Metastasen verschlechtern die Heilungschancen bei Lungenkrebs deutlich. Forschende vom DZL fanden heraus, dass eine Gruppe von Lymphozyten, die Th9/Th17-Zellen, eine wichtige Rolle bei der Bildung von Metastasen spielen.
Von allen Tumorarten ist Lungenkrebs weltweit für die meisten Todesfälle verantwortlich. Das hängt auch damit zusammen, dass er in der Regel erst zu einem Zeitpunkt erkannt wird, an dem sich bereits Metastasen gebildet haben und eine Heilung dadurch wesentlich erschwert wird. Aus diesem Grund ist es im Hinblick auf eine wirkungsvolle Therapie wichtig, die Prozesse zu verstehen, die zu der Entstehung von Metastasen führen.
Immunzellen fördern Bildung von Metastasen
Ihren Ursprung nehmen Metastasen in Zellen des Primärtumors, die im Zuge der Erkrankung ihre Eigenschaften verändern. Zunächst haben diese Zellen noch den Charakter von Epithelzellen, die üblicherweise innere und äußere Körperoberflächen auskleiden. Dann wandeln sie sich in einem als epithelial-mesenchymale Transition bezeichneten Prozess um und werden zu mesenchymalen Zellen – Vorgängerzellen für unterschiedliche Gewebetypen. Dadurch entstehen äußerst mobile Zellen, die durch die Blutbahn zirkulieren und an anderer Stelle anschließend Metastasen bilden. Eine Arbeitsgruppe von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus dem Deutschen Zentrum für Lungenforschung (DZL) am Max-Planck-Institut für Herz- und Lungenforschung in Bad Nauheim hat nun zusammen mit Kollegen und Kolleginnen der Justus-Liebig-Universität in Gießen und der Philipps-Universität in Marburg zeigen können, dass Immunzellen eine wesentliche Rolle bei dieser epithelial-mesenchymalen Transition spielen. Geleitet wurde das Projekt von Dr. Rajkumar Savai, wissenschaftlicher Koordinator des Krankheitsbereichs Lungenkrebs im DZL.
„Man kann davon ausgehen, dass das Immunsystem in ganz vielen Fällen die Entstehung eines Tumors verhindern kann. Im Normalfall entdecken und eliminieren Immunzellen entartete Zellen. Wir haben nun allerdings eine Subpopulation an T-Zellen gefunden, die in den Primärtumor einwandern und dann genau das Gegenteil bewirken“, erklärt Savai, Projektleiter in der Abteilung Entwicklung und Umbau der Lunge, die von DZL-Sprecher Professor Dr. Werner Seeger am Max-Planck-Institut geführt wird.
Einen ersten Hinweis erhielten die Forschenden aus Experimenten in Zellkulturen. So stellten sie fest, dass vor allem aktivierte Lymphozyten Lungentumorzellen zur Umwandlung in den mesenchymalen Zelltyp stimulierten. Zudem regten sie bei den Tumorzellen deren Teilungsaktivität und Migration an. „Auffällig war zudem, dass wir in den Kulturen erhöhte Konzentrationen an bestimmten Botenstoffen, den Zytokinen IL-9 und IL-17, feststellen konnten“, so Savai.
Geringere Überlebensrate bei Patienten mit hohem Anteil an Th9/Th17-Zellen
Daraufhin suchten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in Gewebeproben von Erkrankten mit einem kleinzelligen Lungentumor nach einer Bestätigung ihres Befundes. Mithilfe eines computerbasierten Bildgebungsverfahrens gelang es, eine räumliche Rekonstruktion verschiedener Zelltypen und Markerproteine innerhalb der Gewebeproben zu erstellen. Damit wurden im Gebiet zwischen den Tumorzellen, dem Stroma, eingewanderte T-Helferzellen sichtbar, darunter auch die Th9- und Th17-Subpopulationen. Th9-Zellen sind die wichtigsten Produzenten von IL-9, Th17-Zellen von IL-17. Besonders auffällig war, dass in der Gruppe der Patientinnen und Patienten mit überdurchschnittlich hohem Anteil an Th9/Th17- Zellen die Überlebensrate deutlich kleiner war.
In tierexperimentellen Studien an Mäusen wiesen die Max-Planck-Forschenden schließlich nach, dass die Th9/Th17-Zellen sowohl für die epithelial-mesenchymale Transition als auch für die anschließende Migrationsaktivität der umgewandelten Zellen verantwortlich waren. Zudem bildeten Mäuse, denen neben Tumorzellen zusätzlich Th9/Th17-Zellen injiziert wurden, wesentlich mehr Metastasen aus als Tiere, die keine Lymphozyten erhalten hatten. „Dass die Wirkung der Th9/Th17-Zellen über die beiden Botenstoffe IL-9 und IL-17 abläuft, stellten wir dann fest, als wir das Experiment mit Mäusen durchführten, denen neutralisierte Antikörper gegen die beiden Botenstoffe gegeben wurden. Daraufhin bildeten sich in den so behandelten Tieren wesentlich weniger Metastasen“, erklärt Savai.
Im Hinblick auf eine spätere klinische Anwendung ist vor allem dieses Experiment wichtig: „Wir werden als nächstes untersuchen, ob eine Antikörper-Behandlung gegen IL-9 und IL-17 ein neues immun-basiertes Therapiekonzept bei Lungentumoren darstellen könnte“, sagt Seeger. Dabei müsse auch untersucht werden, ob und wie das komplexe System an unterschiedlichen Immunzellen und Botenstoffen so beeinflusst werden kann, dass sich am Ende ein Therapieerfolg einstellt.
Deutsches Zentrum für Lungenforschung e. V. (DZL)
Das Deutsche Zentrum für Lungenforschung e. V. (DZL) ist ein vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gemeinsam mit den fünf Sitzländern der Standorte geförderter Zusammenschluss aus 29 führenden universitären und außeruniversitären Einrichtungen, die sich der Erforschung von Atemwegserkrankungen widmen. Im DZL wird die grundlagen-, krankheits- und patientenorientierte Forschung auf dem Gebiet der Lungenerkrankungen koordiniert und auf internationalem Spitzenniveau durchgeführt, um so die Translation grundlagenwissenschaftlicher Erkenntnisse in neue klinische Konzepte zur Verbesserung der Patientenversorgung zu beschleunigen.
Mehr Informationen unter: www.dzl.de
Ansprechpartner:
PD. Dr. Rajkumar Savai
Max-Planck-Institut für Herz- und Lungenforschung
Parkstraße 1
61231 Bad Nauheim
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rajkumar.savai@mpi-bn.mpg.de
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