| Juni 2023

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Herzinfarkt: Narbenbildung steuern, Folgeschäden verringern

Forschende des DZHK haben einen neuen Signalweg des Gerinnungssystems gefunden, der die Narbenbildung nach einem Herzinfarkt steuert. Gelänge es, diesen Signalweg zu hemmen, könnten Herzinfarkte mit weniger Folgeschäden ausheilen.

Eine Ärztin sitzt vor einem Ultraschallgerät und schallt die Brust eines Mannes, der neben ihr auf einer Liege liegt.

Bedingt durch Entzündungsprozesse können nach einem Herzinfarkt Narben am Herzgewebe entstehen und eine ausgeprägte Herzschwäche verursachen. DZHK-Forschende untersuchten, wie sich die Narbenbildung – und damit auch Folgeschäden – verringern lassen.

Peakstock/Adobe Stock

Bei einem Herzinfarkt ist Eile geboten. Weil das Herzgewebe nicht ausreichend durchblutet wird, beginnt es abzusterben. Erfolgt bereits kurz nach dem Ereignis eine Revaskularisation, wird also das verschlossene Gefäß wieder geöffnet, kann ein Infarkt fast folgenlos ausheilen. Vergehen jedoch mehr als 24 Stunden, ist das Gewebe nicht mehr zu retten und der Körper beginnt mit der „Aufräumarbeit“. Fresszellen des Immunsystems räumen tote Zellen ab, was mit heftigen Entzündungen verbunden ist. Schließlich wandern Bindegewebszellen ein und bilden Narbengewebe.

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Die überschießende Entzündung und Narbenbildung kann dabei auch die Randbereiche des Infarkts betreffen und sogar auf weiter entfernte Regionen des Herzens übergreifen. „Diese Menschen entwickeln oft eine besonders schwere Form der ischämischen Herzschwäche. Die Herzkammer ist dann ballonartig aufgebläht und die Pumpfunktion global stark eingeschränkt“, sagt Professor Philip Wenzel vom Zentrum für Kardiologie der Universitätsmedizin Mainz am Standort Rhein-Main des Deutschen Zentrums für Herz-Kreislauf-Forschung. Er und sein Team am dortigen Centrum für Thrombose und Hämostase sind der Frage nachgegangen, ob sich dieser überschießende bindegewebige Umbau des Herzens verhindern lässt.

Fibrose kann durch Hemmung von Gerinnungssignalweg gestoppt werden
Die Wissenschaftler untersuchten Herzgewebe von Patientinnen und Patienten, die infolge eines Infarkts eine lang anhaltende ischämische Herzschwäche entwickelt hatten, und fanden vermehrt Proteine, die an Gerinnungs- und Fibroseprozessen beteiligt sind, wie sie auch bei einem akuten Infarkt vorkommen. Als Vergleich diente ihnen Gewebe von gesunden Spendern, beispielsweise aus Organen, die nicht transplantiert werden konnten.

Sie fanden heraus, dass an der Signalübertragung der Entzündungsprozesse auch bestimmte Entzündungszellen beteiligt sind, die Monozyten. Wenn die Forschenden auf den Monozyten die Signalübertragung des Gerinnungsfaktors Tissue Factor und seines Rezeptors PAR2 blockierten, bildete sich weniger Wachstumsfaktor TGF-ß1 und in der Folge weniger überschießende Fibrose. Im Mausmodell konnten positive Folgen einer verminderten Narbenbildung nachgewiesen werden: weniger Herzschwäche, bessere Herzleistung und geringere Sterblichkeit.

Porträt Prof. Dr. Philip Wenzel

Prof. Dr. Philip Wenzel

Peter Pulkowski, Fotoredaktion_Mainz

Bekanntes Medikament verbessert Pumpleistung

Auch das bereits bekannte gerinnungshemmende Medikament NaPC2 kann den neu gefundenen Signalweg hemmen und wäre damit aus Sicht von Wenzel ein Wirkstoffkandidat, mit dem sich die chronische ischämische Herzschwäche behandeln oder sogar verhindern ließe. Im Mausmodell sei ein eindeutiger Effekt auf die Pumpleistung erkennbar und diese dank des Medikaments nur halb so stark eingeschränkt gewesen. Ließe sich das auf den Menschen übertragen, könnte das laut Wenzel den entscheidenden Unterschied ausmachen, ob ein Herzinfarkt-Patient mit verzögerter Wiederdurchblutung eine schwere Herzschwäche entwickelt und kleinste Anstrengungen nicht mehr bewältigen kann oder ob der Betroffene in der Lage wäre, voll ins Leben zurückzukehren und seinen Alltag selbstständig zu verrichten.

„Wir haben festgestellt, dass Patientinnen und Patienten mit subakutem Herzinfarkt, also verzögerter Behandlung nach Beschwerdebeginn, eine pathologische Aktivierung des pro-fibrotischen Signalwegs schon in den zirkulierenden Monozyten in der Blutbahn aufweisen“, betont Wenzel. „Hier haben wir möglicherweise einen Biomarker an der Hand, der uns helfen könnte, Personen mit erhöhtem Risiko für die Entwicklung einer schweren Herzschwäche nach Infarkt zu identifizieren.“

Deutsches Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung (DZHK)

Im Deutschen Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung, kurz DZHK, bündeln 30 universitäre und außeruniversitäre Forschungseinrichtungen an sieben Standorten in ganz Deutschland ihre Kräfte, indem sie eine gemeinsame Forschungsstrategie verfolgen. Das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und den Sitzländern geförderte DZHK bietet ihnen den Rahmen, um Forschungsideen gemeinsam, besser und schneller als bisher umsetzen zu können. Wichtigstes Ziel des DZHK ist es, neue Forschungsergebnisse möglichst schnell für alle Patientinnen und Patienten verfügbar zu machen und Therapien sowie die Diagnostik und Prävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu verbessern.


Pressekontakt:
Christine Vollgraf
Deutsches Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung
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