08.10.2020

| Aktuelle Meldung

Leitfaden ermöglicht offene Gespräche über Todeswünsche

Unheilbar krank und das Lebensende in Sichtweite. In dieser Situation wünschen manche Betroffene den eigenen, selbstbestimmten Tod. Ein Schulungskonzept bietet Mitarbeitenden der Palliativversorgung nun eine Handlungsorientierung im Umgang mit Todeswünschen.

Die Hände einer jungen Pflegenden halten die Hand einer älteren Frau.

Fachkräfte in der Palliativversorgung werden regelmäßig mit dem Wunsch nach einem selbstbestimmten Sterben konfrontiert. Ein Schulungskonzept bietet ihnen in dieser schwierigen Situation eine Handlungsorientierung.

Robert Kneschke/Fotolia

Menschen, die in der Palliativversorgung und im Hospiz täglich sterbenskranke Menschen betreuen, werden regelmäßig mit den Todeswünschen ihrer Patientinnen und Patienten konfrontiert. Wie können die Betreuenden auf solche Wünsche reagieren? Hilft ein offenes Gespräch oder belastet es die Patientinnen und Patienten noch zusätzlich? Ein evaluiertes Schulungskonzept, das Forschende des Zentrums für Palliativmedizin des Universitätsklinikums in Köln entwickelt haben, nimmt den Versorgenden die Unsicherheit im Umgang mit Todeswünschen. Ein zentraler Baustein dieses Konzeptes ist ein Leitfaden, der durch ein offenes Gespräch über das Sterben und den Tod sowie die damit verbundenen Sorgen führt. Die Evaluation und die Weiterentwicklung des Leitfadens sowie des Schulungskonzeptes wird im Projekt DEDIPOM („The desire to die in palliative care: Optimization of management“) seit 2017 vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert.

„Durch die Gespräche erfahren wir oft erst von den Todeswünschen unserer Patientinnen und Patienten und können dann auf diese eingehen. Die Ergebnisse unserer Studie zeigen, dass dies der richtige Weg ist. Denn diese offenen Gespräche entlasten die Betroffenen oft deutlich und geben ihnen das Gefühl, über alles sprechen zu können“, erläutert der Studienleiter Professor Raymond Voltz, Direktor des Zentrums für Palliativmedizin am Universitätsklinikum Köln.

Um das Schulungskonzept und den Gesprächsleitfaden weiterzuentwickeln, führten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ausführliche Interviews mit Palliativpatientinnen und -patienten – immer mit Blick auf die Bedürfnisse der Erkrankten. Wichtige Aspekte, die von den Betroffenen angesprochen wurden, waren der Wunsch nach einer vertrauensvollen Beziehung zwischen den Gesprächspartnern, einem privaten und geschützten Gesprächsrahmen sowie nach der bedarfsorientierten Einbeziehung Dritter. Der anhand dieser Erkenntnisse überarbeitete Leitfaden wurde in einer mehrstufigen Onlinebefragung evaluiert und von 137 der 149 hinzugezogenen internationalen Expertinnen und Experten als sinnvoll oder sogar sehr sinnvoll für den klinischen Alltag bewertet.

Patientinnen und Patienten werden durch die Gespräche entlastet

Den positiven Einfluss für die Erkrankten bestätigt eine Evaluation mit insgesamt 172 Patientinnen und Patienten, mit denen geschulte Versorgende zuvor Gespräche über mögliche Todeswünsche geführt hatten. „Die Patientinnen und Patienten berichteten uns, dass sie diese Gespräche als entlastend erlebt haben. Sie fühlten sich gut umsorgt. Bei einigen von ihnen verbesserte sich die Depressivität kurzzeitig sogar deutlich“, sagt Voltz.

Schulung entlastet auch Betreuende

Bislang wurden in insgesamt zwölf Schulungen 104 Mitarbeitende der palliativen Versorgung weitergebildet. Diese Schulungen wurden ebenfalls im Anschluss evaluiert. Die Teilnehmenden meldeten zurück, dass sie sich auch langfristig sicherer im Umgang mit Todeswünschen fühlen und den Leitfaden mehrheitlich im Arbeitsalltag einsetzen. „Wir haben aufgrund der großen Nachfrage bereits jetzt fünf weitere Schulungen eingeplant. Auch das bestätigt, dass unser Konzept sehr gut angenommen wird“, so Voltz.

An den Schulungen können Mitarbeitende aller Versorgungsstrukturen unabhängig von ihrer Berufsgruppe teilnehmen. Neben Vorträgen und Gruppendiskussionen gehören auch Rollenspiele und Reflexionsübungen zum Programm. Die Teilnehmenden erlernen nicht nur hilfreiche Möglichkeiten, wie sie im Gespräch auf Todeswünsche reagieren, sondern setzen sich auch mit ihrer eigenen Haltung sowie mit den rechtlichen Grundlagen auseinander.

Der Welthospiztag lenkt die Aufmerksamkeit auf die palliativen und hospizlichen Belange. Er findet jedes Jahr am zweiten Samstag im Oktober statt, dieses Jahr am 10. Oktober unter dem Motto „Solidarität bis zuletzt“. In enger Anbindung an den Welthospiztag hat der Deutsche Hospiz- und Palliativverband den Deutschen Hospiztag am 14. Oktober ins Leben gerufen.