Innovationswettbewerb 2010 - Die Gewinner

Im Rahmen des Innovationsforums Medizintechnik am 28. Oktober in Berlin wurden die diesjährigen elf Gewinner des "Innovationswettbewerbes zur Förderung der Medizintechnik" ausgezeichnet. Mit dem Wettbewerb sollen exzellente Forschungsideen und wegweisende Entwicklungen in die Praxis gebracht und damit die Wirtschaftskraft Deutschlands gestärkt werden. Das BMBF fördert die Siegerprojekte zusammen mit mehr als 9,1 Millionen Euro. Das Preisgeld soll die Forscherinnen und Forscher unterstützen, technische und wirtschaftliche Innovationsbarrieren zu überwinden, damit wichtige Forschungsergebnisse schneller in die medizinische Forschung gelangen.

Im Modul "Basis" (rot) gab es elf Gewinner, im Modul "Transfer" vier Gewinner (blau).

 

Bilder von der Veranstaltung

I. Projekte aus der anwendungsorientierten Grundlagenforschung (Modul "Basis")

STABIL UND FLEXIBEL WIE DER NATÜRLICHE KIEFERKNOCHEN

Neue Kunststoffplatte für eine sichere Unterkieferrekonstruktion

Unterkieferknochen sind äußerst stabil und gleichzeitig flexibel gelagert. Durch Verletzungen, Entzündungen oder Krebs kann der knöcherne Bogen jedoch beschädigt oder sogar unterbrochen werden. Um die volle Belastungsfähigkeit beim Kauen, Sprechen oder Schlucken wieder herzustellen, müssen diese Defekte operativ mit speziellen Plattensystemen überbrückt werden. Doch bisherige Rekonstruktionsplatten sind leider anfällig für Brüche und Lockerungen. Privatdozent Dr. Dr. Peter Maurer vom Universitätsklinikum Knappschaftskrankenhaus Bochum entwickelt gemeinsam mit Materialwissenschaftlern und Ingenieuren der Hochschule Merseburg (FH) und des Fraunhofer-Instituts für Werkstoffmechanik Halle (Saale) in Zusammenarbeit mit einem Unternehmen der MEDICON Gruppe Tuttlingen eine neuartige Platte aus einem Kunststoff, der fester und damit belastbarer als menschlicher Knochen ist. Da durch Wärme der Kunststoff verformt werden kann, ist es möglich, mit einer beheizbaren Biegevorrichtung die Rekonstruktionsplatte während der Operation individuell an die Kiefergeometrie anzupassen.
Durch diese Entwicklung können erneute Operationen wegen Lockerung oder Bruch der Rekonstruktionsplatten vermieden werden. Es wird eine wesentlich bessere Versorgung der Patienten gesichert, erneute Krankenhausaufenthalte bleiben den Patienten erspart und für das Gesundheitswesen ergeben sich bedeutende Kostenentlastungen.

Kontakt:
PD Dr. Dr. P. Maurer, Ruhr-Universität Bochum, Klinik für Mund-, Kiefer- und Plastische Gesichtschirurgie, Universitätsklinikum Knappschaftskrankenhaus Bochum, In der Schornau 23-25, 44892 Bochum, Tel.: 0234 299-80210, Fax: 0234 299-3509, E-Mail: peter.maurer@rub.de

MIT VOLLDAMPF IN EINE NEUE BIOREAKTORTECHNOLOGIE

Ein neues Verfahren soll die Gewebekultivierung für die Medizin verbessern

Am Zentrum für Regenerative Medizin in Tübingen wurde eine grundlegend neue Bioreaktortechnologie von Herrn Privatdozent Dr. Lothar Just und Herrn Dr. Timo Schmidt für die Kultivierung und Züchtung von Geweben entwickelt. Bei diesem Verfahren wird im Gegensatz zu anderen Techniken den Zellen das Nährmedium als feiner Nebel (Aerosol) zugeführt. Die Tröpfchen werden von einem Ultraschallzerstäuber erzeugt und sollen das kultivierte Gewebe schonend und vor allem besser mit Nährmedium und Sauerstoff versorgen.
Diese neue Technik soll nun genutzt werden, um die Qualität von Hornhauttransplantaten, die vor der Transplantation am Auge zur notwendigen Qualitätskontrolle vorkultiviert werden müssen, zu verbessern.
In Zusammenarbeit mit der Augenklinik in Tübingen, dem Institut für Technische Chemie in Hannover und Industriepartnern aus Göttingen und Soest wird nun ein entsprechender Bioreaktor für die Kultivierung von Hornhauttransplantaten und künstlicher Hornhäute technisch umgesetzt.

Kontakt:
PD Dr. Lothar Just, Zentrum für Regenerationsbiologie und Regenerative Medizin (ZRM), Anatomisches Institut, Universität Tübingen, Österbergstr. 3, 72076 Tübingen, Tel.: 07071 29-72186, Fax: 07071 29-5124

MINIMALINVAIVE HERZKLAPPENIMPLANTATION MIT DEM KATHETER - EIN SCHONENDES BEHANDLUNGSVERFAHREN FÜR RISIKOPATIENTEN

Minimalinvasiver Mitralklappenersatz

Eine Herzenklappenerkrankung kann zu ausgeprägten Symptomen wie Luftnot und Belastungseinschränkung führen und lebensbedrohliche Folgeerkrankungen auslösen. Besonders häufig tritt bei älteren Menschen eine Undichtigkeit der Segelklappe der linken Herzkammer, eine „Mitralklappeninsuffizienz" auf. Behandelt wird diese heutzutage durch eine Operation am offenen Herzen und unter Einsatz der Herz-Lungenmaschine. Dabei wird die Mitralklappe „repariert" oder in schwerwiegenden Fällen durch eine Klappenprothese ersetzt.
Ein derart aufwändiger Eingriff ist jedoch mit beträchtlichen Risiken verbunden und nicht immer erfolgreich. Ein Team um den Herzspezialisten Dr. Alexander Lauten am Universitäts-Herzzentrum Thüringen in Jena arbeitet in Zusammenarbeit mit Medizinprodukteherstellern daran, ein Verfahren zu entwickeln, bei dem erstmals eine Mitralklappenprothese über ein Blutgefäß von der Leiste aus genau an der richtigen Stelle im Herzen platziert wird. Dazu wollen die Ärzte und Wissenschaftler einen Katheter nutzen, über den ein neues, besonders flexibles Gerüst, ähnlich einem Stent, in das Herz eingeführt wird. Die Klappenprothese selbst ist zunächst eng zusammengefaltet und öffnet sich erst im Herzen, um dort die defekte Klappe zu ersetzen..
Wenn sich das Verfahren bewährt, wäre die Behandlung erheblich schonender und kostengünstiger. Zudem könnten Risikopatienten behandelt werden die bisher – zum Beispiel aufgrund von Begleiterkrankungen – nicht operiert werden können.

Kontakt:
Dr. Alexander Lauten, Klinik für Innere Medizin I, Friedrich-Schiller-Universität Jena, Erlanger Allee 101, 07747 Jena, Tel.: 03641 9324-518, Fax: 03641 9324-102, E-Mail: alexander.lauten@med.uni-jena.de

INTELLIGENTE VORBEUGUNG GEGEN HIRNBLUTUNGEN

Ein neues Verfahren zur Operation von gefährlich ausgedehnten Gefäßen

Der Schlaganfall gehört zu den häufigsten Todesursachen. Ein nennenswerter Teil wird durch Hirnblutungen verursacht - hervorgerufen durch ein geplatztes Blutgefäß, das sich unbemerkt ausgedehnt hat (Aneurysma). Wird ein solches Aneurysma jedoch rechtzeitig erkannt, kann es operativ stabilisiert werden. Hierzu wird das Aneurysma meist „von innen“ über die Gefäße verschlossen. Oft muss dazu ein Stent eingesetzt werden, wie er auch bei der Behandlung von Engstellen an Herzkranzgefäßen verwendet wird. Gefäße im Gehirn sind jedoch besonders dünn, weshalb es durch den „Fremdkörper" zu einem gefährlichen Verschluss der umgebenden Gefäße kommen kann. Ein Team um Prof. Martin Wiesmann an der RWTH Aachen entwickelt nun einen Kunststoff-Stent, der klein genug für Gehirngefäße ist und dort den Blutstrom regulieren kann. Zugleich soll sich der Stent nach der Normalisierung des Gefäßes von selbst auflösen.
Zukünftig könnte so ein Gefäßverschluss vermieden und eine jahrelange Behandlung mit gerinnungshemmenden Medikamenten überflüssig werden. Das Forscherteam erhofft sich, mit dieser Innovation die Aussicht auf eine langfristige Heilung der Patienten deutlich zu verbessern.

Kontakt:
Prof. Dr. Martin Wiesmann und PD Dr. Georg Mühlenbruch, Klinik für diagnostische und interventionelle Neuroradiologie, RWTH Aachen, Pauwelsstr. 30, 52074 Aachen, Tel.: 0241 808-9602, Fax: 0241 808-4222, E-Mail: mwiesmann@ukaachen.de

VOM GECKOFUß ZUM WUNDVERSCHLUSS

Innovatives Nahtmaterial mit Nanostruktur für die Chirurgie

Chirurgische Nähte werden meist mit Knoten fixiert. Das ist zeitaufwändig und kann im Bereich der Knoten Wundentzündungen auslösen. Vereinzelt werden auch selbsthaftende Wundverschlüsse eingesetzt, die aber entweder nicht stark genug sind oder das abgeheilte Gewebe bei Entfernen wieder beschädigen. Jetzt entwickeln Forscher nach dem Vorbild der Natur ein Nahtmaterial, dessen Struktur den feinen und extrem gut haftenden Fibrillen auf der Unterseite eines Geckofußes ähnelt. Dr. Aránzazu del Campo vom Max-Planck-Institut für Polymerforschung (Mainz), untersucht hierfür - zusammen mit Kooperationspartnern aus Saarbrücken, Frankfurt/Main, Stuttgart, Homburg/Saar und Tuttlingen - Oberflächenstrukturen aus Nanofasern. Diese sollen von alleine, also ohne Knoten, das Gewebe maximal zusammenhalten, es bei der Wundheilung schonen und beim Entfernen nicht beschädigen. Nachdem die Eignung für den chirurgischen Einsatz sowie die Bioverträglichkeit untersucht worden sind, soll ein Prototyp für die spätere Produktion entwickelt werden.
Mit dem neuartigen Nahtmaterial soll es möglich sein, den Heilungsprozess zu beschleunigen und Narbenbildung zu verringern. Patienten und Chirurgen würden auch von kürzeren Operationszeiten profitieren.

Kontakt:
Dr. Aránzazu del Campo, Max-Planck-Institut für Polymerforschung, Ackermannweg 10, 55128 Mainz, Tel.: 06131 379-563, Fax: 06131 379-271, E-Mail: delcampo@mpip-mainz.mpg.de

AUTOMATISCHER BLICK INS KNOCHENMARK

Blutarmut und Blutkrebs sollen besser und preiswerter erkannt werden

Für die Diagnose von Krankheiten wie Anämie oder Leukämie muß häufig Knochenmark des Patienten untersucht werden. Dafür wird aus dem entnommenen Material ein Ausstrich erstellt und unter dem Mikroskop analysiert. Dies kann sehr zeitaufwändig sein und setzt große Erfahrung voraus, da die Zellen oft dicht gepackt liegen und ihre Unterschiede nicht ohne weiteres sichtbar sind. Zudem schwankt die Qualität der Proben. Deshalb ist es bisher nicht möglich, die mikroskopische Untersuchung von Knochenmarkszellen zu automatisieren. Genau das ist jedoch das Ziel von Dr. Christian Münzenmayer und seinen Kollegen vom Fraunhofer-Institut für Integrierte Schaltungen IIS in Erlangen sowie Industriepartnern aus München und Aalen. Zunächst wird dafür ein automatisches Mikroskopiersystem entwickelt. Hinzu kommen dann neuartige Verfahren zur Analyse von Knochenmarksbildern. Die innovative Technologie soll ermöglichen, dass nun auch komplexe Zellhaufen und ähnlich aussehende Stammzellen bewertet werden können. Eine Datenbank mit über 1.000 digitalisierten Knochenmarkspräparaten dient schließlich zur Überprüfung der Ergebnisse in direktem Vergleich mit dem heutigen Routinevorgehen.
Auf diese Weise könnte künftig rasch ein sicherer Befund vorliegen. Dies ist nicht zuletzt für eine gezielte Therapieentscheidung wichtig. Zudem würde die automatisierte Diagnostik deutlich effizienter und kostengünstiger.

Kontakt:
Dr. Christian Münzenmayer, Fraunhofer-Institut für Integrierte Schaltungen IIS, Am Wolfsmantel 33, 91058 Erlangen, Tel.: 09131 7767-310, Fax: 09131 7767-309, E-Mail: christian.muenzenmayer@iis.fraunhofer.de

KUNSTSTOFF MIT KÖRPEREIGENEN ZELLEN

Herzklappenersatz mit langer Haltbarkeit und geringeren Risiken

Zwei Herzklappen verhindern den Rückstrom des Blutes während der Erschlaffungsphasen des Herzmuskels. Diese „Taschenklappen" sind großer Beanspruchung ausgesetzt und erfüllen bei manchen Patienten ihre Funktion nicht mehr richtig. Bisher stehen drei Taschenklappenprothesen zur Verfügung: künstlicher Ersatz sowie Klappen aus tierischem oder aus menschlichem Gewebe. Die künstlichen Prothesen können Blutgerinnsel verursachen, weshalb so behandelte Patienten lebenslang auf blutverdünnende Mittel angewiesen sind. Die Prothesen aus biologischem Material halten nur begrenzte Zeit, so dass Patienten oft mehrfach operiert werden müssen. Ein Team um Prof. Christoph Schmitz am Klinikum der Universität München entwickelt zusammen mit Partnern aus Bonn, Düsseldorf und Denkendorf eine Herzklappenprothese, welche die Vorteile der verschiedenen Modelle kombinieren und deren Nachteile vermeiden soll. Der Trick besteht darin, eine Taschenklappe aus einem Kunststoffvlies zu konstruieren und dieses mit körpereigenen Zellen des Patienten zu besiedeln.
Der Körper würde eine solche Taschenklappenprothese als "eigen" erkennen. Die Einnahme blutverdünnende Medikamente wäre nicht nötig und die Beständigkeit der Klappe deutlich erhöht. Zudem könnte sie mittels eines kleinen Schnitts über die Blutbahn ins Herz vorgeschoben werden. Eine große Operation unter Einsatz einer Herz-Lungen-Maschine und hohen Risiken wäre vermeidbar.

Kontakt:
Prof. Dr. Christoph Schmitz, Herzchirurgische Klinik und Poliklinik, Klinikum der Universität München, Marchioninistr. 15, 81377 München, Tel.: 089 709-52930, Fax: 089 709-58898, E-Mail: christoph.schmitz@med.uni-muenchen.de

DIE LASER-LÖSUNG

Zahnersatz soll so entfernt werden können, dass er wieder verwendbar ist

Defekte Zähne werden unter anderem mit Kronen oder Brücken wiederhergestellt. Zur Befestigung werden spezielle Zemente verwendet. Wenn sich jedoch eine Verankerungsschraube lockert, Schmerzen auftreten oder eine Wurzelkanalbehandlung nötig ist, muss der Zahnersatz wieder entfernt werden. Da er fest mit dem Zement verbunden ist, wird er zumeist erheblich beschädigt. Die dann notwendige Neuanfertigung verursacht erhebliche Kosten. Die neue „ReversFix-Technologie" soll nun eine Auflösung der Zementverbindung ermöglichen, ohne dass der Zahnersatz beschädigt wird. Sie wird von Prof. Ralph Luthardt am Universitätsklinikum Ulm mit dem Institut für Lasertechnologien in der Medizin und Messtechnik sowie einem Industriepartner aus Jena entwickelt. Der technische Clou besteht darin, eine zusätzliche Substanz im Zement einzubringen oder den Zahnersatz damit zu beschichten, die in der Lage ist, Energie aufzunehmen. Durch Bestrahlung mit einem Lasersystem kommt es zur Aktivierung der verwendeten Substanz, so dass die Verbindung gelöst wird und der Zahnersatz abgenommen werden kann.
Mit dieser Technik ließe sich festsitzender Zahnersatz unbeschädigt entfernen und nach der Behandlung auch wieder einsetzen. Die Kostenersparnis alleine in Deutschland könnte hunderte Millionen Euro betragen.

Kontakt:
Prof. Dr. Ralph G. Luthardt und Dr. H. Rudolph, Department für Zahnheilkunde, Klinik für zahnärztliche Prothetik, Albert-Einstein-Allee 11, 89081 Ulm, Tel.: 0731 50064-201, Fax: 0731 50064-203, E-Mail: ralph.luthardt@uniklinik-ulm.de

BELASTBARE KNOCHENBRÜCKE

Neuartige Implantate stabil wie das natürliche Vorbild

Knochen sind mit ihrer porösen Innenarchitektur und einer kompakten Außenschicht zugleich stabil und flexibel. Müssen Knochenabschnitte wegen eines Tumors oder einer Entzündung entfernt werden, ist es oft problematisch, diese Knochensegmentdefekte zu überbrücken. Implantate aus abbaubarem synthetischem Material sind sehr gefragt, bisher aber nicht ausreichend belastbar. Eine Arbeitsgruppe um Prof. Horst Fischer am Universitätsklinikum der RWTH Aachen entwickelt gemeinsam mit Kollegen vom Lehrstuhl für Keramik und Feuerfeste Werkstoffe der RWTH Aachen und Medizinern aus Bochum sowie Industriepartnern aus Ingelheim und Wiesbaden ein neuartiges Implantat, das dem natürlichen Vorbild entsprechen soll. Der poröse Kern wird am Computer entworfen und kann mit einem speziellen Fertigungsverfahren in eine kompakte Außenschicht integriert werden. Durch diesen gradierten Aufbau wird die Festigkeit der Knochenersatzkomponente deutlich gesteigert. Zusätzlich stimulieren spezielle Eiweiße im Implantat das Knochenwachstum: Am Ende soll das künstliche Knochensegment vollständig in natürliches Knochengewebe umgewandelt werden.
Patienten mit Knochensegmentdefekten könnten zukünftig wesentlich sicherer und in kürzerer Zeit behandelt werden.

Kontakt:
Prof. Dr.-Ing. Horst Fischer, Zahnärztliche Werkstoffkunde und Biomaterialforschung, Universitätsklinikum RWTH Aachen, Pauwelsstraße 30, 52074 Aachen, Tel.: 0241 808-0935, Fax: 0241 808-2027, E-Mail: hfischer@ukaachen.de

ELASTISCHER ERSATZ FÜR DIE GESCHÄDIGTE HAUPTSCHLAGADER

Ein neues Material kann Folgeerkrankungen des Herzens vermeiden helfen

An der Hauptschlagader (Aorta), die von der linken Herzkammer ausgehend durch den Brustraum verläuft, kann sich eine gefährliche, sackartige Ausdehnung (Aneurysma) entwickeln. Bei einem sehr großen Aortenaneurysma oder Aorten-Riss hilft nur noch der operative Ersatz der großen Hauptschlagader durch eine Prothese. Das gelingt auch recht gut, aber die bisher verwendeten Kunststoffe sind nicht elastisch. Daraus kann auf Dauer eine Überbelastung des Herzens mit entsprechenden Folgeschäden entstehen. Prof. Hans-Hinrich Sievers vom Universitätsklinikum Schleswig-Holstein (Campus Lübeck) will nun in Zusammenarbeit mit einer Medizintechnikfirma aus Tuttlingen eine Gefäßprothese aus einem speziell angepassten Polyurethan entwickeln, dessen Eigenschaften den natürlichen Verhältnissen sehr viel näher kommen.
Somit könnte der Einsatz der neuen Prothese das chirurgische Ergebnis verbessern, Folgeschäden verringern und kostspielige weitere Operationen vermeiden. Darüber hinaus könnten die neuen Materialien auch bei anderen Krankheiten, wie der fortgeschrittenen Atherosklerose, eingesetzt werden.

Kontakt:
Prof. Dr. H.-H. Sievers und Dr. Michael Scharfschwerdt, Klinik für Herz und thorakale Gefäßchirurgie, Universitätsklinikum Schleswig Holstein, Campus Lübeck, Ratzeburger Allee 160, 23538 Lübeck, Tel.: 0451 500-2074, Fax: 0451 500-6035, E-Mail: michael.scharfschwerdt@web.de

EISENSCHAUM FÜR DIE KNOCHEN

Neues Material verbessert die Behandlung von Knochendefekten

Ein wichtiges klinisches Problem ist die Tatsache, dass Knochendefekte ab einer kritischen Größe nicht wieder spontan heilen können. Solche Defekte können z. B. durch Brüche oder Tumore verursacht werden oder im Rahmen von orthopädischen Eingriffen zur Korrektur von Fehlstellungen auftreten.
Die Behandlung erfolgt meist durch den operativen Einsatz von Implantaten. Damit die Patienten nach einer solchen Operation so rasch wie möglich aufstehen können, muss der Knochen sofort wieder die volle Last tragen können. Die derzeitigen Implantatmaterialien für Bereiche mit hohen mechanischen Belastungen sind zwar sehr stabil, aber auch sehr steif und zudem nicht im Körper abbaubar. Eine Wissenschaftlergruppe um Dr. Bernd Wegener, München, sowie zwei Fraunhofer-Institute und ein Industriepartner aus Dresden entwickeln eine neue Implantat-Lösung. Aus Eisen wird zunächst ein Metallschaum hergestellt, der porös wie Knochen ist und mit Knochenzement zu einem hochfesten Verbundmaterialien kombiniert werden kann. Dieses Material wäre zugleich fest, aber auch flexibel genug, um allen Belastungen stand zu halten und gleichzeitig das Nachwachsen des Knochens zu unterstützen. Außerdem wäre das Implantat vollständig vom Körper abbaubar.
Die anpassbare Porenstruktur und die relativ lange Abbaudauer des Materials sorgen für gutes Einwachsen des Implantats in den natürlichen Knochen. Es besteht die Aussicht, dass Operationsbelastungen geringer werden, Implantatentfernung entfallen und Patienten schneller ihre volle Mobilität zurückgewinnen.

Kontakt:
Dr. Bernd Wegener, Orthopädische Klinik und Poliklinik, LMU München, Marchioninistr. 15, 81377 München, Tel.: 089 70956-786, Fax: 089 70956-793, E-Mail: bernd.wegener@med.uni-muenchen.de

II. Projekte aus der industriellen Forschung (Modul "Transfer")

RUNDER GANG MIT PROTHESE

Dank mobiler Messtechnik könnten Oberschenkelprothesen optimiert werden

Beinamputierte Menschen wollen mit ihrer Prothese wieder einen mobilen und möglichst schmerzfreien Alltag erleben. Sitzt das künstliche Bein allerdings nicht richtig, können zum Beispiel Rückenschmerzen oder Arthrose die Folge sein. Ein wichtiger Fortschritt für Patienten könnte aus Forschungsarbeiten von Prof. Marc Kraft von der TU Berlin zusammen mit Kollegen und Partnern aus Medizin und Orthopädietechnik in Hannover, Hamburg und Duderstadt entstehen. Neue Sensoren ergänzen dabei ein System, das bereits jetzt Belastungen direkt in der Prothese misst. So werden alle bei einer Bewegung entstehenden Kräfte erfasst. Aus sämtlichen Daten soll dann eine neue Software das individuelle Gangbild des Betroffenen vollständig analysieren. Zusätzlich wird ein neuartiges Bewegungsmodell entwickelt, das dem natürlichen Bewegungsablauf so weit wie möglich entspricht. Mit den Daten werden Abweichungen zum Modell festgestellt und Empfehlungen für die Prothesenanpassung errechnet.
Dieses Ganganalysesystem soll mobil einsetzbar sein und wäre somit auch für Sanitätshäuser geeignet. Das Team erhofft sich hierdurch eine nachhaltige Verbesserung der Lebensqualität für behinderte Menschen. Es wird erwartet, dass die neue Technik zudem vielfach preiswerter als bisherige Laborsysteme sein wird.

Kontakt:
Prof. Dr.-Ing. Marc Kraft, IKMM Fachgebiet Medizintechnik, TU Berlin, Straße des 17. Juni 135, 10623 Berlin, Tel.: 030 314-23388, Fax: 030 314-21098, E-Mail: marc.kraft@tu-berlin.de

KOMPLETTES LABOR AUF WENIGEN QUADRATZENTIMETERN

Schnelle Diagnose gefährlicher Krankheitserreger

Infektionen mit Schimmel- und Hefepilzen können insbesondere für Patienten, deren Immunabwehr durch Krankheit oder Medikamente geschwächt ist, lebensbedrohlich sein und müssen schnellstmöglich behandelt werden. Die heutzutage übliche Standarddiagnostik dieser Erreger ist allerdings langwierig und fehlerbehaftet. Gefragt ist ein schnelles und zuverlässiges Nachweisverfahren, das alle relevanten Pilz-Erreger und deren eventuell vorhandenen Medikamenten-Resistenzen gleichzeitig erfasst. Ziel der im Verbund mit Partnern aus Wissenschaft und Industrie in Lübeck, Stuttgart, Reutlingen und Gerlingen geplanten Arbeiten ist es deshalb, den kompletten Nachweis in einem Mikrosystem zu vereinen. Alle Analyseschritte von der Vorbereitung der Probe bis zum Nachweis des Erregers mit Hilfe hochempfindlicher Sensoren können so innerhalb kürzester Zeit durchgeführt werden, ohne dass es dafür eines spezialisierten Labors bedarf.
Das gerade einmal 2,5 mal 7,5 cm große Minilabor („lab on a chip“) soll es dem Arzt ermöglichen, sehr rasch und exakt den Pilz-Erreger zu identifizieren. Gleichzeitig erhält er Auskunft über mögliche Resistenzen des Pilzes gegenüber bestimmten Medikamenten. Damit wird die Diagnose gefährlicher Pilzinfektionen schneller und sicherer. Der Patient profitiert von einer frühzeitigen und gezielten Therapie und die Behandlungskosten können deutlich gesenkt werden.

Kontakt:
Dr. Ulf Steller, EUROIMMUN Medizinische Labordiagnostika AG, Seekamp 31, 23560 Lübeck, Tel.: 0451 585521-211, Fax: 0451 585521-129, E-Mail: u.steller@euroimmun.de

NEUE DIMENSION DER BILDGEBUNG

Therapiekontrolle auf Zellebene in Echtzeit

Bildgebende Verfahren spielen in der modernen Medizin eine zentrale Rolle. Bei Krankheiten wie Krebs werden sie zur Kontrolle des Therapieerfolgs eingesetzt; in anderen Fällen, wie bei Multipler Sklerose, Alzheimer oder Herzschwäche erlauben sie eine gezieltere Diagnostik. Viele krankhafte Prozesse im Körper gehen mit einem veränderten Stoffwechsel in den der Zellen der betroffenen Organe einher. Es wäre daher ein großer Fortschritt, mit Hilfe eines bildgebenden Verfahrens in Echtzeit messen zu können, wie Zellen Substanzen aufnehmen und verarbeiten. Die Lösung könnte 13CMMR (Hyperpolarisierte 13C molekulare MR Bildgebung) heißen, ein neuartiges minimalinvasives Magnetresonanz-Verfahren. Im Team mit akademischen Partnern der TU München (Profs. Markus Schwaiger, Axel Haase und Steffen Glaser) und der Firma Rapid Biomedical GmbH in Würzburg (Dr. Titus Lanz), arbeiten Dr. Marion I. Menzel und Dr. Rolf F. Schulte von GE Global Research daran, dieses Verfahren für den klinischen Einsatz vorzubereiten. Bei erfolgreichem Projektverlauf steht den Ärzten eine neue Dimension der Bildgebung zur Verfügung. Mit vergleichsweise geringem Aufwand lässt sich mit diesem Verfahren viel früher als bislang der Erfolg einer Therapie direkt im Körper nachweisen. Zielgenauere Therapie und besserer Behandlungserfolg wirken sich letztlich auch senkend auf die Kosten im Gesundheitssystem aus.

Kontakt:
Dr. Marion I. Menzel, GE Global Research, European Technology Center, Freisinger Landstr. 50, 85748 Garching b. München, Tel.: 089 5528-3730, Fax: 089 5528-3185, E-Mail: marion.menzel@research.ge.com

MEHR DURCHBLICK IM OP

Neue Dimension in der Röntgendiagnostik

In Deutschland werden jährlich rund 1,2 Millionen komplexe chirurgische Operationen durchgeführt. Um das Komplikationsrisiko zu verringern und Folgeeingriffe zu vermeiden, kontrollieren die Ärzte schon während des Eingriffs das Operationsergebnis durch Röntgendiagnostik. Der chirurgische Eingriff wird dazu unterbrochen. Bisher gibt es kein System, das nahtlos in den Ablauf der Operation integriert werden kann und die erforderliche dreidimensionale Bildaufnahme bei freiem Zugang zum Patienten gewährleistet. Die Lösung könnte ORBIT heißen. An ihr arbeitet Professor Erwin Keeve und sein interdisziplinäres Team vom Berliner Zentrum für Mechatronische Medizintechnik, einer gemeinsamen Einrichtung der Fraunhofer Gesellschaft und der Charité - Universitätsmedizin Berlin. Das Vorhaben wird gemeinsam mit Klinikern um Professor Bodo Hoffmeister und Professor Norbert Haas sowie der Ziehm Imaging GmbH, einer der weltweit führenden Spezialisten für mobile röntgenbasierte Bildgebung realisiert. Mit dem neuen ORBIT-Röntgensystem soll die Lage von Instrumenten, Implantaten und Frakturfragmenten deutlich besser als bisher während des Eingriffs kontrolliert werden. So ließen sich viele belastende und kostspielige Folgeoperationen vermeiden.

Kontakt:
Prof. Dr.-Ing. Erwin Keeve, Berliner Zentrum für Mechatronische Medizintechnik, - eine gemeinsame Einrichtung der Fraunhofer Gesellschaft und der Charité - Universitätsmedizin Berlin -, Fraunhofer Institut für Produktionsanlagen und Konstruktionstechnik, Bereich Medizintechnik, Pascalstr. 8-9, 10587 Berlin, Tel.: 030 3900-6120, E-Mail: erwin.keeve@ipk.fraunhofer.de

Impressionen von der Preisverleihung

Alle Gewinner des Innovationswettbewerbs Medizintechnik
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Die einzelnen Gewinner bei der Verleihung der Urkunde durch Frau MinDir’in Bärbel Brumme-Bothe, Lebenswissenschaften – Forschung für Gesundheit im BMBF

PD Dr. Dr. Peter Maurer, Bochum, für das Gewinnerprojekt "Individuell anpassbare PEEK – Rekonstruktionsplatte zur Überbrückung von Unterkieferdefekten" Dieses Bild zum download PD Dr. Lothar Just, Tübingen, für das Gewinnerprojekt "Verbesserung der Gewebequalität von Korneatransplantaten mittels einer neuartigen Bioreaktortechnologie"
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Dr. Alexander Lauten, Jena, für das Gewinnerprojekt "Entwicklung eines Verfahrens für die minimal-invasive Implantation von Herzklappenprothesen zur Therapie einer Mitralinsuffizienz"
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PD Dr. Georg Mühlenbruch, Aachen, für das Gewinnerprojekt "Entwicklung eines bioresorbierbaren Kunststoffstents für die Gefäßimplantation zur Ausschaltung intrakranieller Aneurysmen"
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Dr. Aránzazu del Campo, Mainz, für das Gewinnerprojekt "Fixierendes chirurgisches Nahtmaterial"
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Dr. Christian Münzenmayer, Erlangen, für das Gewinnerprojekt "Automatisierte, morphologische Analyse von Knochenmarkspräparaten für die Leukämie-Diagnostik"
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M.Sc. Ing. Bassil Akra, München, für das Gewinnerprojekt "Zellbesiedelte gestentete Polyurethan-Herzklappenprothese"
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Prof. Dr. Ralph G. Luthardt, Ulm, für das Gewinnerprojekt "Zerstörungsfreie Entfernung und Wiederbefestigung zahnärztlicher Restaurationen"
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Prof. Dr.-Ing. Horst Fischer, Aachen, für das Gewinnerprojekt "Entwicklung eines gradiert aufgebauten resorbierbaren Implantats zur Versorgung von Knochensegmentdefekten"
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Dr. Michael Scharfschwerdt, Lübeck, für das Gewinnerprojekt "Elastische Gefäßprothese für den Ersatz der thorakalen Aorta"
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Dr. Bernd Wegener, München, für das Gewinnerprojekt "Belastbare resorbierbare Implantate
auf der Basis von zellularen Stahlschäumen"
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Dipl.-Ing. Simone Oehler, Berlin, für das Gewinnerprojekt "Messtechnik-basierte Gangbildoptimierung bei transfemural Amputierten"
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Dr. Markus Cavalar, Lübeck, für das Gewinnerprojekt Vollintegriertes Lab-on-a-Chip-System zur schnellen Bestimmung von Pilzinfektionen bei immunsupprimierten Patie"
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Dr. Marion Menzel, Garching, für das Gewinnerprojekt. Neue Technologien für hyperpolarisierte 13C molekulare MR Bildgebung"
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Prof. Dr.-Ing. Erwin KeeveOffener Röntgenscanner für die Bildgeführte Interventionelle Therapie"
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Quelle
Alle Fotos: Sablotny