklerose zur Verfügung“, hofft Aktas.
Abwehrsystem attackiert Nervenzellen
Die Multiple Sklerose ist eine chronisch-entzündliche Erkrankung des Nervensystems, die meist im frühen Erwachsenenalter beginnt und ganz unterschiedlich verlaufen kann. Wissenschaftler gehen von einer fehlgeleiteten Immunreaktion aus, bei der das Abwehrsystem die eigenen Nervenzellen attackiert. Die Beschwerden sind vielfältig und können schubförmig auftreten. Häufig leiden die Betroffenen unter Sehstörungen, Sensibilitätsstörungen sowie Sprach- und Gleichgewichtsstörungen. Im weiteren Verlauf können außerdem Lähmungen von Armen und Beinen sowie Störungen der Blasenfunktion auftreten.
Ansprechpartner:
Dr. Orhan Aktas
Institut für Neuroimmunologie Charité
Universitätsmedizin Berlin
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