März 2023

| Newsletter 110

Leishmaniose: Ein kleiner Stich birgt große Gefahren

Die Forschenden der durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Nachwuchsgruppe MultiPath suchen nach neuen Therapieoptionen für Leishmaniose. Ihre Erkenntnisse könnten insbesondere Menschen in ärmeren Regionen der Welt helfen.

Sandmücke auf Haut

Durch einen Stich überträgt die Sandmücke Parasiten, die die Erkrankung Leishmaniose auslösen können.

nechaevkon/Adobe Stock

Sie ist nur wenige Millimeter groß und dennoch gefährlich: Durch einen Stich der blutsaugenden Sand- oder Schmetterlingsmücke können Parasiten der Gattung Leishmania übertragen werden. Diese lösen die Infektionskrankheit Leishmaniose aus, deren Symptomatik – abhängig von der jeweiligen Erregerspezies – von Hautläsionen und Geschwüren (Kutane Leishmaniose) bis hin zu lebensbedrohlichen Veränderungen der inneren Organe (Viszerale Leishmaniose) reicht. Weltweit erkranken jedes Jahr bis zu eine Million Menschen an Leishmaniose, die meisten von ihnen in tropischen und subtropischen Regionen, wo die Mücke heimisch ist.

„Leishmaniose wird zumeist mit spezifischen Medikamenten behandelt, die in den Stoffwechsel des Parasiten eingreifen und ihn so unschädlich machen. Allerdings sind diese Medikamente insbesondere in den Regionen mit vielen Erkrankungsfällen oft nur eingeschränkt verfügbar – auch aufgrund ihrer hohen Kosten. Hinzu kommt, dass immer mehr Leishmania-Stämme Resistenzen gegen die eingesetzten Substanzen entwickeln, wodurch die vorhandenen Medikamente zunehmend ihre Wirkung verlieren“, erläutert Dr. Zaynab Hammoud. Sie ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl „IT-Infrastrukturen für die Translationale Medizinische Forschung“ der Universität Augsburg und hat ihre Doktorarbeit im Rahmen der Nachwuchsgruppe MultiPath abgeschlossen. Die Nachwuchsgruppe hat sich zum Ziel gesetzt, neue Wirkstoffe für die Therapie der Kutanen Leishmaniose zu finden.

Durch bioinformatorische Auswertungen und molekularbiologische Untersuchungen konnten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler fünf Gene identifizieren, die mit der Erkrankung in Verbindung stehen. Darauf aufbauend fanden sie durch Analysen in entsprechenden Wirkstoffdatenbanken drei vielversprechende Substanzen, mit denen die Kutane Leishmaniose möglicherweise erfolgreich behandelt werden kann. Alle drei Substanzen sind zugelassene Arzneimittel und werden weltweit bereits eingesetzt, etwa zur Therapie von Hautproblemen wie Akne. Sie könnten auch wegen ihres günstigen Preises dazu beitragen, die Gesundheitsversorgung in ärmeren Regionen der Welt zu verbessern.

Drug-Repurposing

Der auch in diesem Forschungsprojekt genutzte Ansatz wird in der Fachwelt als Repurposing bezeichnet. Er beschreibt die Suche nach neuen Indikationsbereichen für bereits vorhandene Wirkstoffe. Ist die Suche erfolgreich, so erspart das den Forschenden enorme Kosten und viele Jahre Forschungsarbeit. Denn für diese Medikamente wurden wichtige Nachweise – insbesondere zur Sicherheit – bereits erbracht.

Internationale und interdisziplinäre Kooperation als Schlüssel zum Erfolg

Um diesem Ziel näher zu kommen, kooperierten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Chile, Brasilien und Deutschland. Forschende aus unterschiedlichen Fachbereichen konnten so ihre Expertise an den jeweils geeigneten Orten einbringen. Das Projekt bestand aus drei aufeinander aufbauenden Arbeitsschritten: Zunächst wurden in Santiago de Chile die genomischen Analysen durchgeführt, durch die die entsprechenden Gene identifiziert wurden. In Augsburg entwickelten die Forschenden die beiden Softwaretools „mully“ und „Multipath“. Damit konnten die relevanten Proteine und biologischen Signalwege entschlüsselt werden, an denen die zuvor identifizierten Gene beteiligt sind. Darauf aufbauend wurden computergestützte Modelle erstellt, um die Wirkstoffe zu identifizieren, die mit diesen Proteinen interagieren beziehungsweise in diese Signalwege eingreifen. In Brasilien wurden die Ergebnisse anschließend in Laborexperimenten validiert.

Dr. Zaynab Hammoud und Prof. Dr. Frank Kramer

Dr. Zaynab Hammoud und Prof. Dr. Frank Kramer

Universität Augsburg

„Durch unsere Modelle ergab sich zunächst eine erste Liste mit 21 möglichen Zielmolekülen. Über eine systematische Literaturrecherche konnten wir diese Liste auf fünf Gene reduzieren, an die elf Wirkstoffe ansetzten. Davon wurden wiederum drei durch die weiterführenden Laborexperimente als vielversprechend eingestuft“, so Hammoud. „Die klinischen Studien, mit denen die Wirksamkeit der identifizierten Wirkstoffe überprüft werden soll, sind bereits in Planung.“

„Das Projekt MultiPath zielt darauf ab, das in den vergangenen 20 Jahren generierte Vorwissen über molekulare Interaktionen stärker zu berücksichtigen. In unserer Analyse konnten wir unser Set an Werkzeugen nutzen, um potenzielle Ziele für ein Drug-Repurposing zu finden. Beide Tools können aber auch für ähnliche Analysen in anderen Krankheitsbereichen genutzt werden, sie sind daher ohne Nutzungsbeschränkung via Open Source online verfügbar“, ergänzt Professor Dr. Frank Kramer, Inhaber des Augsburger Lehrstuhls für IT-Infrastrukturen für Translationale Medizinische Forschung.

Systemmedizin

Bereits seit 2012 fördert das BMBF die Systemmedizin in Deutschland. Bestandteil des Förderkonzeptes „e:Med – Maßnahmen zur Etablierung der Systemmedizin in Deutschland“, für das insgesamt rund 237 Millionen Euro zur Verfügung stehen, ist auch das Modul „Nachwuchsgruppen in der Systemmedizin“. Das Forschungsprojekt MultiPath ist eine der insgesamt acht geförderten Nachwuchsgruppen.

 ​Ansprechpartner:
Prof. Dr. Frank Kramer
Dr. Zaynab Hammoud
Universität Augsburg
Medizinische Fakultät, Fakultät für Angewandte Informatik
IT-Infrastrukturen für die Translationale Medizinische Forschung
Alter Postweg 101
86159 Augsburg
E-Mail: frank.kramer@uni-a.de
zaynab.hammoud@informatik.uni-augsburg.de