Fünf Zentimeter klein ist ein Mini-Labor, auf dem große Hoffnungen der Diabetesforschung liegen: Auf diesem Chip wachsen insulinproduzierende Zellen, die von Typ-1-Diabetikerinnen und -Diabetikern für eine Transplantation benötigt werden.
Professor Dr. Heiko Lickert ist Professor und Inhaber des Lehrstuhls für Betazellbiologie an der Fakultät für Medizin der TU München, Direktor des Institute of Diabetes and Regeneration Research (IDR) und außerplanmäßiger Professor am Institute of Stem Cell Research (ISF) des Helmholtz Zentrums München. Sein Forschungsvorhaben „e-ISLET“ wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert.
Herr Prof. Lickert, Typ-1-Diabetes tritt vor allem im Kindes- und Jugendalter auf. Dabei handelt es sich um eine Autoimmunerkrankung, bei der Betroffene selbst kein Insulin mehr produzieren können. Was sind die Ursachen?
Unser Zuckerhaushalt wird normalerweise durch Hormone aus den sogenannten Langerhans‘schen Inseln der Bauchspeicheldrüse reguliert. Nach der Nahrungsaufnahme schütten spezialisierte Zellen, die sogenannten Betazellen, das Hormon Insulin aus, damit der Körper Glukose (Zucker) aufnehmen kann. In Hungerphasen schütten wiederum Alphazellen das Hormon Glukagon aus, um Glukose aus der Leber freizusetzen. Beim Typ-1-Diabetes werden die Betazellen irrtümlicherweise vom eigenen Immunsystem angegriffen und zerstört, man spricht von Autoimmunität. Durch das Fehlen von Insulin steigt der Blutzuckerspiegel des Körpers stark an, was unbehandelt zu einem diabetischen Koma und dem Tod führen kann. Die Erkrankung ist heute gut therapierbar. Für die Patientinnen und Patienten bedeutet das allerdings, mehrmals täglich ihren Blutzucker messen zu müssen und sich Insulin zu spritzen.
Sie haben mit Ihrem Forschungsvorhaben e-ISLET den 3. Platz beim Pilotinnovationswettbewerb „Organersatz aus dem Labor“ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) gewonnen. Können Sie uns mehr über Ihr Forschungsvorhaben berichten?
Ziel des Projekts ist es, aus sogenannten induzierbaren pluripotenten Stammzellen (iPSC) Alpha- und Betazellen herzustellen und diesen zu inselähnlichen Aggregaten zusammenzuführen. Außerdem sollen diese Aggregate mit Blutgefäßen versehen werden. Die Idee ist, die Langerhans’schen Inseln des Körpers nachzubilden. In den Patienten transplantiert, sollen in der Zukunft im Labor erzeugte Inseln eine dem natürlichen Organ vergleichbare Funktion erlangen und so die verlorengegangenen Betazellen ersetzen. Diese Art der Zelltherapie würde hoffentlich für eine Vielzahl an Patientinnen und Patienten die tägliche Insulinspritze ersetzen können.
Typ-1-Diabetes könnte theoretisch durch eine sogenannte klinische Inselzelltransplantation geheilt werden. Warum gibt es derzeit noch keine in Deutschland zugelassene Therapieoption?
Die Transplantation von Bauchspeicheldrüsen oder Inselzellen ist seit 20 Jahren etabliert und gilt als sicher. Das Material stammt von verstorbenen Spendern und steht daher nicht in ausreichenden Mengen zur Verfügung. Eine weitere Hürde besteht darin, dass das Immunsystem unterdrückt werden muss, um die Abstoßung des transplantierten Materials zu vermeiden. Mit künstlich hergestellten Inseln möchten wir den Mangel an Material für die Transplantation beheben. In weiteren Projekten arbeiten wir daran, die Transplantationsprodukte so zu optimieren, dass sie der Autoimmunreaktion entgehen.
e-ISLET ist eine Kooperation aus vielen unterschiedlichen Forschungsbereichen am Helmholtz Zentrum München. Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit?
Unter dem Projekt e-ISLET arbeiten vier Institute des Helmholtz Zentrums München mit unterschiedlicher Expertise zusammen: das Institut für Diabetes und Regenerationsforschung unter meiner Leitung, die Arbeitsgruppe Bioengineering and Microfluidics am Helmholtz Pioneer Campus unter der Leitung von Professor Matthias Meier, das Institut für Translationale Stammzellforschung unter der Leitung von Professor Henrik Semb sowie die Arbeitsgruppe Pankreatische Inselzellphysiologie unter der Leitung von Professor Stephan Speier. Schwerpunktmäßig übernehmen mein Labor und das Labor von Professor Semb die Anzucht von Alpha- und Betazellen, die Anreicherung und Zusammenführung in Aggregaten, während die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler um Professor Meier die Aggregate mit Blutgefäßen versehen. Die Funktionsprüfung der entstehenden „engineered islets (eIslets)“ in verschiedenen Mausmodellen übernehmen dann wiederum meine Arbeitsgruppe sowie die Gruppe von Professor Speier.