Obwohl sich die Heilungschancen für krebskranke Kinder in den vergangenen Jahren enorm verbessert haben, ist Krebs – nach Verkehrsunfällen – weiterhin die zweithäufigste Todesursache von Kindern in Deutschland. Besonders viele Kinder sterben an den Folgen eines Hirntumors. Um die Heilungschancen von Kindern mit Hirntumoren zu verbessern, haben Wissenschaftler nun ein Konzept entwickelt: In Zukunft sollen es molekulare Biomarker ermöglichen, Krankheitsverlauf und Therapieerfolg vorherzusagen.
Wuchert im Gehirn eines Kindes ein gefährlicher Tumor, müssen die Ärzte meist schnell mit einer Behandlung beginnen. Was wäre, wenn man schon vor Beginn der Therapie vorhersagen könnte, welche Behandlung den Tumor am effektivsten zerstört? „Das wäre ein großer Fortschritt und würde die Heilungschancen der Kinder deutlich verbessern“, sagt Dr. Stefan Pfister vom Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg. „Wenn wir wüssten, wie ein Kind auf die Therapie anspricht, wäre es auch möglich, die Art und Intensität der Behandlung genau auszuwählen.“ Denn ist ein Hirntumor besonders bösartig, sollte die Strahlen- oder Chemotherapie von Anfang an sehr intensiv sein. Ist der Tumor allerdings weniger gefährlich oder wird er durch die gewählte Therapie voraussichtlich schnell zerstört, benötigt ein Kind vermutlich nicht die volle Dosis der belastenden Therapie. Genau diesen Blick in die Zukunft sollen molekulare Biomarker den Wissenschaftlern ermöglichen.
Eine präzise Diagnose für eine gezielte Therapie Für Leukämien sind bereits seit einigen Jahren solche prognostischen Marker bekannt. Mit ihrer Hilfe können die Ärzte über die Intensität der Krebstherapie entscheiden. „Gerade die klinische Anwendung dieser molekularen Biomarker hat maßgeblich zur effektiveren Bekämpfung von kindlichem Blutkrebs beigetragen“, erklärt Dr. Pfister. Daher sind mittlerweile nicht mehr die Leukämien die Krebstodesursache Nummer eins im Kindesalter, sondern die Hirntumore. „Denn für Hirntumore haben vergleichbare Marker erst jetzt Einzug in die klinische Anwendung gefunden.“
Dr. Pfister untersucht nun in einer Studie, wie zuverlässig verschiedene Biomarker den Krankheitsverlauf von Kindern mit einem Medulloblastom, dem häufigsten bösartigen Hirntumor im Kindesalter, vorhersagen können. „Wir kennen bereits einige Marker für kindliche Hirntumore“, sagt Dr. Pfister. Bisher wurde aber in keiner unabhängigen Studie nachgewiesen, ob diese Marker tatsächlich eine verlässliche Prognose über den Verlauf der Krankheit und den Erfolg einer Therapie zulassen. „Jetzt möchten wir herausfinden, ob diese Marker wirklich verlässlich sind.“ Mit Unterstützung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) werden in der Studie bei nahezu allen Kindern in Deutschland, die neu an einem Medulloblastom erkranken, die molekularen Marker untersucht. Ein Ziel des Forschungsverbundes, dem Wissenschaftler aus Bonn, Düsseldorf, Hamburg, Mainz und Heidelberg angehören, ist es, die kleinen Patienten mithilfe der Marker in verschiedene Therapiegruppen einzuteilen. Dr. Pfister ist optimistisch: „Wir glauben, mit dieser Methode langfristig mehr Kinder heilen zu können. Bei anderen hoffen wir, die Neben- und Folgewirkungen der eingreifenden, aber lebensrettenden Therapie zu reduzieren.“
Ein molekularer Biomarker, der den Verlauf einer Tumorerkrankung vorhersagen kann, ist das Gen C-MYC. Üblicherweise liegt dieses Gen in gesunden Körperzellen in zwei Kopien vor, bei Tumorzellen ist es aber oftmals in größerer Zahl vorhanden. „Hat ein Kind beispielsweise durchschnittlich mehr als vier Kopien dieses Gens in seinen Krebszellen, scheint das Medulloblastom besonders aggressiv zu sein“, erläutert Dr. Pfister. „Dieses Kind müsste entsprechend intensiver behandelt werden.“
Es sind bereits zahlreiche molekulare Indikatoren bekannt, welche die Diagnose und Behandlung von Krankheiten deutlich verbessern könnten. Diese Biomarker haben das Potenzial, eine Erkrankung frühzeitig zu diagnostizieren, den Verlauf einer Erkrankung zu prognostizieren oder den Erfolg einer Therapie exakt zu verfolgen. Prinzipiell kann jedes Gen und jedes Protein, das mit einer Erkrankung direkt oder indirekt in Verbindung steht, als molekularer Biomarker verwendet werden. Bisher sind jedoch nur wenige Tests so weit entwickelt, dass sie im klinischen Alltag genutzt werden können. Dafür müssen Biomarker vor einem möglichen Routineeinsatz in Klinik und Praxis eingehend geprüft werden. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) möchte diese Lücke zwischen Grundlagenforschung und Patientenversorgung schließen und fördert deshalb den Transfer von Grundlagenwissen in die klinische Anwendung. Seit 2007 unterstützt das BMBF 19 Verbund- und Einzelprojekte zur „Molekularen Diagnostik“ mit rund 20 Millionen Euro.
Ansprechpartner:
Dr. Stefan Pfister
Deutsches Krebsforschungszentrum Heidelberg
Abteilung Molekulare Genetik
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Fax: 06221 42-4639
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