Gummibärchen, Schokolade und Fruchtsäfte mögen Kinder besonders gerne – leider aber auch die Bakterien auf ihren Zähnen. Die häufige Folge: Zahnkaries. Um es gar nicht so weit kommen zu lassen, sind regelmäßige Kontrollen beim Zahnarzt und eine gute Mundhygiene wichtig. Eine aktuelle Studie hat nun ergeben, dass deutlich weniger Kinder und Jugendliche Karies haben, wenn in ihrer Schule die Kariesprophylaxe in den Unterricht integriert wird. (Newsletter 54 / November 2011)
Wie wichtig das Zähneputzen ist, weiß eigentlich jedes Kind.Trotzdem haben viele Kinder und Jugendliche Löcher in den Zähnen. „Besonders häufig betroffen sind Kinder aus sozialbenachteiligten Familien“, sagt Prof. Dr. Klaus Pieper, Direktor der Abteilung Kinderzahnheilkunde am Universitätsklinikum Marburg. Zwar hat sich die Zahngesundheit der Kinder und Jugendlichen in Deutschland seit den 80er-Jahren stetig verbessert: Mehr als die Hälfte der Schulanfänger hat heute kariesfreie Milchzähne, rund zwei Drittel der 12-Jährigenweisen ein naturgesundes bleibendes Gebiss auf. Aber Wissenschaftler beobachten, dass es bei der Zahnkaries zunehmend zu einer Schieflage kommt. „Wir nennen dieses Phänomen der Ungleichverteilung Kariespolarisierung. Das heißt, dass besonders eine kleine Gruppe von Kindern überwiegend aus sozial schwachen Verhältnissen unter Karies leidet“, so ProfessorPieper. „Dies ist vermutlich darauf zurückzuführen, dass ihre Familien seltener präventive und kurative Maßnahmenin Anspruch nehmen.“
Wie können nun Kinder und Jugendliche – gerade in sozialen Brennpunkten – vor Karius und Baktus geschützt werden? „Eigentlich ist es denkbar einfach“, sagt Professor Pieper. „In einer Studie haben wir herausgefunden, dass man mit einem vergleichsweise kompakten Vorsorgeprogramm, das in den Unterricht integriert ist, die Zahl der Kariesfälle bei Schülern um die Hälfte verringern kann.“ Und zwar mit Hilfe einer sogenannten selektiven Intensivprohylaxe. Hierbei werden die Kinder einmal jährlich in der Schule zahnärztlich untersucht. Zweimal pro Jahr kommen Experten für etwa zehn Minuten in den Unterricht und berichten kindgerecht rund um das Thema Zähne. An vier Terminen im Jahr putzen sich die Kinder unter Anleitung im Klassenzimmer gemeinsamdie Zähne. „Zusätzlich werden die Zähne der Kinder viermal im Jahr mit einem speziellen Fluoridlack behandelt“,beschreibt Professor Pieper. Ergänzend führt eine Ökotrophologinin den beteiligten Klassen eine intensive Ernährungsberatung durch und das Prophylaxe-Team stellt sich auf Elternabenden vor. An der Präventionsstudie, die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert wurde, haben insgesamt mehr als 3.000 Erst-, Viert- und Sechstklässler teilgenommen. Um den Effekt der Prophylaxe zu überprüfen, wurden Schüler aus Marburg mit Kindern aus einer anderen Region verglichen, in der keine selektive Intensivprophylaxe durchgeführt worden war. Beide Gruppen waren in ihrerZusammensetzung hinsichtlich des Geschlechts, der sozialen Schicht und der ethnischen Herkunft vergleichbar. Das Ergebnis: „Die Schüler in der Gruppe ohne Intensivprohylaxe hatten am Ende der Studie tatsächlich etwa doppelt soviel Karies wie die Kinder, die in der Schule zahnmedizinisch betreut wurden“, sagt der Studienleiter Pieper. Durch ein vergleichsweise einfaches Vorsorgeprogramm kann also eine Kariesreduktionvon etwa 50 Prozent erzielt werden. „Die gute Wirkung ist umso erfreulicher, da es sich bei den Schülerinnen und Schülern in unserer Studie um Kinder aus Schulen in sozialen Brennpunktbereichen handelte“, so Professor Pieper.
Wer behandelt hier wen? Durch die selektive Intensivprohylaxe verlieren die Kinder die Angst vor dem Zahnarzt. Durch das Präventionsangebot in der Schule verlieren die Kinder auch die Angst vor dem Zahnarzt. Denn sie werden wiederholt mit Themen rund um Zähne, Zahnbehandlungund Mundgesundheit konfrontiert. „Und das in einem Umfeld, das keine Ängste auslöst“, betont Professor Pieper. So lernen die Kinder beispielsweise, dass eine Fluoridlackbehandlung nicht weh tut, und gewöhnen sich daran, von einem Zahnarzt behandelt zu werden. „Das sind natürlich ganz wichtige Weichenstellungen für die Zukunft“, so Professor Pieper. Keinen Effekt hatte die Intensivprophylaxe allerdings auf das Wissen der Kinder zum Thema Zahngesundheitund auch nicht auf ihr Verhalten in Sachen Mundhygiene. „Das hat uns überrascht“, sagt der Experte. Die Besprechung von Prophylaxethemen in der Schule reicht allein also offenbar nicht aus, Wissen und Pflegeverhalten der Kinder erkennbar zu verändern. „Wir vermuten deshalb, dass die positiven Effekte des Programms in erster Linie auf die Zahnarztbesuche und besonders auf die regelmäßigen Anwendungen des Fluoridlacks zurückzuführen sind.“
Das Fazit der Wissenschaftler: Prophylaxemaßnahmen, die direkt in Schulen oder Kindergärten angeboten werden, sind bestens geeignet, um die Zahngesundheit unsere Kinder nachhaltig zu verbessern. Familien in sozial schwierigen Lagen, so der Rat der Experten, sollten zusätzlich von Präventionsanbietern zu Hause betreut werden, um eine nachhaltige Wissens- und Verhaltensänderung bei den Kindern und in ihren Familien zu bewirken.
Die Studie von Professor Pieper und seinen Kolleginnen und Kollegen wurde im vergangenen Jahr mit dem Wrigley Prophylaxe Preis für die Forschung und Umsetzung innovativer Programme in der präventiven Zahnmedizin ausgezeichnet, der von der Deutschen Gesellschaft für Zahnerhaltung verliehen wird.
Wie entsteht Karies?
In unserem Mund leben in den Zahnbelägen Bakterien. Sie bauen Zucker ab, den wir durch unsere Nahrung aufnehmen. Dabei entstehen schwache organische Säurenals Stoffwechselprodukte. Wenn diese Säuren immer wieder und über einen langen Zeitraum auf die Zähneeinwirken, schädigen sie den Zahnschmelz, indem sie Mineralbestandteile wie Kalzium und Phosphat herauslösen. Es entsteht Karies.
Wie kann man Karies vorbeugen?
Die wichtigsten Maßnahmen zur Kariesprophylaxe sind:
Ansprechpartner:
Prof. Dr. Klaus Pieper
Medizinisches Zentrum für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde
Direktor der Abteilung Kinderzahnheilkunde
Universitätsklinikum Gießen und Marburg GmbH
Georg-Voit-Straße 3
35037 Marburg
Tel.: 06421 586-3224
Fax: 06421 586-6691
E-Mail: pieper@med.uni-marburg.de