Die von Prof. Dr. Wolfram-Hubertus Zimmermann und Mitarbeitenden entwickelten Herzpflaster bei Herzmuskelschwäche erfordern die parallele Einnahme von Immunsuppressiva. Eine neue Generation der Pflaster soll diese Notwendigkeit reduzieren.
Prof. Dr. Wolfram-Hubertus Zimmermann ist Direktor des Instituts der Pharmakologie und Toxikologie am Universitätsklinikum Göttingen. Sein Forschungsschwerpunkt besteht in der Entschlüsselung von Prozessen, die der Degeneration, Regeneration und Reparatur von Organen zugrunde liegen. Von besonderem Interesse sind dabei für ihn das Herz, das Gehirn und die Skelettmuskulatur. Seine Forschung stützt sich auf 2D- und 3D-Modelle menschlicher Gewebe und Organe, um Krankheiten zu simulieren und gezielte Therapien zu ermöglichen. Im Rahmen des Innovationswettbewerbs des BMBF „Organersatz aus dem Labor“ entwickelt er mit seinem Team sogenannte Herzpflaster für die personalisierte Anwendung bei Patientinnen und Patienten mit Herzmuskelschwäche.
Herr Prof. Zimmermann, gemeinsam mit Ihren Projektpartnern entwickeln Sie einen Prozess für die automatisierte Herstellung von menschlichem Herzmuskelgewebe für Patientinnen und Patienten mit einer Herzmuskelschwäche. Worum geht es bei diesem Vorhaben?
Das IndiHeart-Projekt hat zwei wissenschaftliche Stränge, die wir im letzten Projektjahr (2024) zusammenführen wollen. Strang 1 bildet die Herstellung hypoimmunogener Herzpflaster, die nicht als körperfremd erkannt werden und daher keine Immunreaktion auslösen, für die Implantation in Patienten mit Herzmuskelschwäche. Dieser Ansatz soll helfen, die aktuelle Notwendigkeit der Anwendung von Immunsuppressiva bei der Therapie so weit wie möglich zu reduzieren. Im zweiten Strang erfolgt die automatisierte Herstellung personalisierter EHM (Engineered Heart Muscle - EHM) gemäß spezifischer Patienteninformationen, die über Herzbildgebung (Kernspintomographie, Computertomographie oder Echokardiographie) gewonnen werden.
Durch das Zusammenführen beider Stränge soll der Nachweis für die automatisierte Herstellung hypoimmunogener, personalisierter Herzpflaster erbracht werden. Diese Herzpflaster sollen in der Folge und bei positiven Ergebnissen der aktuell laufenden Herzpflasterstudie (BioVAT-HF) auch im Patienten getestet werden.
Ihre Herzpflaster befinden sich aktuell in einer klinischen Studie – was sind dabei noch die Limitierungen hinsichtlich der Patientenpopulation und welches Patientenkollektiv streben Sie zukünftig mit Ihren hypoimmunogenen Herzpflastern an?
Aktuell behandeln wir in unserer Studie BioVAT-HF Patientinnen und Patienten mit Herzpflastern, die trotz optimierter Therapie unter einer schweren Herzmuskelschwäche leiden. Etwa zehn Prozent der circa zwei Millionen Patientinnen und Patienten mit einer Herzmuskelschwäche in Deutschland leiden unter dieser Form der fortgeschrittenen Herzmuskelschwäche. Ein Großteil dieser Menschen hat in diesem Stadium bereits andere Organschäden, z. B. Nierenschädigungen, entwickelt. Da Immunsuppressiva die Niere angreifen können, werden Patienten mit einer fortgeschrittenen Niereninsuffizienz nicht in BioVAT-HF behandelt. Wäre die Anwendung von Immunsuppressiva nicht oder nur in reduziertem Umfang nötig, würden wir auch diese Patienten mit Herzmuskelschwäche behandeln können. Darüber hinaus würde der Verzicht auf Immunsuppression die Akzeptanz bei Patientinnen und Patienten gerade in früheren Stadien der Erkrankung erhöhen.
Wie genau soll sich die praktische Anwendung von Herzpflastern der zweiten Generation von denen der ersten Generation unterscheiden?
Die Anwendung folgt dem aktuell in BioVAT-HF erstmalig im Menschen geprüften Vorgehen. Bei Nachweis einer sicheren und effektiven Wirkung im Rahmen von BioVAT-HF, könnten Herzpflaster gemäß IndiHeart-Design die aktuellen Herzpflasterformulierungen ersetzen und das Patientenkollektiv erweitern. Hierzu wären dann zunächst vergleichende klinische Studien durchzuführen.
Mit Hilfe welcher Verfahren soll die Herstellung individuell maßgeschneiderter Herzpflaster sichergestellt werden?
Für die Herstellung maßgeschneiderter Herzpflaster werden wir Patienteninformationen (Herzbildgebung) verwenden und darüber Herzpflaster in der gewünschten Form über Spritzguss oder Druckverfahren entwickeln. Idealerweise ließen sich so für jede Patientin und jeden Patienten passgenaue Herzpflaster herstellen.
Welchen Stellenwert hat die Personalisierung von Therapien im Bereich Herzerkrankungen?
Heute werden Patientinnen und Patienten mit Herzmuskelschwäche gemäß (inter)nationaler Leitlinien behandelt. Diese Art der Behandlung berücksichtigt individuelle Unterschiede in Patientinnen und Patienten mit Herzmuskelschwäche aus unserer Sicht nur unzureichend. Grundsätzlich sind wir davon überzeugt, dass die Behandlung auch von Volkserkrankungen, wie der Herzmuskelschwäche, über eine Berücksichtigung individueller Unterschiede der Krankheitsursache bzw. des Krankheitszustandes verbessert werden kann. Im Fall der Anwendung von Herzpflastern für den Muskelaufbau sollen diese die individuelle Herzmechanik der Patientinnen und Patienten berücksichtigen – „da wo Muskel fehlt, wird dieser eingesetzt“. Es scheint naheliegend, dass individuell maßgeschneiderte Herzmuskel die Pumpkraft des Herzens besser steigern können als generische Lösungen.